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Und wie sei das mit den sogenannten ›Liebestränken‹ gewesen?

Mrs. Archer hatte impulsiv gelacht und angedeutet, Frauen hätten doch wirksamere Mittel zur Verfügung, um einen Mann an sich zu fesseln.

Was ihre Hobbys betraf, interessierte sie sich neben dem Okkulten vor allem fürs Theater. Obwohl sie eine geborene Russin war, war sie in Frankreich aufgewachsen und hatte ihr Debüt als Schauspielerin in Paris gegeben.

»Meine beste Rolle war die Laura in Strindbergs Der Vater. Wie Sie wissen, war Laura Strindbergs Surrogat für seine erste Frau.« (Surrogat, dachte Bob. Das muß ich nachschlagen.) »Eine faszinierende Rolle, die mit größter Zurückhaltung gespielt werden muß. Eine bis zuletzt beherrschte Frau, die dann in dämonischer Wut die Vernichtung ihres Feindes betreibt.«

Bob mußte zugeben, daß der Teil des Artikels, der sich mit Dagny befaßte, ziemlich gut war. Aber er ärgerte sich über den, der ihn betraf.

Ja, ihr Mann war Astronom am Mount-Elsinore-Observa­to­rium.

Und was er von Astrologie halte.

Mrs. Archer fürchtete, seine Meinung lasse sich in einem angesehenen Blatt wie der Times leider nicht wiedergeben. Er sei jedenfalls ziemlich skeptisch. Zum Glück stand das ziemlich am Schluß des Artikels, wo es kaum jemand lesen würde.

Als Bob ins Büro kam, wurde ihm jedoch sofort klar, daß alle Kollegen den verdammten Artikel gelesen hatten. Niemand sprach ihn geradewegs darauf an, aber Bob merkte, daß die anderen ihm aus dem Weg gingen.

Bob verschwand in seinem Büro, schloß die Tür und machte sich an einige Berechnungen über die Hyaden. Aber obwohl er sich zu konzentrieren versuchte, blieben seine Gedanken nie lange bei Ambrosia, Eudora, Pedile, Coronis, Polyxo, Phyto und Thyene, sondern wanderten zu einer anderen Nymphe, die ihm etwa 135 Lichtjahre näher war und Dagny Archer hieß. Staatshexe! Er mußte verlangen … nein, darauf bestehen, daß sie auf der Stelle von diesem Amt zurücktrat, das seine eigene berufliche Position innerhalb kürzester Zeit schwer gefährden konnte. Bob überlegte sich auf der Nachhausefahrt, was er alles sagen würde.

Aber als er heimkam, saß Dagny am Telefon, führte ein Ferngespräch mit irgendeinem Zauberer oder Werwolf und durfte auf keinen Fall gestört werden. Bob lungerte eine Weile in der Nähe des Telefons herum, aber als sich zeigte, daß die Okkulten ebensolche Verständigungsschwierigkeiten wie gewöhnliche Sterbliche hatten, verschwand er in der Küche, um Trost bei der Flasche zu suchen. Als erstes nahm er einen langen Zug aus der Whiskyflasche, dann mixte er sich einen Drink und zog sich auf die Veranda zurück, um wie ein Gentleman zu trinken. Margarita, die im Sessel gegenüber döste, warf ihm einen gleichgültigen Blick zu und schlief dann weiter.

Nach einiger Zeit gesellte sich Dagny mit ihrem Glas Tomatensaft zu ihm. Sie rauchte nämlich nicht und trank keinen Alkohol; sie verabscheute alles, was ihre Sinneswahrnehmungen irgendwie hätte beeinflussen können.

»Ich finde dieses wiedererwachte Interesse für das Okkulte einfach begeisternd!« schwärmte sie. »Paß auf, es erfaßt noch ganz Amerika. Und was ihr Astronomen manchmal treibt, unterscheidet sich eigentlich gar nicht so sehr von unserem Okkultismus. Wenn ich an Leptonen, Quasare und diese neuen Dinger, die … die schwarzen Löcher denke …«

»Das ist für mich nichts Neues«, murmelte Bob. »Ich hab’ mein Leben lang in irgendeinem großen schwarzen Loch rumgegrapscht.«

Dagny spürte sofort, wie deprimiert er war.

