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»Was ist mit den Venusianern? Werden sie uns das, was du hier vorhast, erlauben?«

»Shukra und seine Gruppe stehen hinter uns. Die befinden sich hier in einem ganz schönen Gerangel, und es steht viel auf dem Spiel. Lakshmis Leute stellen diese Humanoiden entweder her oder ziehen einen Vorteil aus ihrer Existenz, eins von beiden, aber so oder so geht uns Shukras Gruppe nur zu gerne zur Hand. Ich glaube, die Arbeitsgruppe ist in sich so gespalten, dass wir alles Nötige erledigen und anschließend von diesem Planeten verschwinden können, bevor jemand reagieren kann.«

Wahram schienen diese Worte nichts Gutes zu verheißen. »Du willst also schnell mal durch einen Bürgerkrieg und am anderen Ende wieder heraus?«

Genette erwiderte mit einem knappen Schulterzucken: »Wir können nicht mehr zurück.«

Sie erreichten den Raumhafen, durchquerten ihn eilig und betraten über eine Rampe ein kleines Flugzeug. Als sie an Bord und in der Luft waren, schaute Genette aus dem Fenster und bemerkte: »Es ist hier ganz ähnlich wie in China. Genau genommen wird die Venus vielleicht immer noch von China aus regiert. Man kann sich da nur schwer sicher sein. Jedenfalls liegen alle Entscheidungen in den Händen einer ziemlich kleinen Gruppe. Und die ist nun über der Frage gespalten, was man wegen des Sonnenschilds unternehmen soll. Die Position zu diesem Thema ist zu einer Art Loyalitätstest für beide Seiten geworden. Ich dachte, die meisten Venusianer hätten sich inzwischen so an die Abhängigkeit gewöhnt, dass sie den Schild nur noch als ein Risiko unter vielen empfinden. Aber die Gegner des Schilds vertreten ihre Position nachdrücklicher. Für sie ist es eine Existenzfrage. Deshalb sind sie bereit, weiter zu gehen, um ihr Ziel zu erreichen.«

»Und was haben sie deiner Meinung nach getan?«

»Ich könnte mir vorstellen, dass einer ihrer Programmierer beschlossen hat, einige Qubes mit der Beseitigung des Sonnenschilds zu beauftragen. Vielleicht hat es sich um einen offenen Befehl gehandelt, im Sinne von: ›Findet eine Möglichkeit, das zu bewerkstelligen.‹ Das hat dann also zur Folge, dass irgendein Qube einen Algorithmus anwendet, der Verläufe ermittelt, bei denen ein solches Endergebnis wahrscheinlich ist. Und es kann sein, dass dieser Algorithmus schlecht eingegrenzt war. Dass dem Qube sozusagen jedes Mittel recht war. In dieser Beziehung hat das ein bisschen was von einem Menschen! Sehr originalgetreu. Also, was, wenn dieser Qube daraufhin vorschlägt, Qubes in menschliche Körper zu stecken, sodass sie Angriffe durchführen können, zu denen sie als unbewegliche Gehäuse nicht ohne fremde Hilfe in der Lage sind – Angriffe, die Menschen nicht durchführen könnten, oder zu denen sie sich nicht bereitfinden würden? Ich rede von Sabotageaktionen. Man könnte sie auch als lehrreiche Darbietung bezeichnen, als inszenierte Katastrophen. Wenn man die Mehrheit der Venusianer in den Glauben versetzen könnte, dass dem Sonnenschild ein Angriff droht – dass sie alle wie die Ameisen gebraten werden könnten –, dann würde die Allgemeinheit sicher ein weiteres Bombardement unterstützen, um die Venus in Rotation zu versetzen.«

»Man treibt die Zivilbevölkerung zu einer bestimmten politischen Entscheidung, indem man ihr Angst macht«, sagte Wahram.

»Ja. Was in unseren Augen eine mögliche Definition von Terrorismus ist. Aber für einen Qube, der darauf programmiert ist, Ergebnisse zu liefern, ist das vielleicht weniger ersichtlich.«

»Also war der Angriff auf Terminator eine Art Demonstration?«

»Genau. Und hier auf der Venus ist eindeutig auch eine entsprechende Wirkung erzielt worden.«

»Aber diese neue Attacke auf den Sonnenschild war vielleicht mehr als bloße Panikmache«, sagte Wahram. »Wäre sie erfolgreich gewesen, dann hätte sie einer Menge Menschen das Leben gekostet.«

