Hat man erst einmal ein warmes Sumpfland, sei es nun mit Süß- oder Salzwasser, ist man bereits gut im Geschäft. Erste Gerüche machen sich im Zylinder bemerkbar, und auch hydrologische Probleme. Nun können Fisch-, Amphibien-, Landtier- und Vogelpopulationen eingeführt werden, und das sollten sie auch, wenn man ein schnellstmögliches Anwachsen der Biomasse erreichen möchte. Doch hier muss man eine mögliche Gefahr beachten: Ist eine Sumpflandschaft erst einmal etabliert, verliebt man sich möglicherweise in sie. Das ist natürlich nett, aber es kommt ein bisschen zu häufig vor. Wir haben inzwischen zu viele Brackwasserbiome und nicht genug von den anderen Biomen, die wir hier draußen zusammenbrauen wollen.
An diesem Punkt sollte man also versuchen, Distanz zu wahren und seinen Sumpf beispielsweise nicht zu bevölkern oder sich während dieser Phase von ihm fernzuhalten. Oder man tritt einem Tauschring bei, bei dem man seine Asteroiden im Sumpfstadium gegen andere eintauscht, an deren Biomen man noch nicht hängt und die man weiter verändert.
Angesichts der durch den Sumpf erzeugten beträchtlichen Biomasse kann man dann unter Verwendung des Aushubs, den man für eben diesen Moment auf der Asteroidenoberfläche aufbewahrt hat, Festland anlegen. Hügel und Berge sehen toll aus und geben dem Gelände Charakter, also nur Mut! Durch diesen Vorgang wird das Wasser in neue Systeme umgeleitet, und das ist der beste Zeitpunkt, um neue Spezies einzuführen und überzählige an jüngere Terrarien weiterzugeben, die sie vielleicht gebrauchen können.
Im Laufe der Zeit kann man das Innere seines Terrariums so in eines der 832 bekannten terranischen Biome verwandeln, oder man kann seine eigene Insel Ascension erschaffen. (Man sollte allerdings bedenken, dass viele Ascensions in sich zusammenfallen wie missglückte Soufflés. Für ein erfolgreiches Ascension gibt es so viele Schlüsselfaktoren, dass ich ein eigenes Buch dazu schreiben musste, Biom-Kombinationen leicht gemacht, jetzt lieferbar.)
Am Ende muss man dann noch einmal zahlreiche Anpassungen an den Temperaturverhältnissen, Landschaftsformen und Spezies vornehmen, um den stabilen Endzustand zu erreichen, den man sich wünscht. Jede denkbare Landschaftsform kann erzeugt werden; manchmal sind die Ergebnisse schlichtweg atemberaubend. In jedem Fall krümmt sich die Landschaft um einen herum empor, bis beide Enden sich weit über einem treffen, sodass das Panorama einen wie ein Kunstwerk einhüllt – ein Goldsworthy im Innern eines Felsbrockens, wie ein Geode oder ein Fabergé-Ei.
Natürlich kann man auch völlig flüssige Innenräume erzeugen. Manche dieser Aquarien oder Ozeanarien enthalten Inselarchipele. Andere bestehen nur aus Wasser, einschließlich der Wände, die zuweilen wieder durchsichtig eingefroren sind, sodass sie wie durchs All treibende Diamanten oder Wassertropfen aussehen. Manche Aquarien haben nicht einmal Luft in der Mitte.
Was Aviarien angeht: Jedes Terrarium und die meisten Aquarien sind gleichzeitig Aviarien, die bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit mit Vögeln vollgestopft sind. Es gibt fünfzig Milliarden Vögel auf der Erde und zwanzig Milliarden auf dem Mars; doch wir mit unseren Terrarien haben mehr als beide zusammen.
Jedes Terrarium ist ein Inselpark für die darin lebenden Tiere. Ascensions führen zu Hybridisierung und damit letztlich zum Entstehen neuer Arten. Die traditionelleren Biome bewahren Arten, die auf der Erde massiv gefährdet oder in freier Wildbahn ausgelöscht sind. Manche Terrarien sehen sogar wie Zoos aus, doch mehr von ihnen sind reine Refugien für wild lebende Arten. Die meisten bestehen sowohl aus Wildparks als auch menschenbewohnten Räumen, die einander in Form regelmäßig angelegter Habitatkorridore abwechseln, was die Artenvielfalt im Gesamtbiom maximiert. Solche Räume sind bereits jetzt lebenswichtig für die Menschheit auf der Erde. Und dann gibt es auch noch die stark landwirtschaftlich ausgerichteten Terrarien, Farmwelten, die einzig und allein dazu dienen, das zu produzieren, was mittlerweile einen Großteil der Nahrungsmittel ausmacht, von denen die Erdbevölkerung lebt.
