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In der kleinen Station gab es keinen Ort, an den man sich zurückziehen konnte, um seine Ruhe zu haben, was Swan erst nach ihrem Abgang bewusst wurde. Sie musste dringend irgendwo durch die Landschaft rennen, um ihre Wut abzureagieren, und hier saß sie in einem Qube-Kubus, einem Kasten mit Zimmern, von denen nur einige wenige überhaupt Fenster hatten. Klaustrophobie lag bei ihr immer dicht unter der Oberfläche, und jetzt, mit ihrer Wut auf die beiden Männer und ihrem Kummer über Alex (und ihrer Wut darüber, dass Alex ihr etwas vorenthalten hatte, nur wegen Pauline), wurde sie von dem Gefühl des Eingeschlossenseins übermannt. Sie stampfte fluchend umher und stieg dann schließlich in den Kommandoturm hoch, zu einem Zimmer mit Aussichtsfenster, wo sie endlich die Tür zuknallen und für eine Weile mit den Fäusten auf den Tisch hämmern konnte. Ihre Rippe tat ihr dabei ziemlich weh, aber das war jetzt nur noch ein Teil der Gesamtmischung, des Stechens all der in ihr tobenden Gefühle. Es tat weh!

Dann fiel ihr eine Bewegung draußen ins Auge. Sie unterbrach ihren Wutanfall und trat ans Fenster. Durch einen Tränenschleier sah sie eine verschwommene, dann und wann aufblitzende menschliche Gestalt, die über die gelbe Schlacke zur Station wanderte. Sie bewegte sich seltsam, zuckte wankend und taumelnd von hier nach dort.

»Pauline, kann man hier auf der Mondoberfläche umherlaufen? Außerhalb der Station?«

»Dazu bräuchte man einen Anzug, der dieselbe Schutzwirkung wie diese Station hat«, antwortete Pauline. »Bitte – informiere den Sicherheitsdienst der Station sofort darüber, was du gesehen hast.«

»Sie werden es doch sicher selbst gesehen haben?«

»Dieser Anzug dort draußen kann in vielerlei Hinsicht abgeschirmt sein. Dein visueller Eindruck ist vielleicht der einzige Hinweis auf ihn, den es gibt. Bitte beeile dich. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt, um sich mit mir zu streiten.«

Mit einem Knurren verließ Swan das Zimmer. Nachdem sie eine Weile durch die Station gehetzt war und sich dabei verlaufen hatte, kam sie in den Raum, den sie und Wahram als Erstes betreten hatten.

»Jemand nähert sich eurer Station zu Fuß«, sagte sie zu den verblüfften Leuten, die sich dort aufhielten. Ein paar schauten sehr genau auf ihre Monitore. Swan konnte ihnen nicht sagen, in welche Richtung ihr Fenster gezeigt hatte und musste sie dorthin zurückführen (wobei sie sich nur mit Mühe und Not an den Weg erinnern konnte), um es ihnen zu zeigen. Mittlerweise sah man nichts mehr als die Schlackelandschaft, die sich von der Station aus hangabwärts erstreckte. Anscheinend sahen auch die Leute im Kontrollraum nichts.

»Pauline, sag es ihnen«, befahl Swan.

Pauline sagte: »Nordnordwest, 310 Meter hangabwärts. Die Fußabdrücke sollte man noch sehen könnten. Die Gestalt hat sich unregelmäßig bewegt …«

Wang kam ins Zimmer geeilt. Offenbar hatte ihm jemand Bescheid gegeben. »Abriegeln«, sagte er kurz angebunden zu seinen Leuten. Überall ertönten schmerzhaft hohe und laute Alarmsirenen. Schnell füllten sich die Gänge mit Menschen. Swan und Wahram wurden durch einen Korridor zu einem Schutzraum mitgezogen. Als sie dort ankamen, war er bereits überfüllt, und nachdem sie sich hineingedrängt hatten, wurde die Tür geschlossen. Anscheinend waren sie hier vollständig versammelt. Jetzt waren sie in der kleinsten Matruschka-Puppe von allen.

An den Wänden waren Bildschirme, und Pauline half der Stations-KI dabei, die Überwachungskameras einzustellen. Schon bald wurde auf einem der Bildschirme eine Ansicht des abfallenden Hangs herangezoomt. Dort, weit unten auf der zerknitterten und schrägen Schlackeebene, hopste eine winzige Gestalt bergab.

»Keine gute Idee«, sagte Wang. »Dort unten ist die Kruste dünn.«

Und dann versank die entfernte Gestalt in einem kurzen Aufflackern und war verschwunden.