»Selbst das muss nicht unbedingt als negativ empfunden werden. Das hängt von dem Algorithmus ab, und das bedeutet, dass es vom Programmierer abhängt. Auf der Erde stehen genug Menschen zur Verfügung, um alle, die hier oben umgebracht werden, zu ersetzen. China allein könnte die Venus wieder aufstocken. Man könnte die gesamte Bevölkerung der Venus umbringen und durch Chinesen ersetzen, ohne dass es China überhaupt auffallen würde. Wer weiß also, was diese Leute sich denken? Die Programmierer haben ihren Qubes vielleicht einen Anstoß in eine neue Richtung gegeben und sie sogar mit neuen Algorithmen ausgestattet, aber sie haben ihnen dabei auf keinen Fall menschliche Gedankengänge eingegeben, selbst wenn sie sie so weit gebracht haben, dass sie einen Turing-Test bestehen.«

»Also gibt es diese Qubanoiden wirklich.«

»O ja. Deine Swan ist welchen von ihnen begegnet und ich auch. Das Ding auf Io war einer. Und zu meinem großen Interesse habe ich in Erfahrung gebracht, dass sich sehr viele von ihnen auf dem Mars aufhalten, wo sie als Menschen durchgehen und in der Regierung arbeiten. Die Probleme, die der Mars mit dem Mondragon und dem Saturn hat – die kommen mir langsam ein bisschen verdächtig vor.«

»Ah«, sagte Wahram und dachte darüber nach. »Und was willst du nun tun?«

»Wir nehmen alle auf einen Schlag fest«, antwortete Genette und warf einen kurzen Blick auf Passepartout. »Das habe ich soeben mit einer codierten Meldung veranlasst, und in diesem Moment geht es los. Mitternacht, westeuropäische Zeit, am 11. Oktober 2312. Wir müssen ein bisschen hinmachen.«

Sie landeten unmittelbar außerhalb von Vinmara, und schon bald war Wahram froh, dass er im Rollstuhl saß, denn Genette hetzte mit ungeheurer Geschwindigkeit von einem Treffen zum anderen; selbst auf Rädern konnte Wahram kaum mithalten.

Kiran kam ein paar Minuten später mit einem anderen Flug an und zeigte ihnen das Gebäude, in das man die Augäpfel gebracht hatte. Kurz darauf traf eine Gruppe Bewaffneter ein und umstellte das Gebäude ohne weitere Verzögerung. Sie sprengten die Tür auf und stürmten in voller Raumanzug-Montur und mit gezogenen Waffen hinein. Ein dicker, grauer Dunst schwappte heraus, kaum dass die Tür offen war.

Es dauerte keine fünf Minuten, bis das Gebäude gesichert war. Sofort besprach sich Genette mit dem Zugriffsteam und anschließend mit Shukra, der mit einem weiteren Kontingent bewaffneter Gefolgsleute auftauchte, um dafür zu sorgen, dass sich kein Widerstand regte, während sie das Gebäude räumten.

Genette sprach ununterbrochen mit irgendjemandem, entweder persönlich oder übers Telefon, unaufgeregt, aber mit großer Bestimmtheit – offensichtlich erfahren in solchen Aktion. Sogar die Vorstellung, sich in einen Kampf zwischen verschiedenen venusianischen Fraktionen zu stürzen, was Wahram enorm gefährlich erschien, schien den Inspektor nicht zu schrecken.

Als Genette einmal einen Moment lang mit niemandem redete, sondern auf einer Tischkante saß, Kaffee trank und auf seinen Armbandqube schaute, sagte Wahram neugierig: »Diese Steinchenattacken – bei denen ging es darum, dass eine venusianische Fraktion die hiesige Bevölkerung beeinflussen wollte? Um ihren Willen gegen eine andere Fraktion durchzusetzen?«

»So ist es.«

»Aber … wenn die Attacke auf den Sonnenschild erfolgreich gewesen wäre, hätten die Terroristen sich dann nicht auch selbst umgebracht?«

Genette erwiderte: »Ich denke, es wäre genug Zeit für eine Evakuierung geblieben. Und die Verbrecher hätten inzwischen den Planeten verlassen. Außerdem, wenn die Qubes die Entscheidung getroffen haben, war es ihnen vielleicht gleichgültig. Wer auch immer sie ursprünglich programmiert hat, hatte vielleicht überhaupt keine Kontrolle mehr über ihre Entscheidungen. Vielleicht dachten sich die Qubes: Nun ja, schade drum, aber man kann sich ja jederzeit neue von denen holen. So hätten sie ihr Ziel erreicht, ob die Attacke nun gelungen oder fehlgeschlagen wäre.«