»Richtig, aber diesmal ist der Wirrwarr noch größer. Weil Thornton nach Hawaii fliegt, wissen Sie.«
»Nein, das hab’ ich nicht gewußt.«
»Ich auch nicht, bis er mich letzte Woche damit überrascht hat.«
»Was will er denn in Hawaii?«
»Jupiter bedeckt am Morgen des Einunddreißigsten einen Stern sechster Größe. Thornton möchte diesen Vorgang durch das neue Teleskop beobachten, das er für Mt. Mauna Kea konstruiert hat. Das ist die beste Gelegenheit seit Jahren, die Dichte der Jupiteratmosphäre zu bestimmen.«
»Der Teufel soll die Jupiteratmosphäre holen! Außerdem kann er die auch hier beobachten.«
»Nein. Die Pazifikküste liegt bei Beginn der Bedeckung bereits in der Morgendämmerung.«
»Und was hat das alles mit mir zu tun?«
MacGuire machte ein unglückliches Gesicht.
»Er braucht weitere Spektralaufnahmen von seinem neuen Sternhaufen. Bisher existiert nur eine einzige gute, aber wenn weitere sie bestätigen, ist der Nachweis für sein Modelluniversum gesichert.«
»Ich verstehe noch immer nicht …«
»Deshalb hat Thornton als Vorsitzender des Programmkomitees gedacht, Sie könnten vielleicht …«
»Ich könnte vielleicht!«
»Bob, daran ist wirklich nur diese verdammte Bedeckung schuld.«
»Soll das heißen, daß ich als … als Thorntons Assistent arbeiten soll?«
MacGuire zuckte unbehaglich mit den Schultern.
»Hören Sie, Bob, wir … wir müßten auch noch über etwas anderes reden«, fuhr er zögernd fort.
Bob starrte finster geradeaus.
»Wie Sie wissen, sind wir hier in mancher Beziehung recht nachsichtig«, sagte MacGuire. »Wir drücken ein Auge zu, wenn sich jemand einen antrinkt oder seine Freundin mit ins Observatorium bringt. Aber es gibt etwas, das man in einer rein wissenschaftlichen Institution auf keinen Fall tun darf: Astronomie und Astrologie vermengen.«
»Meinen Sie damit zufällig meine Frau?«
MacGuire nickte traurig.
»Aber das ist doch nicht meine Schuld, verdammt noch mal!« protestierte Bob. »Mac, ich bin genauso dagegen wie …«
»Klar, Bob, das habe ich dem Komitee auch gesagt. Und wenn Thornton nicht gewesen wäre, hätte es vielleicht gar keine Schwierigkeiten gegeben.«
»Thornton?«
»Sie wissen doch, daß er versucht hat, aus dem Ausschuß für astronomische Projekte ein paar Millionen für einen Schwerkraftwellendetektor herauszulocken. Der AAP will von Jahr zu Jahr weniger Mittel bewilligen, aber Thornton hat natürlich gute Beziehungen. Das Rennen schien bereits gelaufen zu sein, als bekannt wurde, daß Dagny zur Staatshexe von Kalifornien ernannt worden ist.
Nun, damit war alles verloren. Die Abgeordneten haben uns ausgelacht. Sie haben behauptet, wir seien auch nicht besser als diese anderen Spinner.«
Bob runzelte die Stirn.
»Eine Frage, Mac. Hat Thornton Dagny namentlich erwähnt?«
»Hmmm, daran kann man sich nicht ohne weiteres erinnern …«
»Hat er von ihr gesprochen?«
»Das möchte ich nicht ausschließen …«
Bob sprang auf.
»Dieser Schweinehund! Dafür reiße ich ihm den Arsch auf!«
Aber MacGuire stieß ihn in seinen Sessel zurück.
»Nein, erst hören Sie mir ganz ruhig zu«, sagte er streng. »Denken Sie gefälligst erst einmal nach, bevor Sie hier handgreiflich werden.«
Bobs Alkoholkater machte sich plötzlich doch noch bemerkbar. Seine Hände, seine Arme begannen zu zittern. Er konnte dieses Zittern nicht unterdrücken.
»Ich kündige«, sagte er benommen.
MacGuire klopfte ihm auf die Schulter.
»Unsinn, Bob. Fahren Sie nach Hause. Trinken Sie einen. Ich glaube, daß Sie einen anständigen Drink nötig haben.«
Bob gab keine Antwort.
Dagny und Margarita saßen auf der Veranda, als Bob sich mit einem Drink zu ihnen gesellte. Dagny schlürfte Tomatensaft mit Eiswürfeln. Margarita, die zusammengerollt auf ihrem Schoß lag, nahm Bobs Anwesenheit nur flüchtig zur Kenntnis und schlief dann weiter.
»Du hast also heute Ärger im Büro gehabt?« erkundigte sich Dagny.
