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«Wegen ihrer Jagd, wissen Sie – der Suche nach Beweisen. Jungen lieben so etwas – aber es könnte sehr gefährlich werden.»

Craddock sah sie nachdenklich an.

«Miss Marple, Sie glauben also nicht, dass es sich bei diesem Fall um eine Unbekannte handelt, die von einem Unbekannten ermordet worden ist, stimmt’s? Für Sie ist es ausgemachte Sache, dass der Mord mit Rutherford Hall zu tun hat.»

«Ja, ich sehe da eindeutige Zusammenhänge.»

«Wir wissen vom Mörder nur, dass er ein groß gewachsener dunkler Mann ist. Das hat Ihre Freundin ausgesagt, und mehr konnte sie nicht sagen. Es gibt in Rutherford Hall drei groß gewachsene dunkle Männer. Am Tag der gerichtlichen Untersuchung war ich hier und habe die drei Brüder gesehen, die am Bordstein standen und auf den Wagen warteten. Sie kehrten mir die Rücken zu, und es war verblüffend, wie sie in ihren dicken Mänteln alle gleich aussahen. Drei groß gewachsene dunkle Männer. Und dabei sind sie in Wirklichkeit ganz verschiedene Typen.» Er seufzte. «Das macht es ganz schön kompliziert.»

«Ich frage mich», murmelte Miss Marple, «ich frage mich schon die ganze Zeit, ob die Lösung nicht weit einfacher ist, als wir annehmen. Mordfälle haben oft eine ganz einfache Lösung, mit einem offen zutage liegenden niederträchtigen Motiv…»

«Glauben Sie an die geheimnisvolle Martine, Miss Marple?»

«Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass Edmund Crackenthorpe ein Mädchen namens Martine geheiratet hat oder heiraten wollte. Emma Crackenthorpe hat Ihnen meines Wissens seinen Brief gezeigt, und nach meinem eigenen Eindruck und Lucys Beschreibung halte ich Emma Crackenthorpe für außerstande, so etwas zu fälschen – warum sollte sie auch?»

«Wenn wir also von der Existenz einer Martine ausgehen», sagte Craddock nachdenklich, «dann haben wir ein Motiv. Martines Wiederauftauchen mit einem Sohn würde die Anteile am Crackenthorpeschen Erbe verkleinern – wenn auch meiner Meinung nach nicht so weit, dass es einen Mord rechtfertigen könnte. Alle Beteiligten sind ziemlich finanzschwach –»

«Auch Harold?», fragte Lucy ungläubig.

«Auch der allem Anschein nach so wohlhabende Harold Crackenthorpe ist nicht der nüchterne und konservative Finanzier, für den man ihn auf den ersten Blick hält. Er hat sich schwer verspekuliert und in einige unerfreulich verlaufene Transaktionen gestürzt. Eine große Geldsumme in naher Zukunft würde seinen Bankrott abwenden.»

«Aber wenn das –», setzte Lucy an und stockte.

«Ja, Miss Eyelesbarrow –»

«Ich verstehe, Liebes», sagte Miss Marple. «Sie meinen, dann wurde die Falsche ermordet.»

«Genau. Martines Tod nützt Harold nichts – er nützt niemandem etwas. Nur –»

«Nur wenn Luther Crackenthorpe stirbt. Genau. Das fiel mir auch auf. Und Mr. Crackenthorpe senior ist laut Auskunft des Hausarztes ein weit zäherer Bursche, als es für Außenseiter den Anschein hat.»

«Der macht es noch jahrelang», sagte Lucy. Dann runzelte sie die Stirn.

«Ja?», ermunterte Craddock sie.

«Er war Weihnachten ziemlich krank», sagte Lucy. «Er hat gesagt, der Arzt hätte ein Affentheater gemacht – ‹Man hätte glauben können, ich wäre vergiftet worden, so ein Affentheater hat er gemacht.› Das waren seine Worte.»

Sie sah Craddock fragend an.

«Genau», sagte Craddock. «Danach wollte ich mich bei Dr. Quimper auch erkundigen.»

«Also, ich muss los», sagte Lucy. «Himmel, ist das spät.»

Miss Marple legte ihr Strickzeug weg und griff nach einem halb ausgefüllten Kreuzworträtsel der Times.

«Wenn ich bloß ein Wörterbuch hätte», murmelte sie. «Tontine und Tonika – die beiden verwechsle ich immer. Ich glaube, das eine hat mit Tonleitern zu tun.»

