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Schließlich hob Melichrone seinen jadeschwarzen Kopf und sprach: »Ich glaube wirklich, da ist was dran.«

»Es freut mich, so etwas von Ihnen zu hören«, sagte Carmody.

»Aber ich meine das - wirklich, ganz ernst!« versicherte Melichrone. »Ihre Lösung scheint mir sowohl folgerichtig, als auch elegant zu sein. Und bei weiterer Betrachtung will es mir scheinen, daß das Schicksal selbst, das Menschen, Götter und Planeten beherrscht, unser Treffen hier vorbestimmt hat. Daß ich, ein Schöpfer, ohne eine Aufgabe erschaffen wurde; und daß Sie, ein Erschaffener, zum Schöpfer einer Aufgabe wurden, die nur ein Gott für Sie ausführen kann. Und das Ihnen nun vorbestimmt war, Ihre Lebenszeit darauf zu warten, daß ich Ihnen Ihr Problem löse, während mir bestimmt war, hier eine halbe Ewigkeit darauf zu warten, daß Sie mir Ihr Problem zur Aufgabe machen.«

»Das würde mich nicht im geringsten überraschen«, bestätigte Carmody begeistert. »Würden Sie jetzt vielleicht gerne mein Problem kennenlernen?«

»Ich habe es bereits ermittelt«, erklärte Melichrone. »In Folge meines überlegenen Intellekts und meiner großen Erfahrung weiß ich sogar mehr über Ihr Problem, als Sie selbst darüber wissen. Grob vereinfacht, besteht Ihr Problem darin, wie Sie nach Hause kommen sollen.«

»Genau das ist es.«

»Nein, genau ist es das nicht. Ich weiß schon, warum ich etwas so sage, wie ich es sage. Wenn ich grob vereinfacht sage, meine ich auch grob vereinfacht. Vereinfacht ausgedrückt, müssen Sie wissen Wo, Wann und Welcher Ihr Planet ist, und Sie brauchen einen Weg, dorthin zu gelangen, und Sie müssen dort in etwa in dem Zustand ankommen, in dem Sie sich zur Zeit noch befinden. Wenn das alles wäre, dann wäre die Sache schon schwierig genug.«

»Was gibt es denn sonst noch?« fragte Carmody.

»Na, da ist selbstverständlich noch der Tod, der Sie unerbittlich verfolgt.«

»Oh«, sagte Carmody. Er fühlte sich plötzlich sehr weich in den Knien, und Melichrone erschuf zuvorkommenderweise einen Lehnstuhl für ihn, dazu eine Havanna-Zigarre, einen Rum Collins, ein paar warme Filzpantoffeln und einen fellgefütterten Hausmantel.

»Bequem so?« fragte Melichrone.

»Sehr.«

»Gut. Dann passen Sie jetzt gut auf. Im Folgenden werde ich mich bemühen, Ihnen Ihre Situation kurz, aber prägnant zu erläutern, wozu ich nur einen kleinen Teil meines Geistes abstellen muß, während der Rest sich gleichzeitig an die Aufgabe machen wird, eine angemessene und kostengünstige Lösung für Ihr Problem zu finden. Aber Sie müssen genau zuhören und versuchen alles beim ersten Mal gleich richtig zu verstehen, denn wir haben nicht viel Zeit, extrem wenig sogar.«

»Ich dachte, Sie hätten meine zehn Sekunden zu 25 Jahren ausgedehnt?« meinte Carmody.

»Das habe ich auch. Aber die Zeit ist eine besonders trickreiche Variable, selbst für einen wie mich. Achtzehn von Ihren 25 Jahren sind schon vorbei, und der Rest geht auch schon immer schneller. Aufgepaßt jetzt! Ihr Leben hängt davon ab.«

»Alles klar«, sagte Carmody. Er beugte sich vor und zog an seiner Zigarre. »Kann losgehen, ich bin soweit.«

»Das erste, was Sie verstehen müssen«, begann Melichrone, »ist die Natur jenes unerbittlichen Todes, der Ihnen so hartnäk-kig auf den Fersen ist.«

Carmody spürte eine leichte Gänsehaut und beugte sich noch weiter vor, um alles mitzubekommen.

IX

»Eine der aller grundlegendsten Tatsachen dieses Universums«, sagte Melichrone, »besteht darin, daß eine Spezies die andere Spezies frißt. Das ist vielleicht nicht sehr hübsch, aber so ist es nun einmal. Fressen ist ein Grundgesetz, und die Beschaffung der Futtermittel die Ursache für die meisten anderen Phänomene des Lebens. Aus diesem Konzept ergibt sich das Gesetz des Gefressenwerdens, das sich wie folgt ausdrük-ken läßt: Jede Spezies, wie hoch oder niedrig sie entwickelt sein mag, frißt eine oder mehrere andere Spezies und wird von einer oder mehreren anderen Spezies gefressen.

