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«Ist es doch nicht angenehm, ein Mordopfer auf dem eigenen Anwesen zu finden. Da kann ich Ihnen nur zustimmen. Ich würde mich jetzt gern kurz mit den verschiedenen Familienmitgliedern unterhalten –»

«Ich verstehe nicht, was –»

«Was die mir sagen können? Vermutlich nichts von Belang – aber man kann nie wissen. Ich möchte behaupten, die beste Auskunft bekäme ich von Ihnen, Sir. Auskunft über das Haus und die Familie.»

«Und inwiefern soll das auch nur im Geringsten mit einer unbekannten jungen Frau zu tun haben, die aus dem Ausland hergekommen und hier umgebracht worden ist?»

«Nun, das ist genau der springende Punkt», sagte Craddock. «Warum ist sie hergekommen? Hatte sie eine Verbindung zu dem Haus? Hat sie zum Beispiel mal als Bedienstete hier gearbeitet? Meinetwegen als Zofe? Oder ist sie hergekommen, um sich hier mit einem früheren Bewohner von Rutherford Hall zu treffen?»

Mr. Wimborne sagte eisig, Rutherford Hall sei von der Familie Crackenthorpe bewohnt worden, seit Josiah Crackenthorpe den Landsitz 1884 erbaut habe.

«Ach, das ist ja interessant», sagte Craddock. «Könnten Sie mir wohl einen kurzen Abriss der Familiengeschichte – »

Mr. Wimborne zuckte die Schultern.

«Da gibt es nicht viel zu erzählen. Josiah Crackenthorpe hat Pralinen und Salzgebäck hergestellt, Saucen, Pickles usw. Er hat ein riesiges Vermögen gemacht. Und er hat diesen Landsitz gebaut. Heute wohnt hier Luther Crackenthorpe, sein ältester Sohn.»

«Gab es weitere Söhne?»

«Einen, Henry, der ist 1911 bei einem Autounfall ums Leben gekommen.»

«Und der gegenwärtige Mr. Crackenthorpe hat nie daran gedacht, das Haus zu verkaufen?»

«Das kann er nicht», sagte der Anwalt trocken. «Durch das Testament seines Vaters sind ihm die Hände gebunden.»

«Würden Sie mir wohl von diesem Testament erzählen?»

«Warum sollte ich?»

Inspector Craddock lächelte.

«Ich kann es mir in Somerset House auch selbst anschauen, wenn’s sein muss.»

Mr. Wimborne lächelte widerstrebend und griesgrämig.

«Das stimmt, Inspector. Ich protestiere lediglich, da die von Ihnen erbetene Information nichts zur Sache tut. Was Josiah Crackenthorpes Testament angeht, gibt es kein Geheimnis. Er hat sein beträchtliches Vermögen einer Treuhandgesellschaft überschrieben. Die Zinsen sind lebenslänglich an seinen Sohn Luther auszuzahlen, und nach Luthers Tod wird das Kapital zu gleichen Teilen unter Luthers Kindern Edmund, Cedric, Harold, Alfred, Emma und Edith aufgeteilt. Edmund ist im Krieg gefallen, und Edith ist vor vier Jahren gestorben, so dass das Geld nach Luther Crackenthorpes Ableben unter Cedric, Harold, Alfred, Emma und Ediths Sohn Alexander aufgeteilt wird.»

«Und das Haus?»

«Das Haus geht an Luther Crackenthorpes ältesten Sohn oder seine Nachkommen.»

«War Edmund Crackenthorpe verheiratet?»

«Nein.»

«Die Immobilie geht also –?»

«An den nächsten Sohn – Cedric.»

«Mr. Luther Crackenthorpe selbst kann sie nicht veräußern?»

«Nein.»

«Und er kann auch nicht über das Kapital verfügen?»

«Nein.»

«Ist das nicht ziemlich ungewöhnlich? Ich habe den Eindruck, dass sein Vater ihn nicht besonders mochte», sagte Inspector Craddock listig.

«Ihr Eindruck trügt nicht», sagte Mr. Wimborne. «Der alte Josiah war schwer enttäuscht, dass sein ältester Sohn kein Interesse für den Familienbetrieb – oder auch für irgendwelche anderen Betriebe – an den Tag legte. Luther verbrachte seine Zeit im Ausland und sammelte Kunstschätze. Der alte Josiah stand solchen Dingen ablehnend gegenüber. Daher ließ er sein Geld von Treuhändern für die übernächste Generation verwalten.»

