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Zum Glück dauerte alles nur eine Minute. Das Schiff durchstieß die Gewitterfront und ließ sie als düstere, schwarze Wand zurück.

Unsere Flughöhe hatte sich inzwischen erheblich verringert. Es waren nicht mehr als dreihundert Meter, die uns noch vom Meeresspiegel trennten. Durch die schweren Wassermassen, die sich über das Schiff ergossen, hatten wir ganze siebenhundert Meter an Höhe eingebüßt. Wären wir der Gewitterfront nicht so schnell entronnen, so hätte es leicht passieren können, daß wir im Meer gelandet wären.

Es wurde etwas heller, die Sicht besserte sich. Ich nutzte die Gelegenheit, um einige Aufnahmen vom Ozean der Venus zu machen.

Daß es kein See, sondern ein Ozean war, zeigte sich immer deutlicher. Wir flogen schon fast zwei Stunden, aber nirgends ließ sich auch nur die Andeutung einer Küste entdecken.

Vor uns tauchte wieder eine breite schwarze Wand auf.

Diese Gewitterfront war so groß, daß es unmöglich war, daran vorbeizukommen. Würde Kamow noch einmal das Wagnis von vorhin unternehmen? Nein, er unternahm es nicht! Unser Schiff stieg steil empor. Eine Minute später flogen wir wieder in milchigweißem Nebel, und das mit unheimlicher Kraft tobende Gewitter blieb unter uns.

„Ein überwältigender Anblick!“ sagte Paitschadse. „Der Planet ist voll junger, unverbrauchter Kräfte. Solche Gewitter hat es auch einmal auf der Erde in ihrem frühen Entwicklungsstadium, vor vielen Millionen Jahren, gegeben. Jetzt bin ich fest davon überzeugt, daß auf der Venus einst Lebewesen existieren werden.“

Wir hatten die Helme längst abgenommen. Der Atmosphärenmotor arbeitete verhältnismäßig leise, so daß man sich mühelos unterhalten konnte.

„Existieren werden?“ fragte ich gedehnt. Insgeheim hatte ich immer noch gehofft, wir würden schon jetzt Leben entdecken; dabei sprach mir Arsen Georgijewitsch von ferner Zukunft.

„Sie hätten wohl gern gesehen, daß es auf diesem herrlichen Planeten schon jetzt Leben gibt?“ fragte er mich.

„Gut, ich will Ihnen entgegenkommen. Es ist durchaus möglich, daß im Meerwasser bereits ganz primitive Organismen entstanden sind. In Millionen Jahren werden sich aus ihnen verschiedene Formen der Tierwelt entwickeln.“

„Warum nur ganz primitive?“ versetzte ich. „Vielleicht sind jetzt schon irgendwelche Ichthyosaurier oder Brontosaurier vorhanden.“

„So suchen Sie sie doch!“ meinte er. „Sehen Sie zu, daß Sie sie mit Ihrer Kamera einfangen.“

„Ich werde es versuchen, sobald Sergej Alexandrowitsch tiefer geht.“

Kamow war inzwischen schon mehrmals heruntergegangen, aber immer wieder aufgestiegen, weil wir das Gewitter noch immer nicht überflogen hatten. So vergingen anderthalb Stunden. Endlich erblickten wir die Oberfläche des Planeten von neuem. Unter uns lag immer noch der Ozean.

„Es muß hier Kontinente oder Inseln geben“, meinte Belopolski. „Der Planet hat zweifellos eine Vegetation, anders läßt sich das Vorhandensein freien Sauerstoffs nicht erklären. Wir werden bestimmt noch Festland sehen.“

Eine Stunde nach der andern verging, aber der Ozean blieb immer derselbe. Das Schiff flog in diese und in jene Richtung, stieg empor und ging wieder tiefer. Kamow manövrierte hin und her, um den zahlreichen Wolkenbrüchen auszuweichen, deren fürchterliche Gewalt wir bereits verspürt hatten.

Unverwandt blickte ich durch mein Fernglas auf die schäumende Oberfläche des Ozeans, in der Hoffnung, wenigstens eine Spur von Leben zu entdecken — aber vergebens. Weder im Wasser noch in der Luft regte sich Leben.

Ich schraubte das stärkste Objektiv auf meinen Apparat und fotografierte den Ozean der Venus Dutzende von Malen. Es konnte ja sein, daß auf einem der Bilder sichtbar wurde, was meinem Auge verborgen blieb.

