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Inspector Craddock erging sich in all den begütigenden Plattitüden, die ihm Mr. Wimborne gewogen machen mussten.

«Ich hatte nicht die geringste Ahnung, dass eine Heirat Edmunds je zur Debatte stand», sagte Mr. Wimborne gekränkt.

Inspector Craddock sagte, er nehme an… in Kriegszeiten… dann verlor sich seine Stimme ins Ungefähre.

«Kriegszeiten!», giftete Mr. Wimborne. «Wahrhaftig, wir befanden uns bei Kriegsausbruch in Lincoln’s Inn Fields, das Nachbarhaus bekam einen direkten Treffer ab, und Unmengen unserer Schriftstücke wurden zerstört. Die wichtigsten Urkunden natürlich nicht; die waren aus Sicherheitsgründen rechtzeitig aufs Land gebracht worden. Aber es stiftete doch große Verwirrung. Gewiss, die Angelegenheiten der Familie Crackenthorpe lagen damals noch in den Händen meines Vaters. Er ist vor sechs Jahren verstorben. Ich könnte mir denken, dass er über Edmunds angebliche Heirat unterrichtet war, aber allem Anschein nach ist diese Heirat geplant, aber nie vollzogen worden, und deswegen maß mein Vater der Geschichte wohl auch keine weitere Bedeutung bei. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass an der Geschichte etwas faul ist. Da meldet sich jemand nach all den Jahren und beruft sich auf eine Heirat und einen ehelichen Sohn. Wirklich sehr faul. Ich wüsste gern, ob sie das beweisen kann.»

«Nur nebenbei gefragt», sagte Craddock, «in welcher Lage befände sie – beziehungsweise ihr Sohn – sich denn?»

«Ich nehme an, sie wollte erreichen, dass die Crackenthorpes für ihren Unterhalt und den ihres Sohnes aufkommen.»

«Gewiss, aber ich meinte, worauf hätten sie und ihr Sohn juristisch denn Anspruch – falls sie ihre Behauptung untermauern könnte?»

«Ah, verstehe.» Mr. Wimborne setzte die zuvor irritiert abgenommene Brille wieder auf und starrte Inspector Craddock mit listiger Konzentration an. «Also, im Moment auf gar nichts. Aber wenn sie beweisen könnte, dass der Junge der ehelich empfangene Sohn von Edmund Crackenthorpe ist, dann hätte der Junge nach dem Tod von Luther Crackenthorpe Anspruch auf seinen Anteil am Treuhandvermögen von Josiah Crackenthorpe. Darüber hinaus würde er als erster Sohn des ältesten Sohns Rutherford Hall erben.»

«Ist das Haus ein wünschenswertes Erbe?»

«Um dort zu wohnen? Nein, wenn Sie mich fragen. Aber das Grundstück ist von beträchtlichem Wert, mein lieber Inspector. Ganz beträchtlich. Man könnte es industriell nutzen, aber auch Wohnungen draufstellen. Das Land liegt heute im Herzen von Brackhampton. O ja, das wäre ein äußerst wünschenswertes Erbe.»

«Ich glaube, Sie hatten gesagt, Cedric werde es erben, wenn Luther Crackenthorpe stirbt.»

«Richtig, als ältester lebender Sohn erbt er den Grundbesitz.»

«Man hat mir den Eindruck vermittelt, dass sich Cedric Crackenthorpe nicht besonders für Geld interessiert.»

Mr. Wimborne warf Craddock einen kalten Blick zu.

«So? Ich neige dazu, solche Aussagen cum grano salis zu verstehen. Es gibt sicher weltfremde Menschen, denen Geld gleichgültig ist. Ich bin aber noch nie einem von ihnen begegnet.»

Mr. Wimborne zog offenbar eine gewisse Genugtuung aus dieser Bemerkung.

Inspector Craddock machte sich diesen Lichtblick eilends zunutze.

«Harold und Alfred Crackenthorpe scheinen seit diesem Brief in hellem Aufruhr zu sein», warf er ein.

«Und?», fragte Mr. Wimborne. «Wundert Sie das?»

«Es würde ihren Anteil am Erbe schmälern, nicht wahr?»

«Aber natürlich. Edmund Crackenthorpes Sohn – immer vorausgesetzt, es gibt diesen Sohn – hätte Anspruch auf ein Fünftel des treuhänderisch verwalteten Vermögens.»

«Das hört sich noch nicht nach einem schwerwiegenden Verlust an.»

Mr. Wimborne warf ihm einen pfiffigen Blick zu.