Bob wünschte sich, ihren Gesichtsausdruck zu erkennen, aber auf der Veranda war es zu dunkel.
»Ich glaube, du bist tatsächlich eine Hexe«, murmelte er.
Dagny lachte.
»Es gibt Dinge, die man weiß, ohne eine Hexe zu sein. Manchmal genügt es schon, Ehefrau zu sein.«
Bob machte seinem Herzen Luft. Dagny hörte sich die ganze Geschichte schweigend an.
»So sieht’s aus«, schloß er. »Thornton ist zur Jupiterbeobachtung auf Hawaii, während ich hier seine ganze Arbeit mache!«
»Ist das wirklich so schlimm?«
»Schlimm? Das ist eine Schande!«
»Warum sprichst du nicht selbst mit Doktor Thornton? Vielleicht läßt er mit sich reden.«
»Mit einem Kerl wie Thornton kann man nicht vernünftig reden.«
»Ist er so ein Ungeheuer?«
»Nein. In mancher Beziehung ist er gar nicht übel. Nur unmenschlich, das ist alles.«
»Ausgeschlossen!« protestierte Dagny.
»Freilich, er hat auch menschliche Züge. Soviel ich gehört habe, trinkt er manchmal ein bißchen zuviel.« Bob starrte in sein leeres Glas.
Dagny schwieg nachdenklich.
»Hast du dir schon einmal überlegt, daß dein Doktor Thornton vielleicht gar nicht so ist, wie er wirkt?« fragte sie nach einigen Minuten. »Seine Herrschsucht dient vielleicht nur dazu, etwas anderes zu tarnen. Ich glaube, daß er im Grunde seines Wesens sehr unsicher ist.«
Bob zuckte mit den Schultern. Ihm war längst etwas anderes eingefallen.
»Hör zu, du bist doch eine Hexe, nicht wahr?« fragte er.
Dagny gab keine Antwort.
»Und du hast doch noch Thorntons Bild?«
Sie machte eine vage Handbewegung. »Irgendwo.«
»Worauf wartest du dann noch?« fragte Bob. »Komm, ich möchte sehen, was an der Hexerei dran ist.«
»Was schlägst du vor?«
»Das ist deine Sache!« rief Bob ungeduldig. »Du sollst ihn verhexen. Weißt du keinen wirksamen Zauber?«
»Ich verstehe nicht, was du …«
»Ich hab’ schon oft gelesen, wie so was funktioniert. Da ist also ein Kerl, den man nicht leiden kann. Man besorgt sich sein Bild. Man sticht eine Nadel …«
Er sprach begeistert weiter, ohne zu merken, daß seine Frau ihr Gesicht in den Händen begrub. Großer Gott, jetzt hatte er’s wieder geschafft!
Bob eilte zu ihr und ergriff ihre Hände. Dagny schluchzte … sie schluchzte wirklich! Diesmal spielte sie keine Rolle. Er fühlte ihre Tränen, die auf seine Hände tropften.
»Dagny … Liebste … Das war nur Spaß. Ehrlich! Ich dachte, du wüßtest, daß das nicht mein Ernst ist.«
Diese Frau in seinen Armen war nicht die Staatshexe von Kalifornien. Sie war Dagny, seine Frau, der Mensch, den er am meisten liebte.
»Du kannst ruhig mit deiner Hexerei weitermachen«, sagte er grimmig. »Wenn ich’s mir überlege, bist du auf deinem Gebiet viel besser als ich auf meinem.«
Er küßte ihr die Tränen von den Wangen.
»Weißt du, was wir tun?« rief er. »Wir verbringen meine drei Tage auf dem Berg gemeinsam. Ich lasse uns gleich ein Zimmer reservieren. Wenn ich Thorntons Arbeit tun muß, ist es halb so schlimm, wenn du bei mir bist.«
Er sah sie besorgt an. »Einverstanden?«
Dagny nickte.
»Wunderbar!«
Dagny ging früh ins Bett. Bob ging in die Bibliothek, ließ sich in einen Sessel fallen und versuchte, seine aus den Fugen geratene Welt wieder zurechtzurücken. Vielleicht noch ein Drink … nein, lieber nicht. Vielleicht ein Buch.
Er nahm eins von Dagnys Büchern über Zauberei aus dem Regal, blätterte darin herum und las den erstbesten Absatz, der ihm ins Auge fiel. Astralflug: Das eigenartige am Astralflug ist die Tatsache, daß er von wissenschaftlich geschulten Menschen intuitiv abgelehnt wird, obwohl zahlreiche Beweise für ihn sprechen. Tatsächlich würden die vorhandenen Beweise als überwältigend gelten müssen, wenn dieses Phänomen nicht so unwahrscheinlich wäre. Allgemein läßt sich feststellen, daß …