Die eintönige Marsebene schien ohne Leben. Nicht ein einziger „Hase“ zeigte sich auf dem Weg des Geländewagens, der schnell und gleichmäßig Kilometer um Kilometer zurücklegte.
Die beiden Weltraumfahrer schwiegen. Melnikow war sehr erregt, zu stark empfand er die Ungewöhnlichkeit der Fahrt auf dem Planeten, den er von der Erde aus so oft als kleinen rötlichen Stern gesehen hatte. Kamow, der dasselbe bereits am Tage vorher durchgemacht hatte, war ruhig.
„Achtung!“ sagte er plötzlich. „Sehen Sie, da vorn!“ Melnikow führte das Fernglas an die Augen, konnte aber nichts Auffälliges entdecken.
„Sehen Sie nichts?“
„Nein, Sergej Alexandrowitsch.“
„Das ist es eben!“ meinte Kamow. „Vor uns liegt ein Sumpf! Eine richtige Falle. Gestern haben wir ihn auch nicht bemerkt. Gut, daß wir kein großes Tempo drauf hatten, denn wir mußten den Rückwärtsgang einschalten. Sehen Sie, wie die Spur vorn einen Bogen macht?“
Er ließ den Wagen halten. Der „Sumpf“ unterschied sich in nichts vom umliegenden Gelände, nur daß der Sand ein wenig dunkler war und die Gewächse sich höher erhoben als auf den anderen Stellen.
„Wenn man im Schritt fährt, kann man solch einen ›Sumpf‹ rechtzeitig entdecken“, sagte Kamow. „Aber selbst bei dreißig Kilometer Geschwindigkeit werden sie einem schon gefährlich. Wer weiß, wie tief sie sind.“
Sie setzten die Sauerstoffmasken auf und stiegen aus.
„Halten Sie recht oft nach allen Seiten Ausschau“, riet Kamow. „Wenn uns eine solche Schlange überrascht, von der Bason sprach, kann es ein schlimmes Ende nehmen.“
Sie standen zwar auf einem freien Platz, doch in der Nähe wuchsen viele Pflanzen, die die Sicht behinderten. Das an die Naturbedingungen des Mars gewöhnte Raubtier konnte sich leicht an die Menschen heranschleichen.
„Wir müssen möglichst schnell fertig werden“, sagte Kamow. Er sprach leise, und in seiner Stimme klang verhaltene Erregung.
Während Melnikow den Revolverlauf fester umklammerte, starrte er angestrengt zu der nahen Pflanzengruppe hinüber. Ihm war, als regte sich dort etwas unter den langen Blättern. Instinktiv trat er an Kamow heran. „Dort ist etwas“, flüsterte er.
Kamow blickte in die Richtung, in die die Hand seines Begleiters wies, riß dann den Revolver hoch und schoß.
„Es ist nichts, wie Sie sehen“, sagte er. „Bewahren Sie nur ruhig Blut, obwohl es hier wirklich unheimlich ist.“
Der Knall des Schusses hatte auf Melnikow beruhigend gewirkt, er schämte sich seines Kleinmuts, steckte den Revolver in den Gürtel seines Overalls und begann Kamow zu helfen. Zu zweit schleppten sie die Winde aus dem Geländewagen, stellten sie auf und schlossen den Motor mit Hilfe von Gummikabeln an den Akkumulator des Wagens an. Kamow nahm eine Eisenstange mit zugespitztem Ende und ging, den Sandboden abtastend, langsam vorwärts. Der Boden schwankte. „Das ist kein gewöhnlicher Sumpf wie auf der Erde“, meinte er, „das ist etwas anderes.“ Er hatte erst fünf oder sechs Schritte getan, als die Stange plötzlich seiner Hand entglitt und im Sand verschwand. Kamow blieb wie angewurzelt stehen.
„Man möchte beinahe glauben, daß unter der Sandschicht Wasser ist“, sagte er, „aber auf Wasser kann sich Sand nicht halten. Unser Glück, daß wir gestern nicht an diese Stelle geraten sind. Der Wagen hätte genauso versinken können wie die Stange.“ Er trat einen Schritt zurück.
„Prüfen wir mal, wie tief es hier ist.“
Melnikow holte aus dem Wagen einen langen, spitzen Eisenstab, der mehrere durchgehende Löcher aufwies. An dem Stab war ein Drahtseil befestigt. Vorsichtig setzten sie ihn an der Stelle auf, wo vorhin die Stange verschwunden war, und ließen ihn los. Der Stab versank ebenfalls im Nu.