«Es ist ein völlig unzureichendes Mordmotiv, falls Sie darauf hinauswollen.»

«Aber soweit ich verstanden habe, sind beide knapp bei Kasse», murmelte Craddock.

Er hielt Mr. Wimbornes prüfendem Blick gelassen stand.

«Ah! Die Polizei hat bereits Untersuchungen angestellt? Stimmt, Alfred sitzt praktisch ununterbrochen auf dem Trockenen. Ab und an schwimmt er kurze Zeit im Geld – aber das hält nie lange vor. Harold befindet sich momentan in einer etwas prekären Situation, wie Sie richtig erkannt haben.»

«Trotz seiner scheinbaren Prosperität?»

«Fassade! Alles Fassade! Die Hälfte dieser Finanzmagnaten weiß gar nicht, ob sie zahlungsfähig sind oder nicht. Bilanzen lassen sich für das Laienauge retuschieren. Aber wenn die aufgeführten Aktiva keine echten Aktiva sind, sondern immer kurz vor dem Bankrott stehen – was hat man dann noch?»

«Akuten Geldmangel wie Harold Crackenthorpe, nehme ich an.»

«Den er durch Erdrosseln der Witwe seines verstorbenen Bruders auch nicht behoben hätte», sagte Mr. Wimborne. «Und niemand hat Luther Crackenthorpe ermordet, dabei hätte nur dieser Mord der Familie genützt. Ich verstehe daher nicht, wo all Ihre Ideen Sie hinführen, Inspector.»

Das Schlimmste war, dass er selber es auch nicht wusste, dachte Inspector Craddock.

Fünfzehntes Kapitel

I

Inspector Craddock hatte einen Termin mit Harald Crackenthorpe in dessen Büro abgemacht und war mit Sergeant Wetherall pünktlich zur Stelle. Das Büro lag im vierten Stock eines großen Büroblocks in der City. Seine Inneneinrichtung zeugte von Prosperität und modernem Geschäftsgeschmack reinsten Wassers.

Eine hübsche junge Frau notierte sich Craddocks Namen, murmelte diskret einige Worte in eine Gegensprechanlage, erhob sich dann und führte die beiden in Harald Crackenthorpes Privatbüro.

Harald thronte hinter einem großen lederbespannten Schreibtisch und wirkte so korrekt und selbstbewusst wie immer. Wenn er, wie Inspector Craddocks Vorwissen ihn vermuten ließ, in finanzieller Bedrängnis war, so ließ er sich das nicht anmerken.

Er sah hoch und hieß sie mit unverhohlener Neugier willkommen.

«Guten Morgen, Inspector Craddock. Ich hoffe, Ihr Besuch bedeutet, dass Sie endlich definitive Nachrichten für uns haben.»

«Es tut mir Leid, Mr. Crackenthorpe, aber das leider nicht. Ich würde Ihnen nur gern noch ein paar Fragen stellen.»

«Noch mehr Fragen? Inzwischen müssen wir doch alle denkbaren Fragen beantwortet haben.»

«Ich kann verstehen, dass es Ihnen so vorkommt, Mr. Crackenthorpe, aber es gehört nun einmal zu unserem regulären Ermittlungsverfahren.»

«Und worum geht es diesmal?», fragte Harold Crackenthorpe ungeduldig.

«Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir genau sagen könnten, was Sie am Nachmittag und Abend des 20. Dezember getan haben – sagen wir zwischen 15 Uhr und Mitternacht.»

Harold Crackenthorpe lief vor Ärger dunkelrot an.

«Das scheint mir ein ziemlich taktloses Ansinnen zu sein. Darf ich fragen, was Sie damit bezwecken?»

Craddock lächelte höflich.

«Ich bezwecke damit nicht mehr und nicht weniger, als zu erfahren, wo Sie am Freitag, dem 20. Dezember, zwischen 15 Uhr und Mitternacht waren.»

«Warum?»

«Wir könnten dann einiges ausklammern.»

«Ausklammern? Sie haben also neue Informationen.»

«Wir hoffen, der Sache näher zu kommen, Sir.»

«Ich bin mir keineswegs sicher, ob ich Ihre Frage beantworten sollte. Zumindest nicht ohne Hinzuziehung meines Anwalts.»

«Das liegt natürlich ganz bei Ihnen», sagte Craddock. «Sie sind nicht verpflichtet, uns Rede und Antwort zu stehen, und es ist Ihr gutes Recht, zunächst einen Anwalt zu konsultieren.»