«Das ist die Tonika», sagte Lucy und drehte sich an der Tür noch einmal um. «Aber das eine Wort hat sechs Buchstaben und das andere sieben. Wie lautet denn die Frage?»

«Ach, mit dem Kreuzworträtsel hat das nichts zu tun», sagte Miss Marple vage. «Es ging mir nur so durch den Kopf.»

Inspector Craddock musterte sie prüfend. Dann verabschiedete er sich und ging.

Siebzehntes Kapitel

I

Craddock musste einige Minuten warten, bis Quimper seine Abendsprechstunde beendet hatte und zu ihm kam. Der Arzt sah müde und deprimiert aus.

Er bot Craddock einen Drink an, und als der Inspector annahm, schenkte er sich ebenfalls einen ein.

«Die armen Teufel», sagte er und ließ sich in einen abgenutzten Sessel sinken. «So verängstigt und so dumm – einfach unvernünftig. Hatte gerade so einen traurigen Fall. Eine Frau, die vor einem Jahr zu mir hätte kommen müssen. Damals hätte man sie erfolgreich operieren können. Jetzt ist es zu spät. So was macht mich wahnsinnig. Die meisten Menschen sind eine merkwürdige Mischung aus Heldentum und Feigheit. Diese Frau hat entsetzliche Qualen gelitten und ohne ein Wort der Klage ertragen, weil sie zu viel Angst davor hatte, ihre Befürchtungen könnten sich als wahr erweisen. Am anderen Ende der Skala stehen die wehleidigen Leute, die herkommen und mir die Zeit stehlen, weil sie eine gefährliche Schwellung am kleinen Finger haben. Sie halten sie mindestens für Krebs, und meistens stellt sie sich als normale Blase oder allenfalls Frostbeule heraus. Ach, beachten Sie mich gar nicht. Ich muss einfach ab und zu Dampf ablassen. Weswegen wollten Sie mich denn sprechen?»

«Als Erstes möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie Miss Crackenthorpe geraten haben, sich mit dem Brief der vorgeblichen Witwe ihres Bruders an mich zu wenden.»

«Ach das. Konnten Sie was damit anfangen? Ich habe ihr nicht direkt geraten, sich an Sie zu wenden. Sie wollte. Sie machte sich Sorgen. Ihre lieben Brüderlein wollten sie natürlich davon abhalten.»

«Warum?»

Der Arzt zuckte die Achseln.

«Hatten Angst, die Dame könnte sich als echt erweisen, schätze ich.»

«Halten Sie den Brief für echt?»

«Da bin ich überfragt. Habe ihn nie zu sehen bekommen. Ich würde vermuten, da kannte eine Frau die Tatsachen und wollte einfach absahnen. Hoffte, bei Emma auf die Tränendrüsen drücken zu können. Womit sie schief gewickelt war. Emma ist nicht dumm. Sie hätte eine unbekannte Schwägerin nicht ans Herz gezogen, ohne ihr erst auf den Zahn zu fühlen.»

Neugierig fügte er hinzu:

«Warum wollen Sie denn wissen, was ich davon halte? Ich habe mit der Familie doch gar nichts zu tun.»

«Ich wollte Sie eigentlich auch etwas ganz anderes fragen – aber ich weiß nicht, wie ich es sagen soll.»

Dr. Quimper sah ihn erwartungsvoll an.

«Dem Vernehmen nach ist Mr. Crackenthorpe unlängst – zu Weihnachten, wenn ich recht informiert bin – ziemlich schwer erkrankt.»

Er sah, wie sich die Miene des Arztes verzog und verhärtete.

«Ja.»

«Eine Art Magenverstimmung, richtig?»

«Ja.»

«Das ist einigermaßen knifflig… Mr. Crackenthorpe pflegt mit seiner Gesundheit zu prahlen und beabsichtigt, einen Großteil seiner Familie zu überleben. Er meinte, Sie – bitte entschuldigen Sie, Doktor…»

«Oh, keine Angst. Ich bin nicht zimperlich bei dem, was meine Patienten über mich sagen!»

«Er meinte, Sie hätten ein Affentheater veranstaltet.» Quimper lächelte. «Er sagt, Sie hätten ihm alle möglichen Fragen gestellt, nicht nur, was er gegessen hätte, sondern auch, wer das Essen gekocht und serviert hätte.»

Dem Arzt war das Lächeln vergangen. Seine Züge hatten sich wieder verhärtet.