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»Dieses Bild wurde auf Grundlage von Alex’ Analysen erzeugt«, erklärte Wahram Swan. »Es ist der Versuch, Macht darzustellen, und das Potenzial für Macht. Eine Art Menard-Grafik. Die Größe der Kugeln wird durch eine Funktion bestimmt, in die alle Faktoren eingehen, die Alex für bedeutsam hielt.«

In der Nähe der Sonne entdeckte Swan den Merkur, klein und rot. Die Mondragon-Mitgliedswelten waren alle rot und bildeten eine Konstellation von durch das ganze System verteilten Punkten – alle klein, aber es waren viele. Die Erde war riesig und vielfarbig, eine Ansammlung von Kugeln wie ein Strauß Heliumballons, die eine Faust nach oben ziehen. Der Mars war eine einzige grüne Kugel und fast so groß wie die Erde. Die bunten Linien, die die Kugeln miteinander verbanden, bildeten im ganzen Sonnensystem bis zum Saturn dichte Netze, die weiter draußen ausdünnten.

»Was für Faktoren?«, fragte Swan, die versuchte, sich zu beruhigen. Sie war noch immer durcheinander, wenn auch mehr durch die Ankunft Genettes als durch die Attacke.

Wahram sagte: »Angesammeltes Kapital, Bevölkerung, Gesundheit der Bioinfrastruktur, ob eine Welt terraformt ist und wie stabil, Mineralien und flüchtige Ressourcen, Bündnisse, militärische Ausrüstung. Die heuristischen Einzelheiten können wir Ihnen später geben. Man sieht jedenfalls sofort, dass Mars und Erde als kollektives Ganzes betrachtet derzeit ungeheuer viel größer sind als irgendwelche anderen Mächte. Und China, die große rosafarbene Kugel, stellt einen sehr großen Teil der Erdmacht dar. Derweil hat die Venus so großes Potenzial, dass es sich nur schwer darstellen lässt, weil sie gegenwärtig nicht mal ansatzweise über die Macht verfügt, die sie bald haben wird. Venus und China sind beide rosa eingefärbt, weil sie beide gute Beziehungen zum Mondragon haben. Man sieht, dass der China-Venus-Mondragon-Knoten das Potenzial hat, die größte Macht überhaupt zu werden. Alex hat oft gesagt, dass die chinesische Vorherrschaft der Normalzustand sei, in den die Geschichte immer wieder zurückfällt, mit Ausnahme der kurzen Phase, in der China hinter Europa zurückstehen musste. Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber bezüglich der gegenwärtigen Lage spricht das Bild für sich.

Man beachte auch, wie klein all die anderen Weltraumsiedlungen sind. Selbst zusammengenommen sind sie immer noch klein. Wie dem auch sei, wenn man ihr Terraforming-Potenzial hochrechnet, wie ich es jetzt mache – schauen Sie: Venus, Luna, die Galilei’schen Monde außer Io sowie Titan und Triton werden sehr viel größer. Sie repräsentieren die größten Chancen auf Machtzuwachs im All. Die Asteroiden sind größtenteils gefüllt. In der näheren Zukunft werden also Venus und die großen Monde die neuen Hauptmächte sein. Venus wird bald voll bewohnbar sein und einen Wachstumsschub erfahren, weshalb die Lage dort seltsam wird, was wiederum die Erde destabilisiert.«

»Und warum interessierte sich Alex für all das?«, fragte Swan. »Und was wollte sie deswegen unternehmen?«

Wahram holte tief Luft und stieß den Atem wieder aus. »Sie hat ein instabiles System gesehen, das auf einen Zusammenbruch zusteuert, falls niemand korrigierend eingreift. Sie wollte die Lage stabilisieren. Und sie war der Meinung, dass die Probleme im Grunde genommen von der Erde ausgehen.«

Er schaute eine Weile auf das Bild, das diesen Gedanken sehr wirkungsvoll vermittelte: Dort, inmitten all der Primärfarben, schien das Partyballongewirr, das die Erde darstellte, regelrecht zu vibrieren.

