Выбрать главу

Es hatte keinen Zweck. Der Besichtigungsgang durch Maudsleys Fabrik erweckte in Carmody eine unerträgliche Langeweile, wie er sie zuvor nur als Student bei einer Führung durch ein Hüttenwerk in Indiana erlebt hatte. Und dieses Gefühl dumpf en Widerwillens, diese Woge angeekelter Erschöpfung - genauso hatte er sich immer bei den endlosen Museumsrundgängen mit seiner Frau gefühlt, in den gedämpften, endlosen Korridoren des Louvre, des Prado oder des Britischen Museums. Das Gefühl des Wunderbaren, stellte Carmody fest, verträgt immer nur sehr wenig Wunder auf einmal. Der Mensch bleibt im Grunde überall nur sich selbst und seinen eigenen Interessen treu. Er ist der Gefangene seines Charakters, selbst wenn man diesen Charakter plötzlich nach Tim-buktu oder nach Alpha Centauri transportiert. Und mit schamloser Ehrlichkeit gestand Carmody sich ein, daß er lieber auf Ski die Nosdive-Abfahrt bei Stowe herunter wedeln würde oder mit einem Einhandsegler in der Frisco-Bay kreuzen, als sich die größten Wunder des Universums anzusehen. Irgendwie schämte er sich dafür, aber er konnte nichts dagegen tun.

»Es scheint mir, ich habe nichts besonders Faustisches an mir«, sagte er zu sich selbst. »Hier liegen die Geheimnisse des Universums vor mir ausgebreitet wie alte Zeitungen, und ich träume von einem schönen Wintermorgen in Vermont, bevor der Schnee verharscht ist.«

Eine Zeitlang fühlte er sich regelrecht elend, aber dann begann sich etwas in ihm zur Wehr zu setzen: »Jedenfalls mußte selbst Faust nicht durch dieses ganze Erkenntniszeug spazieren, als wäre es eine Ausstellung alter Meister. Er mußte sich verdammt dafür anstrengen und hat sich richtig die Seele aus dem Leib gearbeitet, wenn ich mich recht erinnere. Wenn es ihm der Teufel so einfach gemacht hätte, dann hätte Faust das ganze Streben nach Erkenntnis hingeschmissen und sich etwas wirklich Anstrengendem zugewandt, Bergsteigen vielleicht oder etwas ähnlichem.«

Er dachte noch eine Weile nach. Dann sagte er sich: »Egal. Was ist schon Großes dran an den Geheimnissen des Universums? Man hat sie eben überschätzt, wie man alles sonst ja auch immer viel großartiger darstellt, als es sich nachher entpuppt. Wenn man es erst mal wirklich vor sich hat, ist nichts so toll, wie man es sich vorher immer vorgestellt hat.«

Das alles, selbst wenn es nicht unbedingt stimmen mußte, half Carmody jedenfalls sich erheblich besser zu fühlen. Aber er langweilte sich noch immer, und Maudsley ließ sich weiterhin nicht außerhalb seiner Werkstatt blicken.

Die Zeit verging endlos langsam, zumindest erschien es Carmody so. Natürlich war es unmöglich, darüber irgendwelche objektiven Feststellungen zu treffen, aber für Carmody reihte sich Tag an Tag und Woche an Woche, nach seinem subjektiven Lebensrhythmus beurteilt. Es kam ihm auch so vor, als hätte Maudsley seine Schwierigkeiten, dem schnell gegebenen Versprechen nun wirklich nachzukommen. Offenbar war es schwieriger einen neuen Stern zu bauen, als einen alten zu finden. Da er soviel Zeit hatte, darüber nachzudenken, erschien Carmody diese Aufgabe immer komplexer und unlösbarer. Er begann allen Mut zu verlieren.

Eines Tages (um es etwas konventionell auszudrücken) sah er Orin und Brookside bei der Konstruktion eines Waldes zu. Die Primaten von Coeth II hatten diesen Hain bestellt, weil ihr alter von einem Meteor getroffen worden war. Der neue hatte vollständig aus einer Schulkindersammlung finanziert werden müssen, aber es war eine ausreichende Summe für eine erstklassige Bestellung zusammengekommen.

Als die Ingenieure und Arbeiter fertig waren und den Bauplatz verlassen hatten, wanderte Carmody allein unter den Bäumen her. Er bewunderte, welche großartige Arbeit Maudsleys Leute leisten konnten, wenn sie die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt bekamen, denn dieser Wald erwies sich als Prunkstück kreativer und durchdachter Planung.

