»Ich mag keine Zigarren.« Er steckte sich eine neue Zigarette an.
»Das ist deine dritte Zigarette in fünf Minuten«, erklärte Schönwetter.
»Verflucht noch mal! Ich rauche so viel und so oft, wie es mir Spaß macht!« rief Carmody.
»Schon gut, natürlich kannst du das!« erwiderte Schönwetter. »Ich wollte dir ja nur zu deinem eigenen Besten ein paar kleine Hinweise geben. Soll ich einfach immer nur stumm zusehen, wenn du dich selbst ruinierst? Würdest du mich mögen, wenn ich überhaupt kein Interesse an deinem Wohlergehen hätte? Soll ich gleichgültig dir gegenüber sein?«
»Ja!« sagte Carmody.
»Ich kann nicht glauben, daß du so etwas ernst meinst. Es geht hier um eine ethische Frage. Ein Mensch kann gegen sein eigenes Wohl handeln, aber einer Maschine ist eine solche Perversion des Denkens nicht gestattet.«
»Rutsch mir den Buckel runter«, sagte Carmody erschöpft. »Ich kann dieses ewige Herumgeschubse nicht aushallen.«
»Herumgeschubse? Lieber Tom, habe ich dich denn zu irgend etwas gezwungen? Lese ich dir nicht die Wünsche von den Augen ab? Alles, was ich tue, ist doch, dir hin und wieder einen Rat geben.«
»Nicht hin und wieder. Zu oft. Du redest zu viel.«
»Vielleicht rede ich wirklich zuviel«, meinte Schönwetter kleinlaut. »Wenn man es so an deiner Reaktion mißt.«
»Du redest zuviel«, wiederholte Carmody und zündete sich die nächste Zigarette an.
»Das ist deine vierte Zigarette in fünf Minuten.«
Carmody riß den Mund auf, um loszubrüllen, aber dann überlegte er es sich anders und ging weiter.
»Was ist das?« fragte Carmody.
»Ein Automat, wo du dir Süßigkeiten ziehen kannst«, erklärte Schönwetter ihm.
»Sieht gar nicht so aus, das Ding.«
»Aber es ist einer. Das Design ist eine Abwandlung eines Saarinomen-Designs für ein Großsilo. Ich habe es natürlich miniaturisiert, und es -«
»Es sieht trotzdem nicht wie ein Süßigkeiten-Automat aus. Wie funktioniert es?«
»Es geht ganz einfach. Du drückst einfach auf den roten Knopf. So, Moment! Jetzt stellst du den Hebel in Reihe A nach vorn, ja. Und dann drückst du fest auf den grünen Knopf daneben. Da ist es!«
Ein Bounty fiel Carmody in die Hand.
»Prima!« sagte Carmody, wickelte den Riegel aus und biß hinein. »Ist das ein richtiges Bounty oder eine Kopie?«
»Es ist ein echtes. Ich mußte mir eine Lizenz besorgen, aber es ist das Originalrezept.«
»So, so«, meinte Carmody und warf das Bounty-Papier weg.
»Das«, erklärte Schönwetter, »ist ein Beispiel für die Art von Gedankenlosigkeit, die mir am meisten zu schaffen macht.«
»Es ist doch nur ein Stück Papier«, sagte Carmody, drehte sich um und blickte nachdenklich auf das kleine Papierknäuel, das sehr allein inmitten der makellosen Straße lag.
»Natürlich ist es nur ein Stück Papier«, sagte Schönwetter. »Aber multipliziere es mit Hunderttausend und was hast du dann?«
»Hunderttausend Stückchen Papier«, antwortete Carmody sofort.
»Ich finde das nicht komisch«, wies ihn Schönwetter zurecht. »Du hättest keinen Spaß daran, wenn du in der Mitte von diesem ganzen Müll leben müßtest, da bin ich sicher. Du wärst der erste, der sich beklagen würde, wenn die Straßen voller Dreck lägen. Aber trägst du dein Teil bei? Räumst du irgendwo hinter dir auf? Hast du schon einmal einen einzigen Tisch abgeräumt? Natürlich nicht! Das überläßt du mir. Du denkst, ich werde schon für alles sorgen, und das muß ich auch, Tag und Nacht, sogar Sonntags.«
»Hör auf damit«, rief Carmody. »Ich hebe es wieder auf!«
Er bückte sich, um nach dem Papier zu greifen. Aber gerade als seine Finger es berührten, zuckte ein Piekser aus dem nächsten Gully, piekste das Papier auf und verschwand sofort wieder.
