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Wird die Bordwand in einem Augenblick durchschlagen, da sich jemand in der Kajüte aufhält, und ist die Explosion nicht allzu stark, so kann sich der Betreffende retten, indem er ein Pflaster auf die Einschlagstelle legt. Solche Pflaster liegen überall in verschiedenen Größen griffbereit.

Soeben hatte Paitschadse die Kajüte „betreten“. Um die Schranktür zu öffnen, nahm er eine solche Stellung ein, daß er im rechten Winkel über meinem Kopf hing.

Ich wußte, daß sowohl er als auch die im Schrank enthaltenen Gegenstände nicht auf mich herunterfallen konnten, aber die Macht der „irdischen“ Gewohnheit ließ mich eine Bewegung zur Seite tun. Das Heft flog sofort in die entgegengesetzte Richtung.

Paitschadse bemerkte es und lachte. Er nahm ein Gerät aus dem Schrank und glitt dann durch eine geschickte Wendung in der Luft an meine Seite. Dabei gelang es ihm, mein Heft aufzufangen. „Darf ich darin lesen?“ fragte er.

Ich nickte. Er studierte aufmerksam die letzten Seiten.

„Die physikalischen Erscheinungen in dem Schiff sind gut geschildert“, sagte er, als er mir das Heft zurückgab, „warum haben Sie aber den Start nicht beschrieben?“

„Dieses. Tagebuch ist nur ein Konzept“, sagte ich. „Ich schreibe, wie es gerade kommt. Den Start schildere ich noch.“

„Man darf nie etwas tun, wie es gerade kommt!“ Er legte mir die Hand auf die Schulter, worauf ich sogleich etwas absackte. „Sie nehmen mir’s doch nicht übel, was?“

„Aber nein, Arsen Georgijewitsch! Natürlich nicht.“

* * *

In der Nacht vor dem Start schlief ich wider Erwarten gut.

Punkt sieben Uhr holte mich Paitschadse mit dem Wagen ab. Ich nahm meinen kleinen Koffer, der mich auf allen meinen Reisen begleitet hatte, und bestieg den Wagen mit einem Gefühl der Erleichterung. Endlich hatte das Warten ein Ende. Nun gab es kein Zurück mehr! Der Wagen ließ das Dynamo-Stadion hinter sich und jagte die Leningrader Chaussee entlang. Unser Raumschiff sollte seine Reise vom Ufer der Kljasma aus antreten. Von dort war Kamow bereits zu seinen ersten beiden Flügen gestartet.

Als wir ankamen, war es neun Uhr morgens.

Der von einer hohen Mauer umgebene Raketenflugplatz stellte ein riesiges Feld von fünfzehn Kilometer Durchmesser dar. In der Mitte des Flugfeldes erwartete uns das startbereite Schiff. Es ruhte dreißig Meter über dem Erdboden auf dem stählernen Gerüst des Startturms. In einem großen einstöckigen Gebäude, das wir im Scherz „Weltraumbahnhof“ nannten — es beherbergte Werkstätten und Laboratorien zur Instandhaltung des Schiffes —, trafen wir Kamow, Belopolski und die Mitglieder der Regierungskommission.

Paitschadse und ich waren die letzten. Kamow unterhielt sich mit dem Vorsitzenden der Kommission, dem Akademiemitglied Woloschin. Belopolski setzte sich gleich, nachdem er uns begrüßt hatte, in den Wagen und fuhr zum Schiff. „Es ist Zeit!“ sagte er.

Woloschin umarmte ihn. Er war sichtlich erregt. „Wir wünschen Ihnen von ganzem Herzen Erfolg!“ sagte er.

„Nun werden wir es kaum erwarten können, bis Sie zurückkehren.“

Er umarmte auch Paitschadse und mich, und dann verabschiedeten wir uns von den anderen Kommissionsmitgliedern. Alle waren sehr aufgeregt, nur Kamow schien die Ruhe selbst.

Ein letzter Händedruck, letzte gute Wünsche, und der Wagen fuhr an. Acht Minuten später waren wir am Schiff.

Belopolski erwartete uns am Aufzug. Neben ihm stand Ingenieur Larin, der Leiter der technischen Vorbereitungen.

Bis auf ihn hatte das gesamte Flugplatzpersonal den Startplatz bereits verlassen.

Über unseren Köpfen, etwa zehn Stockwerke hoch, schimmerte der weiße Rumpf des Raumschiffes in der Sonne. Siebenundzwanzig Meter lang und sechs Meter breit, erinnerte es in seiner Form an eine riesengroße Melone.

Kamow wechselte einige Worte mit Larin, worauf der Ingenieur sich von uns verabschiedete und mit seinem Wagen wegfuhr. Es war fünfzehn Minuten vor zehn. Mit Larins Abfahrt war unsere letzte Verbindung zu den Menschen abgebrochen.

