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Schon am frühen Morgen umringte eine riesige Menschenmenge das Flugfeld. Die Gegend war nur dünn besiedelt, und den überwiegenden Teil der Menge bildeten Leute, die aus den verschiedensten Städten des Landes, sogar aus New York und Washington, herbeigeeilt waren, um dem Start des Weltraumschiffes beizuwohnen.

Der Start war auf acht Uhr morgens angesetzt. Die von Bason eigens hergebetene Sportkommission überprüfte ein letztes Mal die Siegel an den Geräten des Steuerpultes, verabschiedete sich und verließ das Schiff.

Hapgood und Bason waren allein. Beide hatten Gummianzüge an. Um die schädliche Wirkung der aufs Fünffache gesteigerten Schwerkraft abzuschwächen — die Beschleunigung beim Aufstieg sollte fünfzig Meter in der Sekunde betragen —, mußten sie unter Wasser tauchen.

Hapgood schloß die Eingangstür. Sie befanden sich in einer engen Kabine, der einzigen im Schiff, die vollgestopft war mit Proviantkisten, Behältern mit flüssigem Sauerstoff und sonstigem Gerät, so daß kaum ein freies Plätzchen blieb.

Hapgood warf einen Blick auf die Uhr.

„Legen Sie sich hin!“ sagte er zu Bason.

Bason hielt die Gummihaube unschlüssig in der Hand und starrte entsetzt auf den langen Aluminiumkasten, der wie ein Sarg aussah. „Aber wie komme ich denn da wieder heraus, wenn Ihnen etwas zustößt?“ fragte er.

„Wenn mir was zustößt, hat es für Sie auch keinen Zweck mehr, herauszukommen“, entgegnete Hapgood. „Ist es nicht einerlei, auf welche Art man stirbt? Ohne mich sind Sie sowieso verloren. Sie können das Raumschiff doch nicht steuern.“

Bason stieß einen tiefen Seufzer aus und stülpte sich die Haube über den Kopf. Es kostete ihn große Überwindung, in den Kasten zu steigen. Endlich war er drin. Er hörte noch, wie Hapgood die Luftzufuhrschläuche anschloß und den Deckel des Kastens zuschraubte, dann füllte sich sein „Sarg“ mit Wasser. Nun lag er in diesem Kasten eingesperrt, außerstande, allein wieder herauszukommen. Die Luft, das wußte er, reichte für vierzig Minuten. Wurde er bis dahin nicht herausgeholt, mußte er elendiglich ersticken.

Sein Leben hing von Hapgood ab. Wenn dem aber etwas zustieß! Warum klopfte Hapgood nicht, wie vereinbart, an den Kastendeckel, um zu erfahren, ob alles in Ordnung war? Er brauchte ja nur den Luftleitungshahn abzudrehen, und gleich wäre alles zu Ende …

Da, das Atmen wurde schon schwerer! …

Dann hörte Bason es deutlich dreimal an den Kastendeckel pochen. Das vereinbarte Klopfzeichen! Ja, die Luft strömte ungehindert ein … Es atmete sich leicht …

Das Klopfen wiederholte sich. Bason hob die Hand und antwortete mit drei Schlägen.

Nachdem Hopgood sich vergewissert hatte, daß sein Begleiter wohlauf war, prüfte er noch einmal den Deckelverschluß und trat ans Fenster.

Draußen, auf dem weiten Feld des Raketenflugplatzes, liefen Reporter mit Filmapparaten und Kameras hin und her, verfolgt von motorisierten Polizisten, die sich vergeblich bemühten, sie aus der verbotenen Kilometerzone hinauszudrängen.

Hapgood sah auf die Uhr und fluchte. Bis zum Start waren es keine zehn Minuten mehr. Begriffen diese Leute denn nicht, welcher Gefahr sie sich aussetzten, wenn sie der Rakete so nahe blieben?

Eilig traf er die letzten Vorbereitungen. Er sah nochmals die Schläuche nach, die beide Kästen, den Basons und den eigenen, mit Atemluft versorgten, und überprüfte die Leitungen, mit deren Hilfe er den Atom-Düsenmotor anlassen wollte.

Dann setzte er sich die Haube auf, befestigte sie an seinem Gummianzug und zog den luftdicht schließenden Kragen fest zu. Hierauf stieg er in den Kasten und legte die Luftschläuche an. Als er den Deckel von innen zugeschraubt hatte, ließ er Wasser einlaufen. Alles war zum Abflug bereit.

Durch die Brille der Haube sah er das Leuchtzifferblatt seiner Armbanduhr. Es fehlten noch zwei Minuten.