All diese Tatsachen sollte man zur Kenntnis nehmen und sich an ihnen erfreuen. Wir brauen unsere kleinen Weltenblasen zu unserem eigenen Vergnügen zusammen, wie andere eine Mahlzeit kochen oder etwas bauen oder einen Garten anlegen – aber gleichzeitig handelt es sich dabei um einen historisch neuen Vorgang und das Herzstück des Accelerando. Ich kann diese Tätigkeit gar nicht wärmstens genug empfehlen! Die Anschubkosten sind zwar nicht zu verachten, aber dort draußen gibt es immer noch viele Asteroiden, auf die bislang niemand einen Anspruch erhoben hat.
Wahram und Swan
Obwohl es sich bei ihnen zweifellos lediglich um die technische Lösung für ein technisches Problem handelte, waren die Startschleudern des Merkur auch in ästhetischer Hinsicht interessant. Der Tunnel einer Magnetschwebebahn war zu einem Kegel gekrümmt, der auf der Spitze stand und nach oben breiter wurde. Die Kegelspitze war an einer Plattform befestigt, die sich auf einer Kreisbahn bewegte, der Durchmesser des Kreises entsprach in etwa der größten Breite des Kegels. Diese Drehung verstärkte sehr effektiv die Beschleunigung der Magnetschwebe-Fähren, während sie in die Höhe geschleudert wurden. Also saßen sie seitlich zum Boden in ihrer Fähre, aber während sie herumwirbelte, wanderte der Boden des Gefährts spürbar nach unten, ehe sie mit schwindelerregender Geschwindigkeit ins All geschossen wurden, so schnell, dass sie im selben Moment, in dem sie den Tunnel verließen, zu Holzkohle verbrannt wären, hätte es draußen eine Atmosphäre gegeben. Wenn man den Vorgang vom Raumhafen aus beobachtete, erinnerte er an eine Art Achterbahnfahrt auf einem Jahrmarkt aus alter Zeit. Im Innern der Fähre erlebte man deutliche Beschleunigungskräfte, die beinahe das bei Passagierreisen zulässige Maximum von 3,5 g erreichten.
Swan Er Hong hatte sich, kurz bevor sie abhob, im Sitz neben Wahram angeschnallt, und entschuldigend das Gesicht verzogen, um sich für ihre unvermeidliche Verspätung zu entschuldigen. Jetzt beugte sie sich zu ihm hinüber, um aus dem kleinen Fenster auf die rasch zurückfallende Kraterlandschaft ihrer Heimatwelt zu schauen. Schnell verwandelte sich das Land von einer Ebene zu einer Kugel, die aus einer dünnen, in Sonnenlicht gebadeten Sichel und einer geschwollenen schwarzen Nachtseite bestand. Der Merkur war ein interessanter Ort, aber Wahram hatte nichts dagegen, ihn zu verlassen. Obwohl die Einheimischen sich alle Mühe gaben, sie mit Kunst etwas reizvoller zu gestalten, war seine Oberfläche eine verkohlte Schlackewüste. Und wenn er ehrlich war, hatte ihn während seines Aufenthalts in dieser erstaunlichen fahrenden Stadt das plötzliche Aufblitzen auf westlich gelegenen Erhebungen immer wieder an die Sonne erinnert, die sie unerbittlich verfolgte und ständig kurz davor stand, den Horizont zu zerfetzen und alles in Schutt und Asche zu legen.
Ihre Fähre war zum Terrarium Alfred Wegener unterwegs, das sich so schnell bewegte, dass sie eine weitere Beschleunigungsphase bei 3 g durchlaufen mussten, um es einzuholen. Währenddessen stellte Wahram seinen Sitz zum Bett um und ließ die Andruckkräfte über sich ergehen wie alle anderen auch. Gegenüber stöhnte Swan und krümmte sich auf ihrer Liege zusammen. Wahram zwang sich, nicht an die Studien über die Auswirkungen von G-Kräften auf das menschliche Gehirn nachzudenken – dieses empfindliche Organ, das ungepolstert in seinem harten Gefängnis lag. Dann fing das Wegener-Terrarium sie ein, zog sie an sich und gab ihnen noch einen weiteren Schub, als wollte es ihn an seine Sorgen erinnern.
Anschließend mussten Wahram und die anderen Passagiere sich in der plötzlichen Schwerelosigkeit zurechtfinden und sich von der Fähre ins Dock des Terrariums hangeln, schließlich ging es durch den Flaschenhals und eine breite, gepolsterte Treppe zum Zylinderboden hinunter.