Die Bäume sahen alle recht erdähnlich aus, und Carmody benannte sie für sich selbst einfach nach ihren irdischen Gegenstücken. Es gab breite ästhetisch schön geschlungene Pfade mit einem weichen Moosteppich für die Füße und einem hoch gewölbten Blätterdach darüber, das gerade angenehmen Schutz vor zuviel direkter Sonneneinstrahlung bot, ohne das es am Boden zu dunkel gewesen wäre. Seichte kleine Flüsse, keiner tiefer als fünfzig Zentimeter, sodaß auch kleine Kinder gefahrlos darin baden konnten, und lauschige Seen, ebenfalls völlig kindersicher, rundeten das Bild ab.

Aber es gab noch mehr als das, wie Carmody bemerkte. Selbst jemandem so ungeschulten wie ihm fiel auf, mit welcher Sorgfalt dem Wald eine kleine, einfache, freundliche und sinnvolle Ökologie beigegeben worden war. Es gab Vögel, Waldtiere und allerlei Kreaturen, zu denen Carmody kein rechter Vergleich einfiel, weil sie auf der Erde kein Äquivalent besaßen.

Blumen blühten überall, und Bienen, selbstverständlich ohne Stachel, summten fleißig umher, um die Bestäubung vorzunehmen. Und durch das nicht zu hohe und nirgendwo verfilzte Unterholz tapsten drollige kleine Bären, die ständig unterwegs waren, um den Bienen den Honig abzujagen. Es gab Raupen in den schönsten Farben, die an den Blumen fraßen, und leuchtend gefiederte Vögel, die von den Raupen lebten, und schnelle rote Füchse, die den Vögeln nachstellten, und Bären, die die Füchse fraßen, und Primaten, die die Bären aßen.

Aber auch die Primaten von Coeth II starben irgendwann, und dann wurden sie im Wald in ein schattiges, weiches Grab ohne Sarg gelegt, taktvoll, aber ohne jede überflüssige Zeremonie, und die Maden fressen von ihnen, und die Vögel, die Füchse, die Bären und selbst einige besondere Blumenarten. Auf diesem Wege waren auch die Coethianer ein fester Bestandteil des Waldzyklus von Leben und Tod. Und das gefiel den Primaten sehr gut, denn sie hatten nie etwas anderes als ein Bestandteil ihrer Ökosphäre sein wollen.

Carmody beobachtete dies alles, während er mit dem Preis unter dem Arm (er war noch immer ein Kupferkessel) durch den Wald wanderte und dabei düsteren Gedanken an seine eigene verlorene irdische Heimat nachhing. Dann hörte er hinter sich das Rascheln eines Zweiges.

Es gab keinen Wind, und die Bären badeten alle gerade in einem der Teiche. Carmody drehte sich langsam herum, weil er wußte, daß etwas hinter ihm sein mußte, und wünschte sich dabei, es wäre nicht dort.

Es war tatsächlich etwas dort. Eine Kreatur in einem unförmigen, grauen Plastikraum anzug, grauen unförmigen Schuhen Modell Frankenstein, einem transparenten Bubblegum-Raumhelm und einem breiten Gürtel, von dem über ein Dutzend Werkzeuge, Instrumente und Waffen baumelten.

Carmody erkannte diese Erscheinung auf Anhieb als einen Erdenmenschen; kein anderes Wesen würde sich so anziehen.

Etwas hinter der Gestalt zu ihrer Rechten stand eine schlankere, ähnlich gekleidete Figur. Carmody sah auf Anhieb, das dies eine Erdenfrau war, und zwar ein sehr attraktives Modell.

»Großer Gott!« sagte Carmody. »Wie, um alles in der Welt, kommt ihr denn hierher, Leute?«

»Nicht so laut«, erwiderte der Erdenmann. »Ich danke Gott, daß wir gerade noch rechtzeitig gekommen sind. Aber ieh fürchte, daß der wirklich gefährliche Teil des Unternehmens jetzt erst anfängt.«

»Haben wir überhaupt eine Chance, Vater?« fragte das Mädchen.

»Es gibt immer eine Chance«, sagte der Mann mit einem grimmigen Lächeln. »Aber ich würde auf unsere kein Geld verwetten. Trotzdem, Kopf hoch. Vielleicht kann Dr. Maddox die Lösung finden.«

»In solchen Lagen ist er wirklich großartig, nicht wahr, Vater?« sagte das Mädchen.

»Das ist er, Mary«, antwortete der Mann mit beruhigendem Tonfall. »Doc Maddox ist der beste, den wir je hatten. Aber er -wir alle - könnten bei diesem Unternehmen an unsere Grenzen gestoßen sein.«