Wir hatten etwa fünftausend Kilometer zurückgelegt, als das Schiff gegen Ende der achten Stunde schließlich einen Küstenstreifen überflog. Das Wasser wurde von Wald abgelöst. Er war genauso endlos wie der Ozean. Eine dichte Pflanzendecke breitete sich nach allen Seiten bis zum Horizont aus. Aber die Pflanzen waren nicht grün wie auf der Erde, sondern hatten Schattierungen von Orangefarben bis Rot.

Kamow ging noch tiefer. Wir sahen riesige Bäume. Sie standen so dicht beieinander, daß wir bei unserer Geschwindigkeit von zweihundert Metern in der Sekunde unmöglich erkennen konnten, was unter ihnen vorging.

Ich stellte den Filmapparat auf die höchste Aufnahmegeschwindigkeit ein und richtete das Objektiv senkrecht nach unten. Außerdem machte ich mit der Kamera ungefähr hundert Aufnahmen, wobei ich die kürzeste Belichtungsdauer wählte, die der Verschluß hergab. Mehr war nicht zu machen. Kamow konnte die Geschwindigkeit nicht herabsetzen, ohne zu riskieren, daß sich das Schiff in den Boden bohrte.

„Schade, daß wir nicht auf der Venus landen“, meinte ich.

„Wo denn?“ fragte Kamow kurz.

In der Tat, zum Landen war nirgends Platz. Der Wald stand dicht wie eine Mauer und zeigte nicht eine einzige Lichtung. Es war ein Urwald, wie ihn wohl auch die Erde in der Steinkohlenformation gekannt hatte. Welche Baumarten mochten darin vertreten sein? Glichen sie denen auf der Erde? Ich hoffe, meine Aufnahmen werden uns darüber Aufschluß geben.

Gegen Ende der neunten Flugstunde erblickten wir einen gewaltigen Fluß, dessen Ufer ebenfalls dicht bewaldet waren. Offenbar mündete er in den Ozean, den wir vor kurzem überflogen hatten.

Kamow wendete und flog längs des Flußbettes weiter.

Da die Gewitter uns gerade eine Ruhepause gönnten, ging er bis auf hundert Meter hinunter. Paitschadse gesellte sich zu mir, und wir fotografierten zu zweit das nahe Ufer.

Wenn es auf dem Planeten überhaupt Vertreter der Tierwelt gab, dann mußten sie hier anzutreffen sein.

Der Fluß war etwa vier Kilometer breit. Auf seiner glatten Oberfläche schwammen zahlreiche Bäume, die wohl von Stürmen entwurzelt worden waren. Anfangs hielt ich sie für schwimmende Tiere, aber schon bald merkte ich, daß ich mich geirrt hatte.

Im Wasser des Flusses spiegelte sich unser Schiff samt seinen Tragflächen und dem grellroten Feuerschweif hinter seinem Heck.

Manchmal sahen wir schmale Nebenflüsse, die aus dem Waldesdickicht hervorströmten. Nur einmal passierten wir einen Arm von etwa einem Kilometer Breite. Von Leben war jedoch auch hier nirgends eine Spur.

Allmählich wurde der Fluß schmaler. Bald sahen wir, daß wir uns einem hohen Gebirgskamm näherten, dessen Gipfel in die Wolken hineinragten. Mit dem Funkscheinwerfer stellten wir fest, daß die Höhe des Gebirges siebentausend Meter betrug. Wie seine Gipfel beschaffen waren, sollte für uns ein Geheimnis bleiben. Das Schiff überflog sie in zehntausend Meter Höhe.

Das Überqueren des Gebirgskammes verschaffte uns einen unerwarteten und überwältigend schönen Anblick. Der bereits gewöhnte milchigweiße Nebel teilte sich plötzlich.

Wir flogen zwischen zwei Wolkenbergen. Über dem Schiff wölbte sich wieder der dunkelblaue Himmel, an dem die gleißendhelle Sonne strahlte, die hier entschieden größer war, als von der Erde aus gesehen.

Unwillkürlich stießen wir Rufe des Entzückens aus, aber das in seiner Schönheit so ergreifende Bild verschwand ebenso schnell, wie es aufgetaucht war. Das Schiff flog von neuem in eine Wolke. Wieder ballte sich vor den Fensterscheiben dichter Nebel. Wir gingen tiefer. Die Berge lagen nun weiter hinter uns. Unter uns war erneut ein Ozean.

Das Schiff hatte eine Strecke von fast achttausend Kilometern zurückgelegt, als wir bemerkten, daß es dunkler wurde. Offenbar ging der Tag auf dieser Venushälfte zur Neige, und wir flogen in den Bereich der Nacht hinein.

Kamow wandte sich an die beiden Astronomen. „Wie steht es mit Ihrem Pensum?“ erkundigte er sich.