Kamow trat wieder auf ihn zu. „Wir müssen den Rückweg antreten“, sagte er. „Bis zu unserem Schiff sind es an die hundertfünfzig Kilometer. Nehmen Sie Ihr privates Gepäck mit. Es ist doch nicht viel?“
„Nein, gar nicht viel“, beteuerte Bason. „Ich bin gleich fertig. Kommen Sie doch mit auf unser Schiff und sehen Sie es sich einmal an! Schade, daß wir es hier zurücklassen müssen. Aber was bleibt uns übrig, wenn sein Kommandant tot ist? Haben Sie denn auf Ihrem Schiff noch Platz für mich?“
„Den haben wir“, erwiderte Kamow lachend. „Bei uns könnten noch zehn Mann unterkommen.“
„Warten Sie, ich lasse die Leiter herunter“, sagte Bason, als sie am Schiff angelangt waren. Aber Kamow griff schon mit beiden Händen nach dem unteren Rand des Türrahmens, zog sich empor und sprang behende ins Innere. Der Amerikaner folgte ihm und schloß die Tür. In der engen Kammer hatten sie zu zweit kaum Platz zum Stehen, um so weniger, als sich auch die Innentür in Angeln bewegte. Kamow staunte über die Enge des Raumes. Freier Platz fand sich sehr wenig. Offenbar hatte das Schiff nur eine Kajüte, in der sich die Besatzung zwischen den Geräten und der gesamten Ausrüstung aufhalten mußte.
Kamow trat ans Steuerpult und betrachtete es aufmerksam.
„Beeilen Sie sich!“ sagte er. „Wir können nicht lange warten. Packen Sie ein, was Sie brauchen.“
Er wollte sich umdrehen, als er plötzlich spürte, wie sich ihm ein Riemen um den Leib schlang. Seine Arme preßten sich fest an die Seiten. Noch einmal wurde der Riemen um ihn herumgeschlungen, und er war gefesselt.
Aber Kamow verlor die Ruhe nicht, gelassen wandte er den Kopf. „Was soll das heißen, Mr. Bason?“
Der Amerikaner gab keine Antwort, setzte sich die Maske auf und verließ rasch das Schiff. Die Tür der Ausstiegkammer klappte hinter ihm zu.
Kamow spannte alle Muskeln an, doch der starke Riemen gab nicht nach. ›Bason ist zu Paitschadse gegangen‹, überlegte er. ›Was hat der Mann vor? Welchen Zweck verfolgt er mit diesem rätselhaften Überfall? Der Amerikaner begab sich unterdessen zum Geländewagen. Der Plan, nach dem er vorgehen wollte, stand für ihn fest. Er war aus der Verzweiflung geboren, in die Bason nach den Erlebnissen der vergangenen Stunden geraten war. Er wollte Paitschadse töten und den Sauerstoff, der sich im Wagen befinden mußte, an sich bringen. Kamow würde dann nichts anderes übrigbleiben, als das amerikanische Raumschiff zur Erde zu fliegen. Sonst dachte er an nichts.
Paitschadse saß im Wagen und wartete geduldig auf Kamow. Die Zeit des vereinbarten Gesprächs mit dem Raumschiff rückte heran. Er war überzeugt, daß der Kommandant diesen Augenblick nicht versäumen würde.
Gleich mußte er herauskommen, sie würden den Freunden von dem unerwarteten Ereignis berichten und den Rückweg antreten. Er sah, wie sich die Schiffstür öffnete und Bason herabsprang. Kamow konnte er nicht sehen.
Bason kam näher und blieb stehen. Paitschadse gefiel der Blick des Amerikaners nicht. Er spürte eine leichte Unruhe und erhob sich. „Was gibt’s?“ fragte er.
Bason riß die Hand hoch. Durch die dünne Luft peitschte der schwache Knall eines Schusses. Paitschadse fiel schwer gegen die Tür, die aufging, und plumpste in den Sand.
Bason zitterte vor Aufregung. Er trat näher, bemüht, den Toten nicht anzusehen. Die Sache mußte zu Ende geführt werden. Ihm blieb keine andere Möglichkeit, die Erde wiederzusehen, wenn er jetzt nicht handelte. Um Kamow jede Fluchtmöglichkeit zu nehmen, mußte er den Wagen unbrauchbar machen.
Den Revolver hielt Bason noch immer in der Hand. Er steckte ihn in die Tasche. Da das Metallgehäuse über dem Motor zugeschraubt war, begann er nach einem Schraubenschlüssel zu suchen. Der mußte im Werkzeugkasten liegen.
Aber wo war der Kasten? Sicherlich unter dem Sitz.
Bason bückte sich.
