mit seiner Bündnistreueerklärung an Habsburg der gleiche Leichtsinn Poincarés mit solch einer Zusicherung an Rußland gegenüber.
Am 23. Juli stellt Habsburg den Serben ein 48-Stunden-Ultimatum, in dem verlangt wird, jede anti-österreichische Hetzpropaganda in Serbien zu unterbinden, österreichische Organe bei der Terrorbekämpfung in Serbien zuzulassen und österreichische Beamte zu den gerichtlichen Untersuchungen des Sarajewo-39 Binder, Seite 48
40 Frost, Seite 22
41 Hinweis bei Churchill-Memoiren, Seite 424
42 dtv Geschichte, Seite 122
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Mordes hinzuzuziehen. Die letzten beiden Forderungen gehen der serbischen Regierung zu weit. Die Russen, die nun sicher sind, daß die Franzosen im Falle eines Krieges auf ihrer Seite stehen, beschließen am 25. Juli ihrerseits, Serbien zu unterstützen. Sie geben der serbischen Regierung ein Hilfsversprechen. Die lehnt daraufhin das Wiener Ultimatum mit einer teils abweisenden und teils entgegenkommenden Note ab und macht die serbische Armee mobil. Dem folgt noch am gleichen Abend die Teilmobilmachung der Österreich-ungarischen Streitkräfte gegen Serbien.
Es ist die Arroganz der Macht, mit der das große Österreich-Ungarn 1914 den Versuch macht, dem kleinen, doch souveränen Serbien österreichische Beamte und Organe zur Terrorbekämpfung aufzuzwingen. Man kann den Vorgang allerdings auch anders sehen. Der Habsburger Regierung reicht es 1914 nicht, den Mord gerichtlich zu verfolgen und die großserbische Bewegung auf dem eigenen Boden zu bekämpfen. Es ist für Habsburg eine Lebensfrage, den Rückhalt der Bewegung und des Terrors in Serbien zu zerbrechen, so wie es 2001 für die Amerikaner unumgänglich ist, den Terrorismus außerhalb des eigenen Landes zu bekämpfen.
Bemerkenswert ist die Reaktion des deutschen Kaisers, als er den Text der serbischen Antwort vom 25. Juli 1914 in den Händen hält. Er urteilt: „... Damit fällt jeder Kriegsgrund fort. ... Daraufhin hätte ich niemals Mobilmachung befohlen“.43
Vom 26. bis zum 31. Juli versuchen Deutschland und England mehrfach zu vermitteln. London schlägt eine Balkankonferenz vor. Kaiser Wilhelm II. bemüht sich am 27. Juli vergeblich, die Höfe in Petersburg und Wien zu bewegen einzulenken. Wien erklärt daraufhin lediglich, daß es bei diesem Streit mit Belgrad nicht die Absicht hege, serbisches Territorium zu erwerben. Trotz aller deutschen und englischen Bemühungen erklärt Habsburg am 28. Juli 1914 den Krieg an Serbien. Jetzt handelt auch der Hof in Petersburg. Am 29. mobilisiert Rußland 13 Armeekorps an den Grenzen zu Österreich-Ungarn. Am gleichen Tag bittet die Regierung in London die in Berlin, noch einmal in Wien zu intervenieren. Das britische Außenministerium teilt dabei aber bereits mit, daß England nur so lange neutral zu bleiben gedenke, wie Frankreich nicht am Krieg beteiligt sei44. Das ist die erste leise Drohung an die Adresse Deutschlands, denn mit Österreich kann Großbritannien schließlich keinen Seekrieg führen. England steht „Gewehr bei Fuß“ gegen Deutschland, das verrät dieser frühe Hinweis auf die Bereitschaft, an der Seite Frankreichs Krieg zu führen. Das ist seit der Marokkokrise von 1911 die zweite Drohung in drei Jahren.
