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Kraftlos und unfähig zu denken, lag er im Dunkeln auf dem Boden der Kammer, von einem widerwärtigen, heftigen Zittern befallen. Vor seinen Augen stand unablässig das Bild des grauenhaften Endes seines Gefährten: das riesige zottige Schlangenungeheuer und die unter ihm hervorragenden Beine. Reglose Beine. ›Also war er schon tot‹, war der klare Gedanke, den er fassen konnte.

Die Übelkeit ging allmählich vorüber, auch das Zittern ließ nach. Bason richtete sich auf und lauschte. Ringsum herrschte Stille. Nicht ein Laut drang von draußen herein.

Er vernahm nur die schnellen Schläge seines Herzens, das sich noch nicht beruhigt hatte. ›Vielleicht hätte ich ihn doch retten können?‹ fragte er sich beklommen. ›Nein, unmöglich, er war schon tot!‹ beruhigte er sich.

Bason stand auf und knipste Licht an. Die Außentür war zu. Er wunderte sich darüber, denn ihm war entfallen, daß er sie selber zugeschlagen hatte. Dann nahm er die Sauerstoffmaske ab, die er immer noch aufhatte, und wankte ins Innere der Rakete. Eine unwiderstehliche Müdigkeit überkam ihn. Wie er ging und stand, sank er zu Boden und schlief augenblicklich ein.

Bason hätte nicht sagen können, wie lange er geschlafen hatte, aber als er die Augen öffnete, drang durch die schmalen Fenster Tageslicht. Er richtete sich auf und begann, den Kopf in die Hände gestützt, zu grübeln. Hapgood war tot, und er war nun allein auf dem Mars in einer Rakete, mit der er nichts anzufangen wußte. Sicherer Tod erwartete ihn.

Nichts konnte ihn mehr retten. Nichts, als … Aber durfte er denn hoffen, daß das sowjetische Raumschiff ausgerechnet hier landete? Der Planet war groß. Kamow konnte mit seinem Schiff auf jedem beliebigen Punkt der hundertfünfzig Millionen Quadratkilometer großen Marsoberfläche niedergehen. Es blieb also nicht einmal ein Hoffnungsschimmer… Wie lange würde sich seine Qual hinziehen? Die Luft würde ihm drei Monate reichen. Drei Monate …

Er trat ans Fenster. Ob der fürchterliche Marsbewohner noch da war? Ihm kam der Gedanke, daß es eigentlich nicht übel wäre, das Tier zu fotografieren. ›Das gäbe eine sensationelle Aufnahme‹, dachte er, aber gleich darauf lachte er bitter auf. ›Wer würde sie denn zu sehen bekommen? Draußen war es Tag. Nichts rührte sich in dem sonnenbeschienenen blaugrauen Gestrüpp und auf dem Platz, auf dem das Raumschiff gelandet war. Die Lampe, die Bason weggeworfen hatte, lag noch im Sand. Von Hapgood aber war nirgends eine Spur. Da fiel Basons Blick auf einen dunklen Fleck — an dieser Stelle hatten sie in der Nacht gestanden —, und er sah das Bein eines Menschen. Der Fuß, mit Hosenresten eines blauen Overalls, steckte in einem ihm wohlbekannten Schuh. Daneben lag eine zerdrückte Uhr. Der Fleck da war Blut, und das Stück Bein war alles, was die Marsschlange von seinem Gefährten übriggelassen hatte. Bason zitterte am ganzen Leib. Eine Schwäche in den Knien zwang ihn, sich an die Wand zu lehnen.

Nein, fort aus dieser schrecklichen Welt! … Schluß machen!

Doch plötzlich fuhr er zusammen und ließ die Hand sinken.

Nicht mehr als dreihundert Meter von der Rakete entfernt bewegte sich etwas Glitzerndes, das rasch näher kam.

Die Sonne spiegelte sich hell auf der offenbar metallenen Oberfläche; was für eine Form der Gegenstand hatte, war in dem Gestrüpp nicht zu erkennen. Bason preßte die Stirn gegen die Fensterscheibe und verfolgte den rätselhaften Gegenstand, der genau auf die Rakete zusteuerte.

„Das sieht ja aus wie das Verdeck eines Autos“, sagte er laut vor sich hin. Aber wo sollte auf dem Mars ein Auto herkommen? War der Planet wirklich bewohnt, und Marsmenschen näherten sich dem Weltraumschiff? Sollte das wirklich die Rettung in letzter Minute sein?

Jäh aufkeimende Hoffnung ließ Bason das Herz höher schlagen. Wenn die Marsmenschen ein Gefährt bauen konnten, das nach Erdbegriffen einem Auto glich, dann mußte ihre Technik einen hohen Stand haben.