„Halt! Nicht rühren!“ ertönte da hinter ihm eine Stimme.
Der Amerikaner drehte sich hastig um. Zwei Schritte vor ihm stand Paitschadse. Er hielt in der linken Hand einen Revolver, der auf Basons Kopf gerichtet war.
„Wo ist Kamow? Wenn ihm was passiert ist, schieße ich Sie über den Haufen. Antworten Sie!“
„Ich habe ihn nur gefesselt.“
„Ihr Glück, wenn es so ist!“ Paitschadse atmete erleichtert auf. „Kehren Sie mir den Rücken zu, nehmen Sie den Revolver aus der Tasche und werfen Sie ihn fort!“
Bason gehorchte. Die Erregung von vorhin war verflogen. Sein Wille war gebrochen.
Paitschadse trat mit dem Fuß auf die am Boden liegende Waffe. Nach einigem Zögern steckte er seinen Revolver in den Gürtel und befühlte mit der Linken die Taschen des Amerikaners. „Drehen Sie sich um!“ befahl er dann. „Gehen Sie auf Ihr Schiff zurück. Ich folge Ihnen. Bei der geringsten falschen Bewegung schieße ich.“
„Lassen Sie mich hier“, bat Bason mit matter Stimme.
„Ich möchte nicht wieder zur Erde zurück.“
„Das bestimmt Kamow. Von mir aus können Sie hierbleiben.“
Gesenkten Hauptes begab sich Bason zum Schiff. Er sah nicht, daß Paitschadse taumelte und sich mit der linken Hand an der Wagentür festhielt, um nicht zu fallen. Unter Aufbietung aller Willenskraft überwand Paitschadse seine Schwäche und folgte dem Amerikaner. Sein rechter Arm hing kraftlos von der Schulter herab. „Lassen Sie die Leiter herunter!“ gebot er.
Schweigend führte Bason auch diesen Befehl aus.
Kamow stand ans Schaltbrett gelehnt und blickte den eintretenden Bason fragend an. Als er hinter seinem Rücken Paitschadse bemerkte, lächelte er und nickte, als wollte er sagen: ›Ich wußte, daß es so kommen würde. Bason löste die Riemen.
„Ich danke Ihnen, Arsen Georgijewitsch!“ Kamow streckte ihm die Hand hin. Erst jetzt merkte er, daß sein Gefährte totenblaß war. „Was ist Ihnen? Sind Sie verletzt?“
Paitschadse berichtete kurz den Vorfall. „Die Kugel traf mich in die rechte Schulter“, sagte er. „Ist wohl nicht weiter schlimm. Tut auch nicht sehr weh. Nur schwach bin ich.“
„Na, wir werden gleich sehen!“ sagte Kamow. Sich vor Wut kaum beherrschend, wandte er sich an Bason: „Wo ist hier Verbandzeug?“
Der Journalist zeigte auf einen kleinen Kasten mit einem roten Kreuz auf dem Deckel.
„Helfen Sie dem Verwundeten beim Ausziehen!“
Kamow machte den Kasten auf. Was er brauchte, fand er. Die Kugel war unterhalb des rechten Schlüsselbeins eingedrungen. Als Kamow dann den Rücken des Verwundeten untersuchte, stellte er fest, daß sie im Körper steckengeblieben war. Dadurch wurde die Sache weit ernster.
„Ich fürchte, wir werden um eine Operation nicht herumkommen“, meinte er. „Auf jeden Fall müssen wir so schnell wie möglich zu unserem Schiff zurück.“ Flink und geschickt legte er den Verband an. „So, nun geht’s! Bleiben Sie noch ein Weilchen ruhig sitzen. Sich mit einer solchen Wunde niederfallen zu lassen, war immerhin sehr riskant.“
„Der Angriff kam zu überraschend“, sagte Paitschadse.
„Ich konnte nichts anderes tun. Er hätte sonst noch einmal geschossen und vielleicht besser getroffen. Es war natürlich eine primitive List, aber mir schien, daß er in solchen Dingen noch unerfahren ist. Was er vorhatte, begreife ich nicht. Was wollte er mit dem Überfall bezwecken?“
„Ich glaube, ich habe seine Absicht durchschaut“, antwortete Kamow und fuhr, zu Bason gewandt, auf englisch fort: „Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde mich bereit erklären, mit Ihnen zu fliegen und meine Kameraden im Stich lassen? Als einziges kann ich Ihnen zugute halten, daß Ihnen die Nerven durchgegangen sind. Wenn Sie sich wieder besonnen haben, werden Sie sich selber schämen.
Beeilen Sie sich!“ fuhr Kamow fort. „Nehmen Sie Ihre Sachen und kommen Sie!“