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Bostic zog den Wagen mit den Messern heran und wählte sorgfältig.

»Sie müssen doch zuerst sterilisieren!« rief Atkinson unvorsichtig laut.

»Psst, Atkinson, sonst kommt mir das Messer aus. Sterilisieren, wenn ich das schon höre. Sie glauben wohl, wir sind am Pasteurinstitut? Nee, mein Lieber, der Mensch des neuen Jahrhunderts stirbt nicht an ein paar Mikroben. Wie war’s mit diesem Messerchen, Madam? Soll ich mal an Ihren Brüstchen probieren, ob es die richtige Schärfe hat?«

Bostic ließ das Messer mit dem langen Griff und der kurzen, scharfen Klinge unmittelbar vor den Augen Janes funkeln, die einer Ohnmacht näher war als jedem Versuch, sich zu wehren, strich dann damit ganz zart über die Warze der linken Brust, tat dann einen Schritt, stellte sich in Positur und führte einen blitzschnellen Schnitt durch das Abszeß.

Jane stieß einen gurgelnden Schrei aus, Atkinson schleuderte mit den Zähnen seinen Briefbeschwerer durchs Fenster, so daß beide Scheiben klirrend zersprangen, und Bostic warf einen letzten, bedauernden Blick auf die schöne Frau, der das Blut zwischen den Schenkeln hervorschoß.

»Mit dem Briefbeschwerer hätte ich ihnen den Schädel einschlagen sollen, Atkinson«, sagte Bostic und wusch sich Janes Blut von seinem Gehrock, »aber er gefiel mir so gut, daß ich ihn mir nachher mitnehmen wollte. Ein kleiner, marmorner Totenkopf auf einem bronzenen Sockel, schon als Sie noch studierten, habe ich Sie darum beneidet. Wenn Sie gestatten, hebe ich ihn mir draußen vom Pflaster auf, zur Erinnerung an diesen unvergeßlichen Nachmittag. Mrs. Atkinson, Herr Kollege, good bye

Vampir zu sein dagegen sehr … von J. M. Rymer

In seiner »Gothic Bibliography« verzeichnet Montague Summers, einer der profundesten Kenner der literarischen Horror-Szene, unter dem Stichwort »Varney« einen Vampir-Roman, der in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu den meistgelesenen Büchern in England überhaupt zählte, später jedoch schnell in Vergessenheit geriet und erst in unserer Zeit durch einen Reprint wieder zugänglich gemacht worden ist. Eine gekürzte Fassung des ausufernd umfangreichen Romans liegt auch in deutscher Sprache vor (»Varney der Vampir oder das Fest des Blutes«, Heyne-Buch Band 5209). Summers schreibt: »Varney der Vampir gilt als Meisterwerk von Thomas Peckett Prest.« Aber nicht Prest, der König der beliebten »bloods«, ist der Autor – stilkritische Untersuchungen weisen vielmehr auf James Malcolm Rymer als Autor hin, Prests gleichermaßen erfolgreichen Schreibkollegen in der Trivialliteraturfabrik des damals marktbeherrschenden Verlegers Edward Lloyd, der dem Horror-Genre mit seiner Massenproduktion in England zum Durchbruch verhalf. »Varney der Vampir« erschien erstmals 1847, ein halbes Jahrhundert vor Bram Stokers berühmtem »Dracula«. Wir drucken hier eine in sich abgeschlossene Episode ab, die Vorgeschichte des ebenso blutrünstigen wie unglückseligen Vampirs betreffend.

Während so manchen, kurzen Gedankenaustausches – und diese blieben immer kurz, wenn sie vertraulicher Natur waren – habe ich Überraschung ausgelöst, indem ich von Personen und Ereignissen sprach, die seither längst von der fast vergessenen Vergangenheit geschluckt worden sind. Auf diesen paar Seiten will ich mich eingehender erklären.

Zur Regierungszeit Charles des Ersten residierte ich in einer schmalen Straße in der unmittelbaren Nachbarschaft von Whitehall. Es war eine schmale, gewundene Durchfahrt, durch die es zur Themse hinunterging; es spielt weiter keine große Rolle, womit ich damals meinen Lebensunterhalt bestritt, aber ich zögere nicht im mindesten zu sagen, daß ich ein gutbezahlter Agent in einer der politischen Bewegungen war, für die jene Epoche bekannt und berüchtigt ist.