›Aber vielleicht ist es nur der glitzernde Panzer eines Marstieres?‹ dachte Bason. ›Wer weiß, was noch für Wesen diesen Planeten bevölkern. Der funkelnde Gegenstand näherte sich indessen mit großer Geschwindigkeit. Es war offensichtlich: er hielt auf das amerikanische Raumschiff zu.

Einige Sekunden später wurde Bason klar, daß es sich nicht um ein Tier handelte, sondern um einen Wagen, der von Menschen oder von menschenähnlichen Wesen erbaut worden war. Er erkannte deutlich das weißlackierte Verdeck des geheimnisvollen Autos.

Der Rakete näherten sich denkende Wesen. Noch ein paar qualvolle Augenblicke vergingen, dann schoß, die Pflanzenstengel unter sich zermalmend, ein kleines blendendweißes Raupenfahrzeug auf den Sandplatz heraus, auf dem es scharf bremste und hielt. Hinter den Glasscheiben der Wagenfenster waren Menschen zu sehen. Als der Mann am Steuer sich nach vorn beugte, prallte Bason mit einem dumpfen Aufschrei zurück. Er hatte das ihm von Fotografien her bekannte Gesicht Paitschadses erkannt.

Am Morgen

Von allen Planeten des Sonnensystems ist den Menschen zweifellos derjenige am bekanntesten, den man im Altertum nach dem Kriegsgott Mars benannt hatte. Seinen Namen verdankt der Planet der „blutroten“ Farbe, durch die er sich von den anderen „Wandelsternen“, den Planeten, unterscheidet. Kein Himmelskörper gab Anlaß zu so viel Meinungsverschiedenheiten, Mutmaßungen und Annahmen wie der Mars. Und kein anderer Planet spielte eine so große Rolle in der Entwicklung der Astronomie. Der geniale Kepler entdeckte die Bewegungsgesetze der Planeten eben durch die Beobachtung des Mars.

Besonders große Popularität erlangte der „rote Planet“

seit dem Jahre 1895, als der italienische Astronom Schiaparelli die Vermutung aussprach, die feinen geraden Linien, die er selber auf der Scheibe des Planeten entdeckt hatte, seien künstlich angelegte Kanäle und stellten ein grandioses, von denkenden Wesen erbautes Bewässerungssystem dar. Diese Annahme fand in der breiten Öffentlichkeit großen Anklang, stieß aber in den Kreisen der Astronomen auf ernste Einwände. Die Existenz der „Kanäle“

wurde angezweifelt. Man stellte die Behauptung auf, auch wahllos verstreute dunkle Flecken könnten in der gewaltigen Entfernung wie gerade Linien aussehen. Die alle fünf- bis siebzehn Jahre stattfindenden großen Oppositionen des Mars, bei denen der Planet der Erde am nächsten kommt, brachten keine Klarheit in das heißumstrittene Problem.

Die Frage blieb offen.

Der Mars ist ein kleiner Planet. Sein Durchmesser ist halb so groß wie der der Erde. Infolge seiner geringen Schwerkraft ist die Atmosphäre des Planeten sehr dünn und weist eine ähnliche Dichte auf wie die Luft an der Grenze der Erdatmosphäre. Der Mars ist anderthalbmal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde und empfängt bedeutend weniger Wärme und Energie. Infolge der großen Ent fernung von der Sonne ist die Bahn des Mars bedeutend länger als die der Erde, auch bewegt sich der Planet selbst langsamer. Zu einer vollen Umdrehung braucht er 687 Erdtage. Da aber die Achse des Mars fast in demselben Winkel geneigt ist wie die Erdachse, vollzieht sich auf ihm der gleiche Wechsel der Jahreszeiten wie auf der Erde, nur dauern diese daselbst doppelt so lange. Tag und Nacht wechseln genauso wie auf der Erde und fast in den gleichen Zeiträumen. Eine volle Umdrehung des Mars um seine Achse dauert nur siebenunddreißigeinhalb Minuten länger als eine Erdumdrehung.

Der Mars war — solange Kamows Weltraumschiff noch nicht den Planeten Venus besucht hatte — der einzige Himmelskörper, auf dem die Astronomen Leben vermuteten. Die jahreszeitlich bedingten Veränderungen der Farbe einiger Teile des Planeten erinnerten stark an die entsprechende Verfärbung der Pflanzen auf der Erde im Frühling und im Herbst. Die Existenz von Leben auf dem Mars blieb umstritten, und eben weil diese Frage bei den Erdbewohnern großes Interesse hervorrief, war das Ziel der ersten kosmischen Reise der rätselhafte Planet.