»Ach, Robert, sei doch nicht so unausstehlich! Gut, ich bin die Staatshexe von Kalifornien. Bedeutet das etwa gleich den Weltuntergang? Was ist Wahrheit? Wer will entscheiden, wer von uns beiden recht hat? Schließlich gibt es auf jede Frage mehrere Antworten.«

»Aber nicht für diese!«

»Das ist unfair«, protestierte Dagny.

»Denk doch selbst nach, Liebling!« forderte Bob sie hitzig auf. »Wie kann irgendeine dämliche Ansammlung von Materie wie Uranus, der über drei Milliarden Kilometer von uns entfernt ist, auch nur den geringsten Einfluß auf unser Leben haben?«

Dagny streichelte Margarita.

»Du hast selbst gesagt, die Entdeckung der Radiowellen habe die Astronomie revolutioniert. Kann es nicht noch andere Wellen geben, die uns ebenfalls erreichen? Bisher unbekannte Wellen?«

»Vielleicht«, gab Bob widerwillig zu.

»Ich weiß, daß es welche gibt. Ich spüre sie.«

Bob spürte ebenfalls gewisse Schwingungen in sich, die allerdings nicht kosmischen Ursprunges waren. Er war angetrunken, und er wußte das. Morgen würde er sich scheußlich fühlen. Aber bis dahin war noch lange Zeit.

Er überquerte die Veranda etwas unsicher und zog Dagny an sich. Sie war eben doch ein Engel – oder eine Hexe. Bob wußte es nicht, aber im Augenblick war es ihm auch gleichgültig.

Er hatte richtig vermutet, daß er einen Kater haben würde. Aber diesmal war es ein besonderer Kater, der die höheren Nervenzentren nicht wie sonst beeinflußte. Bob spürte noch etwas vom Auftrieb des vergangenen Abends. Etwas stand jedenfalls fest: Dagny konnte jeden Mann dazu bringen, alles zu tun, was sie nur wollte – wenn sie sich Mühe gab.

Er stürzte sich mit neuer Energie auf die Hyaden. Beim letztenmal hatte er entmutigt aufgegeben und seine Berechnungen in den Papierkorb geworfen. Diesmal kam er besser voran. Er trieb sich unbarmherzig an. Als seine Kollegen schon längst nach Hause gefahren waren, rechnete er immer noch.

Jemand klopfte an seine Tür.

Bob schrak auf. Hinter der Milchglas-Scheibe zeichnete sich eine dunkle Silhouette ab.

»Herein!«

Zu seiner Erleichterung war der Besucher MacGuire. MacGuire gehörte zu den wenigen Kollegen, die ihm wirklich sympathisch waren.

MacGuire hatte als Sekretär des Observatoriums die undankbare Aufgabe, das Beobachtungsprogramm für die Spiegelteleskope auf dem Mt. Elsinore zusammenzustellen. Astronomen haben leider wenig Ähnlichkeit mit der Vorstellung, die sich viele Leute von ihnen machen: über Kleinigkeiten erhabene große Geister, die sich nur mit den Sternen befassen. In Wirklichkeit sind die meisten unfreundliche Eigenbrötler, die sich nur für ihr Spezialgebiet und sonst nichts interessieren. Das machte es um so schwieriger, ein von allen akzeptiertes Beobachtungsprogramm zu konzipieren. Die Astronomen bekamen selten die Nächte, die sie wollten, zu den Zeiten, die ihnen paßten, oder so viele, wie ihnen ihrer Meinung nach zustanden.

MacGuires Gesichtsausdruck war ernst, wie es einem Mann ansteht, der schwere Verantwortung trägt. Er legte mehrere lange Papierstreifen auf Bobs Schreibtisch. Jeder der Streifen bedeutete ein bestimmtes Teleskop und war in Spalten und Quadrate unterteilt. Über jeder Spalte stand ein Datum.

Etwa die Hälfte aller Quadrate trug bereits Namenszeichen. MacGuire zeigte auf den Streifen mit dem Aufdruck 250 Zoll.

»Ich habe Sie für die drei Nächte vom neunundzwanzigsten bis dreißigsten Juli eingetragen. Okay?«

»Okay«, stimmte Bob zu und notierte sich die Termine in seinem Vormerkkalender. »Und wie steht’s mit den anderen?«

»Das sind alle.«

»Das sind alle?« Bob starrte ihn entgeistert an. »Was soll das heißen, Mac? Sie wissen doch, daß ich mir M110 fotometrisch vornehmen will.«

»Tut mir leid, Bob. Aber diesmal ist das ganze Programm durcheinander.«

»Das ist es jedesmal!«