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Nachdem Kamow Hunger und Durst gestillt hatte, forschte er nach Schreibpapier. Hapgood war Wissenschaftler, sagte er sich, er muß Beobachtungen angestellt und niedergeschrieben haben.

Neben dem Steuerpult stand ein großer gelber Lederkoffer. Die Schlösser ließen sich nicht öffnen. Der Schlüssel fehlte. ›Das muß Hapgoods Koffer sein‹, überlegte Kamow. Sicherlich hat er darin seine Notizen verwahrt.‹ Die Schlösser waren stark und machten ihm lange zu schaffen.

Endlich war der Koffer geöffnet. Zwei dicke Hefte lagen obenauf. Kamow sah sie flüchtig durch und legte sie beiseite. Sie enthielten Aufzeichnungen astronomischer Beobachtungen. Ganz unten, auf dem Kofferboden, lagen eine lederne Aktentasche und ein Bündel Zeichnungen.

Kamow machte die Mappe auf. Ihr Inhalt waren engbeschriebene Blätter. Schon ein flüchtiger Blick genügte ihm, um zu begreifen, was das war. Kamow stockte der Atem.

In qualvoller Erregung griff er nach dem Bündel und schnürte es auf. Oh, wenn er das gewußt hätte — er wäre sofort hierhergeeilt! Was er jetzt vor Augen hielt, könnte ihn gerettet haben.

Vor ihm lag das Projekt des amerikanischen Raumschiffes. Was für ein Hohn des Schicksals, ihm diesen Fund in die Hände zu spielen, jetzt, da er völlig nutzlos für ihn war!

Zuviel Zeit hatte er schon verloren …

Kamow sah mechanisch Hapgoods Aufzeichnungen durch und suchte, ohne sich dessen bewußt zu sein, nach den Daten über die Geschwindigkeit des Schiffes.

„30,75 km in der Sekunde.“

„Und die Erde bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von neunundzwanzig Komma sechsundsiebzig“, sagte er laut. Die Bogen entglitten seinen Händen. Zu spät!

Mit knapp einem Kilometer in der Sekunde mehr konnte er die verlorene Zeit nicht wettmachen. Dieser Kilometer ermöglichte eine Einsparung von höchstens dreißig Stunden, und auch die drei Stunden, die Kamow zur Verfügung standen, um sich mit dem Raumschiff vertraut zu machen, reichten bei weitem nicht aus. Der Hoffnungsfunke erlosch.

Etwa zwei Stunden lang studierte Kamow das Projekt. In die Welt der Technik vertieft, vergaß er ganz seine verzweifelte Lage. Die Zeit hörte für ihn auf zu existieren.

Doch plötzlich zuckte er zusammen, und seine Augen hefteten sich auf eine kurze Formel, die mit einem Male ins Riesenhafte wuchs und alles andere verdrängte.

Aber natürlich! Daß er daran nicht gedacht hatte! Fünfzig Meter! — eine Beschleunigung, bei der sich die Schwerkraft verfünffacht!

Nun wurde ihm auch klar, welche Bewandtnis es mit den Aluminiumkästen und dem daran angeschlossenen Wasserbehälter hatte. Er bezweifelte jedoch, daß das Wasserbad den Schaden, den der Organismus durch eine solche Beschleunigung erleiden mußte, verringern konnte.

Aber wenn Hapgood nicht an eine begrenzte Beschleunigung gebunden war, dann hatte sein Motor vielleicht genügend Reserven, um auch diese Geschwindigkeit noch zu überschreiten …

Zum dritten Male im Lauf eines Tages keimte in Kamow die Hoffnung auf Rettung auf. Nachdem er die technischen Daten des Motors gefunden hatte, war es ihm ein leichtes, festzustellen, daß sich die Beschleunigung auf fünfund-fünfzig Meter erhöhen ließ.

Das entschied alles. Zwar konnte ihn eine derartige Beschleunigung gleich in den ersten Flugminuten töten, aber es war die einzige Möglichkeit, die Erde einzuholen.

Die Erde

Am 11. Februar um acht Uhr morgens fanden wir uns alle im Observatorium ein. Die letzten Flugstunden brachen an.

Die Erde war ganz nahe. Im Schiff war alles „klar zur Landung“. Ich hielt wie immer meine Apparate bereit und stand an meinem Fenster. Paitschadse hantierte an seinen astronomischen Geräten. Er war in diesen Wochen zusehends abgemagert. Arsen Georgijewitsch trug an dem Verlust am schwersten von uns allen. Er und Kamow hatten sich sehr gut verstanden. Die unvergeßlichen Stunden ihrer historischen Mondfahrt hatten sie eng miteinander verbunden.