43 Binder, Seite 49
44 Binder, Seite 42
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Am 30. Juli gibt es aus Deutschland zwei entgegengesetzte Impulse. General von Moltke, Chef des deutschen Generalstabs, sieht die militärische Gefahr, die aus dieser Krise für das Deutsche Reich erwachsen kann. Wenn es zum Kriege kommen und Rußland plus Frankreich auf der Seite Serbiens kämpfen sollten, wäre es für Deutschland überlebenswichtig, daß die österreichisch-ungarische Armee kriegsbereit ist und die Russen bindet. So drängt von Moltke seinen österreichischen Kameraden, General von Hötzendorf, aus rein militärischen Erwägungen, die Allgemeine Mobilmachung der Truppen Österreich-Ungarns zu beschleunigen. Am gleichen Tag rät Kanzler Bethmann Hollweg dem
österreichischen Außenminister Graf Berchtold dringend, vom Krieg mit Serbien abzulassen. Und auch an diesem Tag versucht Kaiser Wilhelm II. ein weiteres Mal, seinen Vetter Zar Nikolaj II. vom Kriege abzubringen. Er bittet ihn eindringlich, die Teilmobilmachung vom Vortag zurückzunehmen. Der Zar lenkt zunächst ein, fügt sich dann aber doch dem Druck seines Außenministers und der Kriegspartei im eigenen Lande. Nun macht Rußland sogar total mobil, das heißt, auch gegenüber Deutschland. Jetzt versucht die deutsche Seite es noch einmal mit härteren Bandagen. Am 31. Juli läßt Kaiser Wilhelm II. in Sankt Petersburg ein Ultimatum überreichen, mit dem die russische Regierung aufgefordert wird, die Mobilmachungsbefehle binnen zwölf Stunden zurückzuziehen, anderenfalls – so heißt es in der Note – sei der Kriegszustand zwischen Deutschland und Rußland unvermeidlich. Die russische Regierung geht darauf nicht mehr ein. Sie hat den Angriff ihrer Truppen gegen Deutschland offensichtlich bereits angeordnet. Am 1. August um 19 Uhr, nach Ablauf des Ultimatums, überreicht der deutsche Botschafter in Petersburg die deutsche Kriegserklärung45 und zeitgleich überschreiten die ersten russischen Kavallerie-verbände die deutsche Grenze.
Die Entfernung zwischen Petersburg und der deutsch-russischen Grenze in Ostpreußen und der Dienstweg zwischen dem Hof des Zaren und den russischen Schwadronschefs in ihren Aufmarschräumen an der Grenze sind – vor allem damals – viel zu weit, als daß ein Angriffsbefehl binnen einer oder auch nur weniger Stunden von da nach dort hätte durchgegeben werden können. Der Befehl zum Angriff und damit zur Kriegseröffnung gegen das noch immer abwartende Deutschland ist in Sankt Petersburg ohne jeden Zweifel schon vor der deutschen Kriegserklärung erlassen worden. Damit hat Rußland mit dem Krieg begonnen, und Deutschland hat ihn zuerst erklärt. In Versailles, vier Jahre später, werden die deutschen Kriegserklärungen als wesentlicher Teil der deutschen Allein-kriegsschuld gewertet. So darf es nicht wundern, daß Hitler 1939 daraus die Lehre zieht und eine Kriegserklärung unterläßt.
Der 30. Juli ist ein schicksalsschwerer Tag gewesen. Kaiser Wilhelm II. versäumt es, an jenem Krisentag die Tätigkeiten von Kabinett und Militär zu bündeln und den Chef des Generalstabs auf seine Friedens-Linie festzulegen. Doch der Gene-45 Ploetz, Volksausgabe, Seite 387
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ralstabschef Graf Moltke, der hier ohne Weisung seines Kaisers handelt, schätzt die Entscheidungen am Zarenhofe richtig ein. Daß die Zuspitzung zwischen Österreich und Rußland an diesem 30. Juli ohne das Drängen Moltkes bei Hötzendorf unterblieben wäre, ist im nachherein weder zu beweisen noch zu widerlegen. Die Würfel für den Krieg sind am Hof des Zaren politisch offensichtlich schon gefallen.
Mit dieser am 1. August 1914 so plötzlich eingetretenen Entwicklung steht Deutschland unversehens vor der Gefahr, zwischen zwei Fronten zu geraten. Die zwei großen Nachbarn im Osten und im Westen sind seit 1894 vertraglich gegen das Deutsche Reich verbunden. Ein Krieg nach zwei Seiten ist für Deutschland eine existentielle Bedrohung, zumal da Deutschland zu der Zeit noch immer nicht mobilgemacht hat. Die Reichsregierung fragt deshalb noch am 31. Juli in Paris an, wie Frankreich gedächte, sich in einer russisch-deutschen Auseinandersetzung zu verhalten. Die französische Regierung hält die deutsche hin und antwortet vieldeutig: „man werde den französischen Interessen entsprechend handeln“46. Das kann Frieden heißen oder Krieg um Elsaß-Lothringen. Paris weicht dem offenkundigen deutschen Wunsch nach weiterem Frieden zwischen dem Deutschen Reich und Frankreich aus und bereitet sich statt dessen auf den Krieg mit Deutschland vor. Die französische Regierung ordnet am 1. August die Mobilmachung der Streitkräfte an.