Hapgood war völlig ruhig. Obwohl er wußte, daß das von ihm gebaute Raumschiff noch längst nicht vollkommen war, fürchtete er die Gefahren nicht, die beim Start drohten. Er wollte einfach nicht an sie denken. Der große Augenblick, dem er sein Leben gewidmet hatte, war gekommen. Er startete zu einem Weltraumflug. Alles andere existierte für ihn nicht mehr.

Noch eine Minute!

Er dachte an Kamow. Sein Rivale flog jetzt da irgendwo im Raum, weit weg von der Erde, ohne zu ahnen, daß Hapgoods Raumschiff ihm nachjagte, daß dieses Raumschiff eher auf dem A4ars sein würde als seins …

Der Sekundenzeiger riß Hapgood aus seinen Gedanken.

Es war soweit!

Hapgood drückte mit fester Hand auf den Knopf.

* * *

Unerträglich langsam verstrich die Zeit … Hundertsiebzig Flugtage, Tage qualvoller Untätigkeit, die sich durch nichts voneinander unterschieden, schlichen in trostloser Eintönigkeit dahin.

Das Außergewöhnliche der Situation, das Gefühl der Schwerelosigkeit und das grandiose Bild des Weltalls, das sich vor den Fenstern der Rakete ausbreitete, büßte schnell den Reiz der Neuheit ein. Es gab absolut nichts zu tun.

Die Rakete flog, den ewigen Gesetzen des Universums gehorchend, und mußte sie zum Ziel tragen, falls sie nicht unterwegs gegen einen Himmelskörper prallten, der Hapgoods Aufmerksamkeit entgangen war. Übrigens glaubte Hapgood nicht an die Möglichkeit einer solchen Begegnung.

Mit Ralph Bason hatte er sich ein für allemal verkracht.

Das kam so: Als man beraten hatte, welche Nahrungsmittel mitgenommen werden sollten, war Bason mit Hapgood einer Meinung gewesen, daß man auf alkoholische Getränke verzichten müsse; doch am zweiten Flugtag sagte er plötzlich: „Ich langweile mich zu Tode! Kommen Sie, Charles, trinken wir einen!“

„Was meinen Sie?“ fragte Hapgood aufhorchend. Er konnte sich nicht erklären, woher Bason Alkohol haben konnte, denn er selbst hatte vor dem Start die ganze Ladung des Raumschiffes genau überprüft. ›Wenn er ohne mein Wissen zwei, drei Flaschen mit an Bord geschmuggelt hat, ist das ja weiter nicht schlimm‹, dachte er. Aber die Sache erwies sich als durchaus nicht so harmlos.

Hapgood war aufs höchste empört, als er erfuhr, daß Bason insgeheim mit dem Lieferanten abgemacht hatte, einen Behälter statt mit flüssigem Sauerstoff mit Whisky zu füllen. „Idiot!“ schrie er, außer sich vor Zorn. „Was sollen wir denn am Ende der Reise atmen? Ihren verdammten Schnaps wohl?“

Basons eigenmächtiges Vorgehen konnte die schwersten Folgen haben. Das Schiff hatte zwölf Sauerstoffbehälter geladen. Durch den Verlust auch nur eines Behälters wurde die ganze Expedition gefährdet.

„Sie haben doch selber gesagt“, versetzte Bason gelassen, ohne sich an den Wutausbruch seines Begleiters zu kehren, „daß der Luftvorrat für den ganzen Flug ausreicht, auch für den Rückflug. Wozu brauchen wir so viel! Wir füllen eben unsere Behälter auf dem Mars nach.“

„Womit denn?“

„Womit schon? Mit Marsluft natürlich, eine Pumpe haben wir ja.“

Hapgood starrte Bason sekundenlang an, außerstande, auch nur ein Wort hervorzubringen.

„Woher wissen Sie denn“, sagte er endlich, „daß sich die Marsluft zum Atmen eignet? Ist Ihnen etwa nicht bekannt, daß unsere Behälter nicht mit Luft, sondern mit flüssigem Sauerstoff gefüllt sind? Wir haben keine Möglichkeit, aus der Marsatmosphäre Sauerstoff zu gewinnen.“

„Was machen wir denn da?“ stammelte Bason verwirrt.

„Das es so ist, habe ich nicht gewußt. Fliegen wir schnell zur Erde zurück.“

„Umkehren kann ich nicht mehr. Hören Sie, was ich Ihnen als Kommandant des Raumschiffes sage: Sie werden Ihr Vergehen mit dem Leben bezahlen. Wenn der Sauerstoff nicht reicht, werfe ich Sie aus der Rakete hinaus.“

„Wir müssen eben weniger atmen!“ murmelte der Journalist erschrocken. „Vielleicht können wir mit dem Sauerstoff sparsamer umgehen.“

„Meinetwegen brauchen Sie überhaupt nicht zu atmen“, erwiderte Hapgood, der sich inzwischen wieder gefaßt hatte.