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erklärt dem Deutschen Reich den Krieg, weil es die Neutralität der Belgier verletzt.

So steht England in einer völkerrechtlich einwandfreien Position da, auch wenn es bewußt auf indirekten Wegen die Konstellation für diesen Kriegsausbruch mit angelegt hat. Großbritannien nutzt die Kettenreaktion der sich überschlagenden Ereignisse im Juli 1914, um der deutschen Konkurrenz, dem „Made in Germany“ und dem Flottenbauprogramm im Deutschen Reich ein Ende zu bereiten.

Amerika steht 1914 noch auf Distanz zum Mächtespiel der Europäer. Die Regierung, der Kongreß und die Bevölkerung gedenken, ihr Land aus diesem Krieg in Übersee herauszuhalten. Doch schon zu Kriegsbeginn gibt es auch in den Staaten Persönlichkeiten von nicht geringem Einfluß, die das anders sehen, zum Beispiel Mahan und Roosevelt. Admiral Mahan beeinflußt seit etwa 20 Jahren das strategische Denken vieler politisch Interessierter in den USA55, und Franklin D.

Roosevelt, der sein Land später in und durch den Zweiten Weltkrieg führt, ist zu der Zeit stellvertretender Marineminister. Mahan schreibt Roosevelt zwei Wochen nach dem Kriegsausbruch am 13. August:

„Deutschlands Prozedur besteht darin, (seine Gegner) durch konzentrierte Vorbereitung und ungestüme Triebkraft schlagartig zu überwinden. Sollten die Deutschen Frankreich und Rußland zu Lande besiegen, würden sie eine Atempause gewinnen, die sie in die Lage versetzen könnte, eine Seemacht vergleichbar mit England aufzubauen. In diesem Falle würde die Welt mit einer Seemacht konfrontiert werden. ... voller gierigen und ex-pansiven Ehrgeizes.“ 56

Die Bombe, die erst drei Jahre später gegen Deutschland losgeht, tickt also schon in einigen Köpfen.

Keine der 1914 beteiligten Regierungen überblickt im Juli 14 das Ausmaß der europäischen Katastrophe, zu der sie beiträgt. Keine der Regierungen – abgesehen von der belgischen – bemüht sich in aller und letzter Konsequenz, den Frieden zu erhalten. Großbritannien und das Deutsche Reich versuchen zwar mehrfach, zwischen den streitenden Parteien zu vermitteln. Doch die Regierungen und Repräsentanten beider Länder ermutigen die kriegsbereiten Staaten Frankreich und Österreich-Ungarn durch unbedachte Zusagen und geheime Absprachen zu verantwortungslos riskantem Handeln. Und Frankreich verleitet Rußland zu dessen unnachgiebiger Haltung. Überdies nehmen Frankreich und England den Krieg wegen der erwarteten „Mitnahmeeffekte“ bewußt und billigend in Kauf. Beide bereiten sich bei Zeiten militärisch darauf vor, die heraufziehenden deutsch-russischen Verstrickungen für sich zu nutzen, ohne selber als Aggressor dazustehen. Österreich-Ungarn, Serbien und Rußland steuern direkt und bewußt auf diesen Krieg zu, auch wenn man in Wien zunächst nur an eine Strafaktion gegen die Serben denkt. So ist der Schuldanteil der Staaten am Entstehen dieses 55 Admiral Mahan schreibt 1889 das Buch „The Influence of Sea Power upon History“ 56 Bavendamm, Roosevelts Weg zum Krieg, Seite 564

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Ersten Weltkriegs höchst verschieden. Im Vergleich geht die Last der Verantwortung für die Katastrophe von 1914 zu geringsten Teilen auf das Konto der Briten und der Deutschen.

Der spätere englische Ministerpräsident Lloyd George hat die Ereignisse vom Juli 1914 mit den Worten kommentiert:

The nations slithered over the brink into the boiling cauldron of war“.57.

Wörtlich übersetzt: „Die Völker sind in den Siedekessel des Krieges hineinge-rutscht“.

Die Gemengelage von Motiven, Fehlhandlungen und Schuld, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs fuhrt, wird im Nachkriegsdeutschland in den 20er und 30er Jahren durchaus durchschaut. So ist es unausweichlich, daß im Reichstag 1920

keine der Parteien von links bis rechts das Diktum der „Alleinschuld“ akzeptiert, das die Sieger dem deutschen Volke auferlegen. Zudem greift die Last der Reparationen, die die Siegerstaaten ab 1919 mit dieser „Alleinschuld“ begründen, so tief in das Leben und in den Alltag aller Deutschen ein, daß die Revision von

„Alleinschuld“ und Versailler Vertrag zum erklärten Ziel und zum Konsens aller Parteien und politischen Gruppierungen im Nachkriegsdeutschland werden. So ergibt sich aus der Unhaltbarkeit der Alleinschuldthese, daß die auf ihr gebaute europäische Nachkriegsordnung bald zusammenbricht und innerhalb von nur zwei Jahrzehnten zu einem neuen Weltkrieg führt.

