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Vor langer Zeit lebte im Koishi-Kawa-Quartier von Yedo ein Hatamoto namens Suzuki, dessen Yashiki an der Sandbank des Yedogawa lag, nicht weit von der Brücke, die Nakano-hashi heißt.

Unter den Soldaten dieses Suzuki befand sich auch ein Ashigaru – ein Gefreiter –, ein gewisser Chugoro.

Chugoro war ein hübscher Bursche, sehr liebenswürdig und anstellig und ungemein beliebt bei seinen Kameraden.

Viele Jahre hindurch blieb Chugoro in den Diensten des Suzuki und führte sich so gut auf, daß kein Tadel an ihm haftete.

Endlich entdeckten die anderen Ashigarus, daß Chugoro die Gewohnheit angenommen hatte, die Yashiki allnächtlich zu verlassen, und zwar auf dem Wege durch den Garten, um erst knapp vor Tagesgrauen zurückzukehren.

Anfangs schwiegen sie dazu, da sich solches seltsame Unterfangen nicht mit den vorgeschriebenen Pflichten vertrug, und nahmen an, irgendein Liebesabenteuer stecke dahinter.

Nach einiger Zeit jedoch fing Chugoro an, blaß und kränklich auszusehen, und da seine Kameraden eine ernstliche Torheit befürchteten, beschlossen sie, ihn auszufragen und ihm Vorstellungen zu machen.

Dementsprechend nahm ein älterer Ashigaru Chugoro, als er sich eben wieder heimlich fortschleichen wollte, beiseite und sagte:

»Chugoro, mein Junge, wir wissen gar wohl, daß du jede Nacht ausgehst und bis zum frühen Morgen fortbleibst! – Wir haben auch bemerkt, daß du elend aussiehst! Wir fürchten, du bist in schlechte Gesellschaft geraten und untergräbst deine Gesundheit! – Wenn du uns nicht triftige Gründe für dein Benehmen angibst, müssen wir es als Pflicht ansehen, den Vorfall dem Offizier zu melden. – Ob nun so oder so, da wir Kameraden und Freunde sind, ist es auf alle Fälle nur recht und billig, daß wir erfahren, warum du nachts das Haus verläßt, trotzdem das im Widerspruch mit den dienstlichen Vorschriften steht.«

Chugoro geriet bei diesen Worten gänzlich außer Fassung.

Nach kurzem Schweigen ging er seinem Kameraden voran in den Garten, und als sie außer Hörweite waren, blieb Chugoro stehen und sagte:

»Jetzt will ich dir alles erzählen; aber ich muß dich bitten, strengstes Stillschweigen gegenüber jedermann zu bewahren; wenn du weitererzählst, was ich dir jetzt anvertrauen werde, stürzest du mich in unsagbares Unglück!

Es war im Vorfrühling dieses Jahres, etwa vor fünf Monaten, da ging ich das erstemal des Nachts aus, und zwar wegen eines Liebesabenteuers. Eines Abends nämlich, als ich nach einem Besuch bei meinen Eltern zur Yashiki zurückkehrte, sah ich ein Frauenzimmer am Flußufer nicht weit vom Haupttor stehen. Sie war wie eine Person von Rang gekleidet, und ich wunderte mich nicht wenig, daß eine so fein gekleidete Frau allein dort stehen konnte und noch dazu zu so später Stunde. Ich sagte mir aber, daß ich deswegen noch kein Recht hätte, sie anzusprechen, und ich wollte gerade stumm an ihr vorübergehen, als sie einen Schritt vorwärts machte und mich am Ärmel faßte. Dabei sah ich, daß sie sehr jung und schön war. ›Möchtest du nicht mit mir nur bis zur Brücke dort gehen?‹ fragte sie mich. ›Ich habe dir etwas zu sagen!‹

Ihre Stimme war ungemein weich und einschmeichelnd, und dabei lächelte sie, während sie sprach, und ihrem Lächeln war schwer zu widerstehen.

So ging ich denn mit ihr zur Brücke, und auf dem Weg erzählte sie mir, sie hätte mich oft gesehen, wie ich in der Yashiki aus und ein gegangen sei, und sie habe eine Vorliebe für mich gefaßt. – ›Ich wünsche dich zum Gatten zu haben‹, sagte sie. ›Wenn du mich liebhaben kannst, so werden wir einander sehr glücklich machen können.‹

Ich wußte zuerst nicht, was ich ihr darauf antworten sollte; gedacht habe ich mir: Sie ist entzückend!