London war damals eine Masse schäbig aussehender Häuser mit hier und dort einem Gebäude, das im Vergleich zu seinen noch schäbigeren Nachbarn wie ein Palast wirkte. Beinahe jede Straße schien dabei unter dem Schutz irgendeines großen Hauses zu stehen, das sich irgendwo an ihr befand, aber jene Häuser, die den Verfall der Zeit überdauert haben, sind heute so verändert und gleichen so sehr ihren Nachbarn, daß selbst ich, der ich viele von ihnen gut gekannt habe, kaum noch sagen könnte, welche es waren oder wo sie einmal gestanden haben.

Ich spielte keine prominente Rolle bei den politischen Aufruhren jener Epoche, aber ich sah den blutigen Kopf eines Königs in Whitehall aufgespießt als Spektakel für die Volksmenge.

Es gab Tausende von Personen in England, die alle zu diesem Ende des Königs beigetragen, es aber beileibe nicht erwartet hatten und dann die ersten waren, die den gigantischen Mächten, die sie selber aufgerührt hatten, zum Opfer fielen.

Unter diesen waren auch viele von meinen Auftraggebern; Männer, die durchaus willens gewesen waren, den Thron zu erschüttern, soweit es jenen betraf, der ihn gerade besetzt hielt, die aber ganz sicher niemals beabsichtigten, die Monarchie zu zerstören; so schufen denn der Tod von Charles dem Ersten und die Diktatur Cromwells eine Unzahl von Royalisten.

Sie hatten damit einen Geist heraufbeschworen, den sie nun nicht mehr loszuwerden vermochten, und dies war eine Tatsache, der sich auch jener strenge, harte Mann, Cromwell, mit dem ich viele Unterredungen hatte, durchaus bewußt war.

Mein Haus war in ganz besonderem Maße für diskrete und verschwiegene Zwecke geeignet, und ich wurde ein reicher Mann durch die großen Summen, die ich dafür erhielt, daß ich vornehmen Royalisten zur Flucht verhalf, von denen manche für eine beträchtliche Zeit perdu in meinem Hause lagen, bevor sich eine günstige Gelegenheit ergab, sie still und leise den Fluß hinunterzuschaffen zu irgendeinem Schiff, das sie nach Holland bringen würde.

Mir wurde in der Tat so viel pro Kopf für jene Royalisten geboten, daß eines Tages Cromwell nach mir schickte; es gab da insbesondere einen, der Privatsekretär des Herzogs von Cleveland gewesen war, ein noch junger Mann ohne Familie und Rang, aber von großen Fähigkeiten, den Cromwell unbedingt in seine Gewalt bringen wollte. Ich glaube, es muß da ebenso auch noch ein paar private Gründe gegeben haben, die den Diktator des Commonwealth veranlaßten, derart wild hinter diesem Master Francis Latham her zu sein, welches der Name der Person war, auf die ich mich hier beziehe.

Es war spät eines Abends, als ein Fremder zu meinem Haus kam und, da er mich diskret zu sprechen wünschte, in ein Privatzimmer geführt wurde, wo ich ihn sogleich empfing.

»Ich weiß«, sagte er, »daß Sie vertraulich für den Herzog von Cleveland tätig gewesen sind, und ebenso ist mir bekannt, daß Sie schon so manchem Royalisten, der sich in der Klemme befand, sehr nützlich gewesen sind, aber dafür, daß Sie Master Francis Latham, dem Sekretär des Herzogs, helfen, wird Ihnen gestattet, beinahe jede beliebige Summe zu nennen.«

Ich nannte einhundert Pfund, was zu jener Zeit eine weit größere Summe war als heute, wenn man den relativen Wert berücksichtigt. Die eine Hälfte davon sollte ich sofort erhalten; die andere wurde mir zur Zahlung innerhalb vierundzwanzig Stunden versprochen, nachdem Latham die Flucht gelungen war.

Mir wurde gesagt, daß um halb zwölf Uhr in jener Nacht ein Mann in gewöhnlicher Arbeitskleidung, mit einem Besen über der Schulter, an meine Tür klopfen und fragen würde, ob man ein Nachtquartier für ihn wisse; durch diese Kennzeichen würde ich wissen, daß der Mann Francis Latham sei. Ein holländischer Lugger, wurde mir ferner gesagt, läge nahe von Gravesend, und an Bord von diesem sollte ich den Flüchtling bringen, um mir mein Geld zu verdienen.