Das Seil, das sich von einer Trommel abwickelte, glitt über den Sand und verschwand in dem Abgrund. Die Schnelligkeit, mit der es sich abwärts bewegte, zeigte eindeutig, daß der Stab auf keinerlei Hindernis stieß. Das Seil zwischen der Winde und der Meßstelle grub sich immer tiefer in den Sand ein; um es weiter verfolgen zu können, traten Kamow und Melnikow zur Winde zurück, die neben dem Geländewagen stand. Nach einer Minute hatte sich das tausend Meter lange Seil vollständig abgerollt und spannte sich fast senkrecht nach unten.
„Ein wirklich bodenloser Abgrund“, sagte Kamow. Er schaltete den Motor ein, die Trommel drehte sich nun andersherum und spulte das Seil wieder auf. In den Löchern des Eisenstabes fand sich der gleiche Sand wie an der Oberfläche.
„Sie können sich in den ersten Sekunden gefüllt haben“, meinte Kamow. „Wir haben noch nicht den Beweis dafür, daß die Sandschicht tausend Meter hinunterreicht.
Aber der Stab ist völlig trocken. Demnach gibt es unter der oberen Schicht kein Wasser. Warum ist er aber frei gefallen? Versuchen wir es noch mal mit einem längeren Seil.“
Der Versuch wurde wiederholt. In tausenddreihundertzwanzig Meter Tiefe stand der Stab still. Als man ihn wieder hochzog, fand man in den Löchern den gleichen Sand.
Kamow setzte sich auf dem Funkwege mit Belopolski in Verbindung und erstattete ihm Bericht. „Probieren Sie es doch an anderen Stellen“, riet Belopolski.
Der „Sumpf“ umfaßte eine Fläche von etwa einem Hektar. Noch drei Stunden lang maßen Kamow und Melnikow die Tiefe, wobei sie das „Ufer“ entlanggingen, ohne jedoch einen Versuch von der Mitte aus zu riskieren. Das Ergebnis war überall das gleiche. Allem Anschein nach gab es an dieser Stelle unter der Marsoberfläche einen tiefen Schacht, angefüllt mit Sand, der aus unbekannten Gründen keine große Dichte aufwies. Die Tiefenmessung mit Hilfe eines Echolots ergab dasselbe Resultat: tausenddreihundertzwanzig Meter. Der zutage geförderte Sand wurde fürsorglich in Blechbüchsen verwahrt.
„Mit den Geräten, die wir besitzen“, sagte Kamow, „können wir nicht mehr tun. Dieses Rätsel werden spätere Expeditionen lösen.“
Sie wollten eine der auf dem „Sumpf“ wachsenden Pflanzen mitnehmen, die etwas höher waren als die neben dem Raumschiff und auch von anderer Struktur sein konnten. Wider Erwarten erwies sich das als ein schwieriges Unterfangen. Kamow tastete den Boden um die ausgewählte Pflanze ab; als er sich überzeugt hatte, daß man hier nicht Gefahr lief zu versinken, begann er die Wurzeln freizulegen. Melnikow stand Wache und beobachtete das Gelände. Mehrere Male wechselten sie sich ab. Die Gewächse hatten unzählige, ineinander verflochtene Wurzeln, was die Arbeit sehr erschwerte. Melnikow schlug vor, die Pflanze mit Hilfe der Winde loszureißen, aber Kamow lehnte das entschieden ab. „Wir müssen sie in unversehrtem Zustand auf die Erde bringen“, erklärte er. „Die Winde könnte die Wurzeln abreißen.“
Nach zwei Stunden angestrengter Arbeit hatten sie es geschafft. Die Marspflanze wurde vorsichtig aus dem Sand gezogen, auf das flache Verdeck des Wagens gelegt und mit einem breiten Riemen festgebunden, auf eine Weise, daß weder der Stiel noch die sorgsam hingebetteten Wurzeln beschädigt wurden. Auf dem Raumschiff sollte die kostbare Fracht im Kühlraum die Reise zur Erde antreten, um dort in den Laboratorien eines botanischen Instituts einer gründlichen Untersuchung unterzogen zu werden.
Der Geländewagen jagte wieder im alten Tempo der Spur vom Vortag nach.
Plötzlich, in etwa fünfzig Meter Entfernung war ein riesiges Tier aus dem Gesträuch auf den Weg gesprungen. Kaum hatten sie sein silbriges Fell und die lange, einem Krokodilsrachen ähnelnde Schnauze erkennen können, da duckte sich das Tier angesichts des rasch näher kommenden Geländewagens zu Boden und verschwand mit einem gigantischen Sprung wieder im Gebüsch.
Kamow trat in voller Fahrt auf die Bremse der rechten Gleiskette. Mit einer scharfen Wendung schoß der Wagen, die Sträucher unter sich zermalmend, ins Gebüsch hinein und nahm die Jagd auf.
„Setzen Sie die Maske auf!“ rief Kamow erregt. „Halten Sie den Apparat bereit! Wir müssen es um jeden Preis fotografieren!“