Daraus ergibt sich ein Grundzustand des Universums, der von bestimmten Umständen bestärkt oder bedroht werden kann, jedenfalls aber als geschlossenes, sich selbst regulierendes System seinen eigenen Erhalt garantiert. Im Kleinen wiederholt sich dieses Prinzip. Jede Rasse schafft es unter natürlichen Umständen in ihrem gegebenen Lebensraum ein Gleichgewicht mit ihren Feinden aufrecht zu erhalten, womit der überwiegenden Mehrheit dieser Spezies erlaubt ist, ihre Lebenszeit in Ruhe auszuleben trotz der Verfolgung durch ihre Verfolger. Dieses Gleichgewicht drücken wir für gewöhnlich mit der Sieger-Besiegten-Relation aus, auch SB-Gleichung genannt. Wenn eine Spezies oder ein einzelnes Mitglied eines Spezies sich in einen fremden und exotischen Lebensraum begibt, verändert sich ganz zwangsläufig der SB-Wert. Gelegentlich gibt es zunächst eine vorübergehende Verbesserung in der Fressen-und-Gefressenwerden-Relation (Sb frei Fg-frei 1). Weit häufiger kommt es aber zu einer Verschlechterung (Sb frei Fg frei 1), die sich langfristig immer einstellt.

Letzteres ist Ihnen passiert, Carmody. Sie haben Ihren natürlichen Lebensraum verlassen, was auch heißt, daß Sie keine natürlichen Verfolger mehr haben. Kein Auto kann sich hier an Sie heranpirschen, kein Virus in Ihr Blut schleichen, kein Polizist kann Sie hier aus Versehen niederknallen. Sie sind von den Gefahren der Erde getrennt, und gegenüber den Gefahren für die anderen galaktischen Spezies sind Sie immun.

Aber diese Verbesserung (Sb frei Fg frei 1) kann eben nur von sehr kurzer Dauer sein. Das eiserne Gesetz des Gefressenwerdens, ohne das die kosmische Natur kein Gleichgewicht bewahren könnte, sorgt für den zwangsläufigen Ausgleich. Sie können nicht aufhören zu jagen, und Sie können nicht verhindern, daß Sie gejagt werden. Ihre Verfolgung ist daher eine Notwendigkeit in sich selbst.

Nachdem Sie die Erde verlassen haben, sind Sie zu einer einzigartigen Kreatur geworden, daher ist Ihr Verfolger auch einzigartig.

Ihr Verfolger wurde als Personifikation und Erfüllungswerkzeug eines kosmischen Gesetzes geboren. Er ist ein Raubtier, daß sich einzig und allein von Ihnen ernährt - ein Carmodyfres-ser. Er wurde passend zu Ihren spezifischen Charakteristika erschaffen. Seine Form und seine Fähigkeiten sind ideal seiner Ernährungsweise angepaßt. Ohne ihn je gesehen zu haben, wissen wir, daß sein Gebiß dafür geschaffen ist, Carmodys zu zerreißen, seine Klauen dafür geformt sind, Carmodys zu pak-ken, sein Magen auf die Verdauung von Carmodys eingestellt ist und seine ganze Persönlichkeit auf die optimale Ausnutzung der Schwächen der carmodyschen Persönlichkeit.

Ihre Situation hat Sie zu etwas Einzigartigem gemacht, Carmody. Also ist Ihr Verfolger auch einzigartig. Es ist Ihr ganz persönlicher Tod, der Sie verfolgt, Carmody, und er tut das mit einer Verzweiflung, die der Ihren nicht nachsteht. Wenn er Sie erwischt, sterben Sie; wenn Sie ihm zurück zu den normalen Verfolgern Ihrer natürlichen Umgebung entkommen, stirbt er aus Mangel an carmodyschem Fressen den Hungertod.

Es gibt nichts, was ich Ihnen sagen könnte, damit Sie dieser Gefahr besser ausweichen können. Ich kann die Tricks und die Verkleidung, mit denen der Verfolger sich Ihnen nähern wird, nicht voraussehen, genausowenig wie ich Ihre Tricks voraussehen kann. Ich kann Sie nur warnen, daß die Wahrscheinlichkeit in der Regel den Jäger begünstigt, obwohl man auch schon von geglückten Fluchten gehört haben soll.

Das ist Ihre Lage, Carmody. Haben Sie mich verstanden?«

Carmody fuhr hoch, wie ein Mann aus tiefem Schlaf. »Ja«, erklärte er, »ich habe nicht alles verstanden, was Sie mir gesagt haben. Aber die wichtigen Dinge habe ich mitbekommen.«

»Gut«, sagte Melichrone »Denn wir haben keine Zeit mehr übrig. Sie müssen diese Welt auf der Stelle verlassen. Nicht einmal ich auf meinem eigenen Planeten kann das kosmische Gesetz des Gefressenwerdens außer Kraft setzen.«