»Haltet weiter um die Station herum Ausschau«, sagte Wang, nachdem eine Weile schockiertes Schweigen geherrscht hatte. »Schaut, ob dort draußen jemand ist. Und schickt eine Drohne hoch, um nach einem Hopper Ausschau zu halten.«

Es herrschte Grabesstille, während die Anwesenden auf die Bildschirme starrten. Falls der Faraday’sche Käfig ausfiel, würden sie sehr bald gekocht werden. Die Strahlung vom Jupiter würde jede einzelne Zelle ihrer Körper zum Platzen bringen.

Aber anscheinend war nichts weiter passiert. Die Energieversorgung der Station schien gesichert, und niemand sonst war in der Umgebung zu sehen.

Dann regte sich etwas am anderen Ende des Zimmers. »Ein Ruf von einem Schiff, das um Landeerlaubnis bittet«, sagte jemand.

»Um wen handelt es sich?«

»Es ist ein interplanetares Schiff, die Schnelle Gerechtigkeit

»Vergewissert euch, dass sie wirklich die sind, als die sie sich ausgeben.«

Das Bild eines sich nähernden Raumschiffs wurde auf einen größeren Monitor verschoben, und alle beobachteten, wie ein kleineres Raumschiff flackernd in das Loch in der Landeplattform sank. Kurz darauf erschien ein behelmter Kopf unmittelbar vor einer der Überwachungskamera in der Landebucht, kam näher und füllte während des Netzhaut-Scans den ganzen Bildschirm aus. Dann winkte der Besucher und hielt kurz den Daumen hoch. Anscheinend handelte es sich um Freunde.

Man ließ sie herein, und dort in der Tür standen drei Menschen ohne Helme, einer von kleiner Statur. Verblüfft erkannte Swan, dass es sich um den Inspektor handelte, der sie in Mqarets Labor besucht hatte: Jean Genette.

»Ihr kommt spät«, sagte Wang.

»Tut mir leid«, antwortete Genette. »Wir wurden aufgehalten. Erzähl mir, was passiert ist.«

Wang gab einen kurzen Bericht und schloss mit: »Anscheinend war der Eindringling allein. Er hat sich genähert, ist dann den Hang hinabgegangen und durch die Kruste gebrochen. Wir haben noch keinen Hopper gefunden.«

Genette neigte den Kopf zur Seite. »Er ist einfach hangabwärts in den Tod gerannt?«

»Sieht so aus.«

Der Inspektor wandte sich zu den anderen Neuankömmlingen. »Wir müssen seine Überreste aus der Lava ziehen.« Dann, an Wang und die anderen gewandt: »Bin bald zurück. Vielleicht solltet ihr die Abriegelung noch eine Weile aufrechterhalten.«

Damit verschwanden die drei wieder durch die Luftschleuse der Station.

»Also gut«, sagte Swan ernst und bedachte dabei insbesondere Wahram mit einem durchdringenden Blick. »Erzählen Sie mir, was hier los ist.«

»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Wahram.

»Man hat uns gerade angegriffen!«

»Das nehme ich an.«

»Das nehmen Sie an?«

Wang sprach, ohne von den Monitoren aufzublicken. »Ein wenig wirkungsvoller Angriff, muss ich sagen.«

»Und wer würde Sie angreifen wollen?«, fragte Swan. »Und wie ist Genette so schnell hergekommen? Und hat all das etwas mit dem zu tun, was Sie zusammen mit Alex gemacht haben?«

Wahram sagte: »Das lässt sich an diesem Punkt nur schwer sagen«, und Swan unterbrach ihn, indem sie ihn gegen den Arm boxte.

»Schluss damit«, sagte sie böse. »Sagen Sie mir, was hier los ist!«

Sie schaute sich in dem vollgestopften Raum um: Zwölf bis fünfzehn Leute drängten sich darin, die sich jetzt jedoch alle demonstrativ mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigten und Wang und seine Besucher an einem kleinen Ecktisch allein ließen. »Sagen Sie es mir, sonst schreie ich los.«

Sie stieß ein kurzes Kreischen aus, um ihnen zu zeigen, was sie sich einhandeln würden, und die Leute im Raum zuckten zusammen und schauten entweder in ihre Richtung oder vermieden eben das angestrengt.

Wahram schaute zu Wang. »Lass mich es versuchen«, sagte er.

»Nur zu«, sagte Wang.

Wahram tippte auf den Tischmonitor und rief eine dreidimensionale Darstellung des Sonnensystems auf, die im Innern des Tisches zu schweben schien. Kugeln in bunten holografischen Farben bildeten etwas, das an altmodische mechanische Nachbildungen des Sonnensystems erinnerte, wobei Swan feststellte, dass diese Version sehr viel mehr bunte Kugeln und zahlreiche farbige Verbindungslinien zwischen ihnen enthielt. Darüber hinaus verhielten die Kugeln sich nicht maßstabsgetreu zu den wirklichen Planeten und Monden.