Endlich waren die dreißig Minuten um. Im Lautsprecher knackte es.
„Hier spricht Kamow“, erklang die bekannte Stimme.
„Wie bin ich zu verstehen?“
„Wir hören gut“, antwortete Belopolski.
„Ich höre Sie auch gut. Neues gibt es bisher nicht zu berichten. Wir fahren durch Gelände, das sich von der Umgebung des Raumschiffes in nichts unterscheidet. Haben auch einige Hasen gesehen. Einen hätten wir beinahe überfahren. Er sprang uns genau vor die Gleisketten, aber Arsen Georgijewitsch konnte noch ausweichen. Offenbar gibt es hier sehr viel davon, aber andere Tiere sind nicht zu sehen. Wir werden ständig geraden Kurs halten. Was gibt es bei Ihnen Neues?“
„Nichts. Alles beim alten.“
„Beobachten Sie das benachbarte Gelände. Das nächste Gespräch werden wir genau in einer Stunde führen.“ Die Stimme verstummte. Das ausgeschaltete Mikrofon knackte.
„Bleiben Sie hier, Konstantin Jewgenjewitsch?“ fragte Melnikow.
„Ich gehe ins Labor. Sergej Alexandrowitsch bat mich, den Film von heute zu entwickeln. Ich bin bald wieder zurück.“
„Gehen Sie nur.“ Belopolski sah seinen jungen Gefährten prüfend an. „Gehen Sie nur“, wiederholte er, „und seien Sie unbesorgt! Die beiden werden pünktlich zurückkommen. Es besteht keinerlei Anlaß zur Beunruhigung.
Und sollte es auf dem Mars größere Tiere geben, so werden sie es nicht riskieren, den Geländewagen anzugreifen.“
„Das beunruhigt mich ja auch am allerwenigsten“, erwiderte Melnikow. „Aber stellen Sie sich einmal vor, die Sauerstoff-Flasche wird undicht, und die Atemluft geht ihnen aus. Oder sie haben eine Panne am Motor oder am Wagen. Eine Kette kann reißen — sie werden sie nicht reparieren können. Wenn ihnen das in großer Entfernung vom Raumschiff passiert, sind sie verloren.“
„Boris Nikolajewitsch“, sagte Belopolski, „Sie haben sich meiner Meinung nach schon davon überzeugen können, daß alles, was wir an Bord haben, von bester Qualität ist.“
„Ich weiß, aber trotzdem …“
„Theoretisch besteht eine einzige Gefahr“, fuhr Belopolski fort. „Ich betone: theoretisch. Auf dem Mars kommen Sandstürme vor. Sie sind derartig heftig und erfassen eine so große Fläche, daß wir sie von der Erde aus durch unsere Fernrohre beobachten konnten. Auf der glatten Oberfläche des Mars muß es starke Winde geben, die durch die ungleichmäßige Erwärmung der Luft in den verschiedenen Teilen des Planeten hervorgerufen werden. Diese Winde wirbeln gewaltige Sandmassen auf und tragen sie mit großer Geschwindigkeit fort. Hier liegt tatsächlich eine Gefahr. Aber ich wiederhole, es ist nur theoretisch eine Gefahr. Der Geländewagen ist auch für einen solchen Fall gerüstet. Sein Motor muß damit fertig werden, und den Kurs kann man mit Hilfe des Leitsenders halten. Außerdem sind die Stürme besonders heftig in den Wüsten, die wir gesehen haben, und nicht hier. Immerhin befinden wir uns in einer tiefen Senke. Der Geländewagen wird kaum darüber hinauskommen. Machen Sie sich also keine Sorgen, unsere Freunde werden wohlbehalten zurückkehren.“ Belopolski sprach mit ruhiger Stimme. Seine Argumente waren logisch und begründet, und doch ließ sich Melnikow von der scheinbaren Ruhe des Astronomen nicht täuschen. Ihm fiel auf, daß Belopolski eine Redseligkeit an den Tag legte, die ihm sonst gar nicht eigen war. Er nahm seinen Apparat, kroch durch die Luke und begab sich in sein Fotolabor.
Belopolski sah ihm mit teilnahmsvollem Blick nach. Er hatte für Melnikows Verfassung volles Verständnis. ›Ich habe ihm alle Gefahren aufgezählt, die uns bekannt sind‹, dachte er. ›Aber wieviel andere kann es noch geben, von denen wir nichts wissen! Seufzend wandte er sich der Funkstation zu. Das rote Lämpchen brannte nach wie vor gleichmäßig und beruhigend. Sein dünner Strahl verkündete stumm, daß im Geländewagen alles in Ordnung war.
Die Stunde verging, und zwischen dem Geländewagen und dem Raumschiff fand wiederum ein kurzes Gespräch statt. Es gab nichts Neues. Der Wagen fuhr immer noch durch das gleiche Gelände.