Der Erste Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg dauert vier Jahre und bringt Frankreich 1915/16 an die Grenze seiner Fähigkeit, ihn durchzuhalten. Der Krieg verlangt auch von den Mittelmächten schwere Opfer. So nutzen die Regierungen in Berlin und Wien die Eroberung Rumäniens durch deutsche und österreichisch-ungarische Truppen als eine – wie sie meinen – günstige Gelegenheit, den Gegnermächten Rußland, Großbritannien und Frankreich im Dezember 1916 einen Frieden anzubieten. Das Angebot ist allgemein gehalten und spricht vom „Frieden und Aussöhnung“. Die Gegnerstaaten halten die Offerte für ein Zeichen, daß die Mittelmächte schwächer werden und antworten mit der Forderung nach „Sühne, Wiedergutmachung und Bürgschaft“58.

Frankreich und Rußland schließen außerdem – wohl um sich gegenseitig in die Pflicht zu nehmen – einen zweiseitigen Geheimvertrag. In diesem Pakt sichern sich die beiden ihre Kriegsgewinne zu. Frankreich soll außer Elsaß-Lothringen das Saargebiet bekommen, und Deutschland links des Rheins soll abgetrennt vom Reich als Pufferstaat unter Frankreichs Oberhoheit kommen. Rußland erhält 57 Lloyd George, Seite 32

58 Gebhardt, Band 4/1, Seite 78

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dafür die Blankovollmacht „in voller Freiheit nach seinem Belieben seine Westgrenzen festzusetzen“. Es soll nach einem Sieg ganz Polen, Konstantinopel und die Dardanellen übernehmen dürfen59. So stößt das deutsche Friedensangebot von 1916 nicht nur ins Leere. Es verschärft auch noch die Habgier der zwei Gegner.

Kurz darauf scheitert ein weiterer Versuch, Frieden für Europa zu vermitteln.

US-Präsident Wilson läßt bei den kriegführenden Parteien fragen, unter welchen Bedingungen der Krieg beendet werden könnte. Großbritannien und Frankreich stellen für Deutschland und Österreich-Ungarn unannehmbare Bedingungen, und Deutschland geht nach seiner gerade erst gescheiterten Friedensinitiative bedauerlicherweise nicht weiter auf die Botschaft Wilsons ein. Statt die Chance zu ergreifen und die Vermittlung Amerikas zu nutzen, riskiert es Deutschland, die USA in ihren U-Boot-Krieg mit England zu verwickeln.

Da Großbritannien die Rohstoff- und Nahrungsmittelversorgung Deutschlands über See mit einer Fernblockade seiner Flotte unterbindet, versucht auch Deutschland, England von seinem Nachschub über den Atlantik abzuschneiden.

Doch das mißlingt zunächst. Zu viele britische Handelsschiffe holen – bevor sie in die umkämpften Seegebiete rund um England kommen, den Union Jack vom Mast und laufen unter amerikanischer Flagge unbehelligt in ihre Häfen weiter60.

So setzt die Oberste Deutsche Heeresleitung ihre letzte Hoffnung, England auszuschalten und den Krieg doch noch siegreich zu beenden, auf einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg gegen alle Zufuhr Englands über See. Dieser U-Boot-Krieg bringt England zwar in eine Krise, doch er führt zur gleichen Zeit zur Kollision mit den USA. Die Vereinigten Staaten von Amerika, obwohl offiziell neutral, stellen einen großen Teil der Transportflotte und der Einfuhrgüter für die englische Versorgung. So werden auch die „neutralen“ USA und ihre Schiffe Opfer der deutschen Seekriegsführung gegen England.

Das Verhältnis der USA zu Deutschland bekommt zu der Zeit einen weiteren Dämpfer. Als Rußland 1917 als besiegtes Land aus dem Krieg ausscheidet, ist die Möglichkeit eines Sieges der Mittelmächte Deutschland, Österreich-Ungarn und Türkei nicht mehr ganz ausgeschlossen. Dies hätte Konsequenzen für die USA gehabt. England und Frankreich haben ihre Kriegskosten nach Verbrauch der eigenen Staatsfinanzen komplett durch amerikanische Banken finanzieren lassen.