«Aber bis dahin kommt diese übernächste Generation nicht in den Genuss der Zinsen, sondern muss selber für ihren Lebensunterhalt sorgen oder hoffen, dass ihr Vater ihnen gelegentlich etwas zukommen lässt, und ihr Vater wiederum empfängt beträchtliche Zinsen, hat aber keine Verfügungsbefugnis über das Kapital.»

«Genau. Und was das alles mit der Ermordung einer unbekannten jungen Ausländerin zu tun haben soll, will mir nicht in den Kopf!»

«Auf den ersten Blick hat es überhaupt nichts damit zu tun», bestätigte Inspector Craddock, «nur möchte ich zunächst einmal sämtliche Tatsachen festhalten.»

Mr. Wimborne sah ihn durchdringend an, dann erhob er sich, offenbar zufrieden mit dem Ergebnis seiner Musterung.

«Ich gedenke jetzt nach London zurückzukehren», sagte er. «Es sei denn, Sie hätten noch weitere Fragen an mich.»

Er sah zwischen den beiden Männern hin und her.

«Nein, vielen Dank, Sir.»

Draußen in der Halle ertönte fortissimo der Gong.

«Ach du liebe Zeit», sagte Mr. Wimborne. «Das muss einer der Jungen sein.»

Inspector Craddock erhob die Stimme, um sich trotz des Lärms Gehör zu verschaffen:

«Wir sollten die Familie in Ruhe zu Mittag essen lassen, aber Inspector Bacon und ich würden gern – sagen wir gegen 14.15 zurückkehren und uns nacheinander kurz mit allen Familienmitgliedern unterhalten.»

«Ist das wirklich unumgänglich?»

«Na ja…» Craddock zuckte die Achseln. «Manchmal kommt etwas dabei heraus. Vielleicht erinnert sich irgendjemand an irgendetwas, das uns Anhaltspunkte für die Identifizierung der Frau verschafft.»

«Ich wage es zu bezweifeln, Inspector, sehr sogar. Aber ich wünsche Ihnen Glück. Wie gesagt, je eher diese unangenehme Angelegenheit aufgeklärt wird, desto besser für alle Beteiligten.»

Er schüttelte den Kopf und verließ gemächlich das Zimmer.

II

Lucy war nach der gerichtlichen Untersuchung direkt in die Küche zurückgegangen und hatte mit der Vorbereitung des Mittagessens alle Hände voll zu tun, als Bryan Eastley den Kopf zur Tür hereinstreckte.

«Kann ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein?», fragte er. «Ich eigne mich als Mädchen für alles.»

Lucy warf ihm einen kurzen, leicht zerstreuten Blick zu. Bryan war in seinem kleinen Morris-Sportwagen direkt zur gerichtlichen Untersuchung gekommen, und sie konnte ihn noch nicht recht einschätzen.

Er machte einen sympathischen Eindruck. Ein liebenswürdiger junger Mann Anfang dreißig mit braunen Haaren, eher schwermütigen blauen Augen und einem buschigen blonden Schnurrbart.

«Die Jungen sind noch nicht zurück», sagte er, kam herein und setzte sich auf das Ende des Küchentischs. «Mit den Rädern dürften sie noch zwanzig Minuten brauchen.»

Lucy lächelte.

«Sie waren ja ganz versessen darauf, bloß nichts zu verpassen.»

«Kein Wunder. Ich meine – die erste gerichtliche Untersuchung in ihrem jungen Leben und dann gewissermaßen direkt vor der Haustür.»

«Würde es Ihnen etwas ausmachen, vom Tisch aufzustehen, Mr. Eastley. Ich brauche Platz für die Backform.»

Bryan gehorchte.

«Ach du liebes bisschen, das Fett ist ja phänomenal heiß. Was tun Sie denn da rein?»

«Yorkshire Pudding.»

«Ein Hoch auf Yorkshire. Steht heute das gute alte englische Roastbeef auf der Speisekarte?»

«Ja.»

«Also ein Braten zum Leichenschmaus. Riecht gut.» Er schnupperte anerkennend. «Stört es Sie, wenn ich drauflos fasele?»

«Wenn Sie zum Helfen gekommen sind, wäre es mir lieber, Sie würden mir helfen.» Sie zog das nächste Backblech aus dem Ofen. «Hier – drehen Sie die Kartoffeln um, damit sie auch auf der anderen Seite braun werden…»

Bryan befolgte die Anweisungen ohne zu zögern.