Als wir uns der Brücke näherten, faßte sie mich wieder am Ärmel und führte mich den Damm hinunter zum Flußufer. ›Komm mit mir hinein‹; flüsterte sie und zog mich zum Wasser hin. – Du weißt, Kamerad, es ist dort sehr tief, und ich bekam auf einmal Angst vor ihr und versuchte umzukehren. Sie aber lächelte nur, faßte mich am Handgelenk und sagte: ›Oh, fürchte dich doch nicht vor mir!‹ Und wie sie mich so hielt, wurde ich hilflos wie ein Kind. Ich kam mir vor wie ein Mensch, der im Traum davonlaufen will, aber plötzlich weder Hand noch Füße regen kann. – Sie stieg in das tiefe Wasser und zog mich mit, und ich sah und hörte und fühlte nichts mehr, bis ich bemerkte, daß ich neben ihr durch Räume schritt, die ein großer Palast, voll von Licht, zu sein schienen. – Ich fühlte weder Nässe noch Kälte, alles rings um mich war trocken, warm und herrlich schön. Ich konnte weder begreifen, wo ich mich befand, noch, wie ich überhaupt hierhergekommen war.

Die Frau führte mich noch immer an der Hand, und wir gingen von einem Saal durch den anderen, durch viele, viele Zimmer; alle waren leer, aber wunderschön – bis wir schließlich in einen Gastraum mit tausend Matten kamen. Vor einem großen Alkoven, am äußersten Ende, brannten Lichter, und Kissen lagen umher wie für ein Fest, aber ich sah keine Gäste.

Sie führte mich sodann auf den Ehrenplatz im Alkoven, setzte sich mir gegenüber und sagte: ›Dies ist mein Heim. Glaubst du, du könntest glücklich mit mir werden?« – Und als sie mich so fragte, lächelte sie dabei, und ich dachte mir, daß ihr Lächeln schöner sei als irgend etwas in der Welt, und aus tiefstem Herzen heraus antwortete ich: ›Ja …‹ Und im selben Augenblick erinnerte ich mich an die Geschichte von Urashima, und der Gedanke kam mir, sie müsse die Tochter eines Gottes sein; aber ich scheute mich, sie zu fragen. Gleich darauf kamen Dienerinnen herein, brachten Reiswein und viele Gerichte und stellten sie vor uns auf.

Dann sagte die Frau zu mir: ›Heute nacht soll unsere Brautnacht sein, weil du mich liebhast, und dies ist unser Hochzeitsfest.‹

Und wir gelobten einander an für die Zeit von sieben Existenzen, und nach dem Bankett geleitete man uns in ein Brautgemach, das für uns bereitet war. – Es war noch sehr früh am Morgen, da weckte sie mich und sagte: ›Geliebter, du bist jetzt wirklich und wahrhaftig mein Gatte, aber aus Gründen, die ich dir nicht sagen kann und nach denen du mich auch nicht fragen darfst, ist es notwendig, daß unsere Ehe ein Geheimnis bleibt. Dich hierzubehalten, bis der Tag angebrochen ist, würde uns beiden das Leben kosten! Deshalb bitte ich dich, sei nicht böse, daß ich dich jetzt zurückschicken muß in das Haus deines Herrn. Du kannst heute nacht wieder zu mir kommen und von da an jede Nacht und immer um dieselbe Stunde, in der wir uns das erstemal begegnet sind. Warte immer an der Brücke auf mich – und du wirst nie lange zu warten brauchen! – Halte aber fest im Gedächtnis, daß vor allen Dingen unsere Ehe geheimgehalten werden muß, denn sprichst du darüber, so werden wir wahrscheinlich für immer getrennt.«

Und ich versprach ihr, gehorsam zu sein in allen Dingen – ich mußte an das Schicksal Urashimas denken –, und sie geleitete mich durch die vielen Zimmer – alle leer und schön – zum Eingang zurück. Dort nahm sie mich wieder beim Handgelenk, und plötzlich wurde alles dunkel vor meinen Augen, und ich wußte nichts mehr von mir, bis ich mich allein am Flußufer stehend fand, dicht neben der Brücke Nakano-hashi. Als ich in die Yashiki zurückging, hatten die Tempelglocken noch nicht zu läuten angefangen. – Abends ging ich wieder zur Brücke – um die bestimmte Stunde –, und sie wartete dort bereits auf mich. – Wieder wie das erstemal zog sie mich in das tiefe Wasser und führte mich an den wundersamen Ort, wo wir unsere Brautnacht gefeiert hatten. – Und jede Nacht seitdem habe ich sie getroffen und bin denselben Weg mit ihr gegangen. – Auch heute nacht wartet sie sicherlich auf mich, und lieber möchte ich sterben, als ihr eine Enttäuschung bereiten, darum muß ich jetzt gehen.

Aber nochmals laß dich bitten, Kamerad, sag niemand auch nur ein Wort von dem, was ich dir anvertraut habe!«