Um acht Uhr dreißig war das Schiff mit dem Erdtrabanten auf gleicher Höhe. Wir flogen in etwa zweihundert Kilometer Abstand an ihm vorbei. Gleich danach erblickten wir den heimatlichen Planeten.

Mein Herz begann freudig zu schlagen. Die Kehle war mir wie zugeschnürt. Die Erde! Sie leuchtete vor dem schwarzen Hintergrund des Raumes als bläuliche Scheibe, umgeben von dem schmalen Lichthof der schimmernden Atmosphäre. Das Schiff flog genau auf sie zu.

Ebenso wie beim Anflug der Venus sollte das Raumschiff die Landung auf der Erde in siebenundvierzig Minuten bewältigen und einundvierzigtausend Kilometer von der Erdoberfläche entfernt mit dem Abstieg beginnen.

Als die Motoren zu bremsen begannen, waren wir der Erde schon so nahe, daß ich mühelos Asien erkannte, das von hellem Sonnenschein überflutet war. Europa umhüllte noch der Schatten der Nacht. Ohne es zu merken, waren wir in die Atmosphäre eingetaucht.

Ich hatte gedacht, unser Schiff würde direkt über Moskau niedergehen, aber als er in dreißig Kilometer Höhe zum horizontalen Flug ansetzte, sah ich unter uns die Berge des Ural. Belopolski führte das Schiff westwärts und ging allmählich immer tiefer. Wir näherten uns Moskau.

Das Schiff war in tausend Meter Höhe, als am Horizont das Panorama der Hauptstadt auftauchte. Das Raumschiff hielt auf den Raketenflugplatz zu.

Unter uns sahen wir das riesige Rollfeld. Von dort hatten wir unsere Reise angetreten. Nun kehrten wir wieder zu ihm zurück. Menschenleer lag es da unter seiner glatten weißen Schneedecke. Von der hohen Einfassungsmauer grüßten unzählige Fahnen herauf. Zahlreiche Freunde hatten sich zu unserem Empfang eingefunden.

Die letzte Schleife. Wir landeten. Die Motoren verstummten. Weich setzten die Räder auf dem Boden auf.

Belopolski öffnete die beiden Türen der Ausstiegkammer vom Pult aus. Die Aluminiumleiter rasselte in den Schnee.

Nacheinander verließen wir das Schiff.

Einem Auto entstieg Akademiemitglied Woloschin, der Vorsitzende der Regierungskommission. Er kam auf uns zu.

Belopolski legte die Hand grüßend an den Helm. Gleich würde er Woloschin die Erfüllung des Auftrags melden und in der knappen Sprache des Rapports vom Tod des Raumschiffkommandanten berichten, und nur drei Schritte entfernt stand freudestrahlend, einen riesigen Blumenstrauß im Arm, Serafima Petrowna Kamowa. Sah sie denn nicht, daß ihr Mann nicht unter uns war? Warum zeigte Woloschin keinerlei Verwunderung darüber, daß ihm Belopolski Bericht erstattete und nicht Kamow?

Die furchtbaren Worte waren gesprochen, aber auf Serafima Petrownas Gesicht lag immer noch das Lächeln von vorhin.

Nach dem Rapport umarmte Woloschin den Schiffskommandanten. „Ich beglückwünsche Sie zum glanzvollen Abschluß der ersten kosmischen Reise“, sagte er laut.

„Durch Ihre glückliche Rückkehr haben Sie unserer Heimat ein herrliches Geschenk gemacht. So nehmen denn auch Sie ein Geschenk in Empfang.“

Die Mitglieder der Kommission traten auseinander. Mit Blumen im Arm schritt rasch der Mann auf uns zu, dem all unsre Gedanken in den vergangenen sechs Wochen gegolten hatten: Heil und munter, mit freudestrahlenden Augen, stand vor uns Sergej Alexandrowitsch Kamow.

Kamow und Paitschadse stürzten einander in die Arme.

* * *

Die kosmische Reise ist beendet. Der erste Versuch, zu anderen Planeten vorzudringen, ist geglückt.

In knapp siebeneinhalb Monaten hat unser Weltraumschiff zwei Planeten des Sonnensystems besucht und ist nach einem Flug von mehr als einer halben Milliarde Kilometern wieder zur Erde zurückgekehrt.

Wir werden uns zu vielen weiteren Reisen rüsten. Unsere Weltraumschiffe werden auf unzähligen Flugbahnen durch die Weiten des Universums ziehen. Sie werden alle die Geheimnisse ergründen, die von der Natur heute noch eifersüchtig gehütet werden. Der forschende Blick des Menschen wird in die entferntesten Winkel unserer Welt, unseres Sonnensystems, dringen. Der Erkenntnis sind keine Grenzen gesetzt!