Für Melnikow und Belopolski zog sich dieser Morgen unendlich in die Länge. Die Sonne näherte sich auf ihrer Bahn allmählich dem Zenit. Das draußen angebrachte Thermometer zeigte fünfzehn Grad Wärme.
Dem Stand der Sonne nach war es etwa elf Uhr „Ortszeit“, wie Belopolski sich ausdrückte, als Kamow mitteilte, sie hätten bereits hundert Kilometer zurückgelegt.
„Der Motor arbeitet ausgezeichnet“, sagte er. „Wir fahren noch etwa fünfzig Kilometer und biegen dann nach Süden ab.“
Nach diesem Gespräch waren zwei Stunden vergangen.
Der Zeitpunkt der nächsten Meldung war herangerückt, aber der Lautsprecher schwieg. Der Uhrzeiger hatte schon längst die vereinbarte Zeit überschritten, das Kontrollämpchen zeigte nach wie vor an, daß die Funkstelle des Geländewagens funktionierte, und das leise Knistern im Lautsprecher bezeugte, daß auch die Funkstation des Raumschiffes in Ordnung war; aber es kam kein Anruf.
Belopolski schaltete entschlossen das Mikrofon ein.
„Warum melden Sie sich nicht?“ sprach er laut. „Antworten Sie … Antworten Sie!“ Er wartete und wiederholte die Worte. Melnikow lauschte mit angehaltenem Atem.
„Dem Wagen kann nichts passiert sein“, sagte Belopolski, wobei er sich die redlichste Mühe gab, ruhig zu sprechen. „Die Station ist in Betrieb. Vielleicht sind sie ausgestiegen.“
„Beide?“
Diese Frage ließ Belopolski zusammenzucken. Kamow hatte gesagt, sie würden den Geländewagen unter keinen Umständen gleichzeitig verlassen. Einer von ihnen mußte also im Wagen geblieben sein. Warum antworteten sie nicht?
„Sergej Alexandrowitsch! … Arsen Georgijewitsch! …
Warum schweigen Sie? … Warum schweigen Sie …? Antworten Sie! … Antworten Sie!“
Keine Antwort.
Im Observatorium trat beklommenes Schweigen ein.
Melnikow und Belopolski suchten ihre Unruhe voreinander zu verbergen, ließen aber kein Auge von dem roten Pünktchen der Kontroll-Lampe. Beide fürchteten, das Lämpchen könnte plötzlich erlöschen. Das kaum hörbare Knistern im Lautsprecher kam ihnen so laut vor, daß sie es immer wieder für das langerwartete Knacken des eingeschalteten Mikrofons hielten. Aber Minute um Minute verging, und die Funkstation schwieg beharrlich …
Ein Schuß fällt
Der Geländewagen glitt schnell und leicht über den Sandboden. Die breiten Raupen hinterließen eine deutliche Spur. Da die weißgestrichene Karosserie die Sonnenstrahlen gut reflektierte, war es im Inneren des Wagens nicht heiß. Kamow und Paitschadse fühlten sich auf den weichen, bequemen Sitzen sehr wohl. Die Eintönigkeit der Umgebung wirkte zwar ein wenig ermüdend, aber sie gaben die Hoffnung nicht auf, endlich etwas Interessantes zu erblicken, und schauten aufmerksam nach allen Seiten aus.
Bisweilen mußten sie einen See umfahren, und einmal wäre der Wagen beinahe im Flugsand stecken geblieben. Die Raupen sanken plötzlich in den Boden ein, doch Paitschadse schaltete geistesgegenwärtig auf den Rückwärtsgang, und sie kamen glücklich aus der unerwarteten Falle wieder heraus.
„Ein richtiger Sumpf“, meinte Kamow, „nur daß er aus Sand ist. Diese Stelle muß noch untersucht werden.“
Vom Raumschiff trennten sie bereits mehr als hundert Kilometer, aber dieser Umstand brachte sie keineswegs aus der Ruhe, und der Geländewagen setzte seinen Weg unbeirrt in gleichbleibendem Tempo fort.
Kamow warf einen Blick auf die Uhr. „Halb zwölf. Wir haben hundertvierzig Kilometer zurückgelegt. Es wird Zeit, abzubiegen. Wir erforschen das Gelände noch ungefähr fünfzig Kilometer nach Süden und fahren dann zum Schiff zurück.“
„Soll ich wenden?“
Kamow erhob sich und beobachtete das vor dem Wagen liegende Gelände aufmerksam durchs Fernglas. Überall Sand und Gestrüpp. Er wollte schon die Hand mit dem Glas sinken lassen und die Erlaubnis zu einer Wendung um neunzig Grad geben, als er sich plötzlich mit einem Ruck nach vorn beugte. „Was ist denn das?“ fragte er. „Schauen Sie, Arsen Georgijewitsch!“