„Gehen wir!“ sagte Kamow.

Der Aufzug beförderte uns rasch zur Plattform hinauf.

Von dieser Höhe aus konnte man den ganzen Raketenflugplatz überblicken. Das letzte, was ich sah, ehe ich durch die Eingangsöffnung des Schiffes kroch, war eine fern am Horizont aufsteigende rote Rakete.

„Schnell!“ sagte Kamow. Er folgte mir, und wir schlossen durch einen Druck auf den Knopf die Luke.

„Was ist das für eine Rakete?“ fragte ich Kamow.

„Das Zeichen, daß es bis zum Start nur noch zehn Minuten sind“, antwortete er.

Wir befanden uns nun im vorderen Teil des Schiffes mit dem Observatorium und dem Leitstand. Der Raum war von elektrischem Licht durchflutet.

Paitschadse reichte uns große Lederhelme. Ich fragte, wozu wir sie brauchten.

„Zum Schutz der Ohren“, erwiderte er. „Setzen Sie den Helm auf, ziehen Sie die Riemen fest an, und legen Sie sich hin.“ Er wies auf eine breite Matte, die auf dem Fußboden lag. „Die Beschleunigung beträgt zwanzig Meter.

Das ist nicht viel, aber im Liegen kann man’s leichter ertragen. Es wird fast eine halbe Stunde dauern.“

„Wir werden also gar nichts sehen?“ fragte ich enttäuscht.

„Doch. Wenn die Motoren aussetzen, öffnen wir die Fenster.“

Er setzte sich den Helm auf und legte sich zu Belopolski auf die Matte. Mir blieb nichts anderes übrig, als es ihm gleichzutun.

Kamow, der den gleichen Helm aufhatte wie wir, nahm in dem Ledersessel am Steuerpult Platz und ließ die Stoppuhr nicht aus den Augen. Dieser Sessel, der mit dem Pult ein Ganzes bildet, kann sich mit ihm, entsprechend der Schiffslage, nach allen Richtungen drehen. Er wird nur beim Start und in der Nähe von Planeten benutzt. Unterwegs, wenn die Schwerkraft im Raumschiff aufgehoben ist, braucht man ihn natürlich nicht mehr.

Ich schaute auf die Uhr. Zwei Minuten vor zehn.

Was ich in diesem Augenblick empfand, ist schwer zu beschreiben. Meine Erregung hatte sich bis zur Qual gesteigert.

Noch eineinhalb Minuten … Noch eine Minute.

Dreißig Sekunden … Zwanzig … Zehn …

Kamow warf einen Hebel am Pult herum, dann noch einen. Durch den Helm, der die Ohren fest umschloß, war ein zunehmendes Dröhnen zu hören. Ich fühlte, wie der Schiffsleib erbebte. Dann drückte mich eine sanfte Gewalt fest zu Boden. Mein Arm mit der Uhr sank unwillkürlich herab. Ich mußte mich anstrengen, ihn wieder zu heben. Er war merklich schwerer als sonst.

Eine Minute nach zehn …

Wir flogen also schon!

Das Dröhnen nahm jetzt nicht mehr zu, war aber so stark, daß es ohne den über den Kopf gestülpten Schutzhelm wohl kaum zu ertragen gewesen wäre.

Das Schiff steigerte mit jeder Sekunde seine Geschwindigkeit um zwanzig Meter und flog immer schneller.

Ich bedauerte, daß ich die entschwindende Erde nicht auf die Platte bannen konnte. Das wären sehr effektvolle Aufnahmen geworden.

Die Zeit verging. Seit dem Start waren etwa fünfzehn Minuten verstrichen. Wir befanden uns weit außerhalb des Bereichs der Atmosphäre und flogen im luftleeren Raum.

Mich ergriff fieberhafte Ungeduld. Ich konnte einfach nicht mehr still liegen. Der Lärm, den unsere Atomdüsenantriebe verursachten, zerrte an den Nerven und weckte den quälenden Wunsch, wenigstens für einen Augenblick davon befreit zu sein.

Etwa zwanzig Minuten nach dem Start stand Kamow plötzlich auf und trat an eines der Fenster. Er schob die Fensterplatte etwas beiseite und sah durch einen schmalen Spalt hinaus. Ich hätte viel darum gegeben, an seiner Stelle zu sein.

Die letzten Minuten zogen sich unglaublich in die Länge.

Es blieben noch drei Minuten, noch zwei …

Unser Schiff erreichte allmählich die ungeheure Geschwindigkeit von achtundzwanzigeinhalb Kilometern in der Sekunde. Nach dem Verstummen der Motoren würden wir mit dieser Geschwindigkeit vierundsiebzig Tage lang fliegen, bis wir die Venus erreicht haben.