»Es ist in Ordnung«, sagte Schönwetter. »Ich bin dran gewöhnt, hinter den Leuten aufzuräumen. Das mache ich ja die ganze Zeit.«
»Puh!« stöhnte Carmody.
»Und ich erwarte auch keine Dankbarkeit dafür.«
»Ich bin dankbar, ich bin dankbar«, rief Carmody.
»Nein, das bist du nicht«, sagte Schönwetter.
»Na, dann bin ich es eben nicht. Was willst du denn von mir hören, verdammt noch mal?«
»Ich will überhaupt nichts von dir hören«, erklärte Schönwetter. »Vergessen wir die ganze Sache.«
»Bist du gut versorgt?« fragte Schönwetter nach dem Dinner.
»Völlig ausreichend«, versicherte Carmody.
»Du hast wenig gegessen.«
»Ich habe soviel gegessen, wie ich gemocht habe. Es war alles ganz vorzüglich.«
»Wenn es so vorzüglich war, warum ißt du dann nicht noch etwas?«
»Weil ich satt bin! Ich hatte ein sehr umfangreiches Menü zum Mittagessen!«
»Wenn du dir nicht mit diesem Bounty den Appetit verdorben hättest . . .«
»Gottverdammt! Das Scheiß-Bounty hat mir nicht den Appetit verdorben! Ich habe einfach -«
»Du zündest dir eine Zigarette an«, stellte Schönwetter fest.
»Jaaaa«, sagte Carmody.
»Hättest du nicht wenigstens damit noch ein bißchen warten können?«
»Also, nun hör mal zu«, setzte Carmody an. »Warum, zum Teufel -«
»Wir haben nämlich etwas Wichtiges zu besprechen«, sagte Schönwetter schnell. »Hast du dir schon einmal überlegt, womit du dir hier dein Geld verdienen willst?«
»Ich hatte eigentlich noch keine rechte Zeit, mir darüber Gedanken zu machen«, gestand Carmody.
»Nun, ich hatte Zeit dafür. Ich fände es nett, wenn du Arzt werden könntest.«
»Ich? Da müßte ich erst mal Medizin studieren und eine Assistenz an einem Krankenhaus machen und so weiter.« »Ich könnte, das alles arrangieren«, sagte Schönwetter.
»Kein Interesse.«
»Ja . . . wie wäre es denn mit der Juristerei?«
»Nie!«
»Das Ingenieurwesen ist eine faszinierende Sache.«
»Für mich nicht.«
»Was ist mit der Verwaltung?«
»Dich verwalten, nie im Leben!«
»Was willst du denn dann werden?«
»Jet-Pilot«, verkündete Carmody ganz impulsiv.
»Ach, komm, hör doch auf.«
»Nein, ich meine das ganz ernst.«
»Ich habe nicht mal einen Flughafen in der Nähe.«
»Dann muß ich eben woanders landen.«
»Du sagst das doch nur, um mich zu verletzen.«
»Nein«, beharrte Carmody. »Ich möchte wirklich Pilot werden. Ich wollte immer schon Pilot werden! Ganz ehrlich!«
Danach folgte ein langes Schweigen. Dann sagte Schönwetter: »Die Wahl liegt völlig bei dir.« Und die Stimme klang wie der Tod.
»Wo gehst du hin?«
»Noch einen kleinen Spaziergang machen«, erklärte Carmody.
»Um halb zehn am Abend?«
»Sicher. Warum nicht?«
»Ich dachte, du wärst müde.«
»Das ist schon einige Zeit her.«
»Ich verstehe. Ich dachte bloß, daß du dich vielleicht hier hinsetzen könntest, und daß wir ein nettes kleines Gespräch haben könnten vor dem Einschlafen.«
»Wie war es, wenn wir uns unterhalten, nachdem ich zurück bin?« schlug Carmody vor.
»Nein, es ist nicht so wichtig.«
»Der Spaziergang ist nicht so wichtig«, sagte Carmody und setzte sich wieder hin. »Komm, unterhalten wir uns ein bißchen.«
»Ich möchte mich nicht mehr unterhalten«, erklärte Schönwetter. »Geh du bitte nur spazieren.«
»Dann, gute Nacht«, sagte Carmody.
»Wie bitte?«
»Ich sagte, >gute Nacht<.«
»Du gehst schlafen?«
»Ja, sicher. Es ist schon spät, und ich bin müde.«
»So, wie du jetzt bist, willst du schlafen gehen?«
»Warum nicht?«
»Das kannst du natürlich«, sagte Schönwetter, »aber du hast vergessen, dich zu waschen.«
»Oh ... ja, das hab ich wohl vergessen. Ich wasch mich morgen.«