»Und was wollte sie also tun?«, fragte Swan, die mit einem Mal einen Stich der Sorge verspürte. »Wollen Sie damit sagen, dass sie die Verhältnisse auf der Erde verändern wollte?«

»Ja«, antwortete Wahram bestimmt. »Das wollte sie. Sie wusste natürlich, dass dieser Wunsch ein berühmter Raumer-Fehler ist. Ein unmögliches, zum Scheitern verurteiltes Projekt. Aber sie hoffte, dass wir inzwischen genug Einfluss hätten, um etwas zu bewirken. Sie hatte einen Plan. Viele von uns hatten das Gefühl, dass man das Pferd damit von hinten aufzäumen würde, wissen Sie. Aber Alex konnte uns überzeugen, dass wir nie sicher sein werden, solange die Erde nicht in einem besseren Zustand ist. Also haben wir bei ihrem Plan mitgemacht.«

»Was soll das heißen?«

»Wir haben in den Terrarien Nahrungsmittel und Tiere gehortet und in uns freundlich gesonnenen Ländern auf der Erde terranische Büros eröffnet. Es gab Vereinbarungen. Aber all das wird nun durch Alex’ Tod verkompliziert, weil sie so viel von alledem persönlich getan hat. Es handelte sich um verbale Abkommen.«

»Sie hat den Qubes nicht getraut, ich weiß.«

»Genau.«

»Warum nicht?«

»Tja, ich … vielleicht sollte ich das im Moment lieber nicht sagen.«

Nach einer unbehaglichen Pause sagte Swan: »Sagen Sie es mir.« Als er den Kopf hob, um ihrem Blick zu begegnen, schaute sie ihn auf die gleiche Art an, auf die auch Alex ihn angesehen hätte – sie spürte, dass es ihr im Blut lag. Alex war dazu fähig gewesen, Leute mit einem Blick zum Sprechen zu bringen.

Doch es war Wang, der ihr antwortete. »Es hat etwas mit seltsamen Gerüchten über Qubes zu tun«, erklärte er zurückhaltend. »Auf der Venus und im Asteroidengürtel. Es sind diese Zwischenfälle, die von Inspektor Genettes Team untersucht werden. Und deshalb …« – er deutete Richtung Tür – »… hängt das vielleicht auch damit zusammen. Bis sie also mehr herausfinden, sollten wir das Thema erst einmal außen vor lassen. Außerdem – ich nehme an, Ihr interner Qube nimmt all das auf? In dem Fall wäre es am besten, wenn Sie ihn dazu veranlassen könnten, die Aufnahme zu sperren.«

Wahram sagte zu Wang: »Zeig Swan die Darstellung des Systems unter Einbeziehung der Qube-Macht.«

Wang nickte und tippte auf das Bild auf dem Tisch. »In dieser Version wurde versucht, sowohl Qubes als auch klassische KIs zu berücksichtigen. Es soll einem ein Bild davon vermitteln, ein wie großer Teil unserer Zivilisation von künstlichen Intelligenzen gesteuert wird.«

»Qubes steuern überhaupt nichts«, wandte Swan ein. »Sie treffen keine Entscheidungen.«

Wang runzelte die Stirn. »Tatsächlich treffen sie sehr wohl gewisse Entscheidungen. Zum Beispiel, wann eine Fähre ablegen soll oder wie die Güter und Dienste im Mondragon zu verteilen sind – all solche Dinge. Eigentlich erledigen sie den Großteil der Infrastruktur des Systems.«

»Aber sie entscheiden sich nicht, sie zu erledigen«, wandte Swan ein.

»Ich weiß, was Sie meinen, aber schauen Sie sich mal die Darstellung an.«

In dieser Version, so erklärte er, stellte Rot die Macht von Menschen dar und Blau die Macht von Computern, wobei hellblau für klassische Computer stand und dunkelblau für Quantencomputer. Ein großer, dunkelblauer Ball war neben dem Jupiter zu sehen, und weitere blaue Punkte waren überall sonst verteilt. Die meisten davon waren zu einem Gesamtnetz verbunden. Menschen tauchten als rote Ballungen auf, doch sie waren weniger und kleiner als die blauen Punkte, und es verliefen sehr viel weniger rote Linien zwischen ihnen.

»Was ist das für ein blauer Ball um den Jupiter?«, fragte Swan. »Sind Sie das?«

»Ja«, sagte Wang.

»Und jetzt hat also jemand diesen ziemlich gewaltigen blauen Ball angegriffen.«

»Ja.« Die Stirn tief in Falten gelegt starrte Wang auf den Tischmonitor. »Aber wir wissen nicht wer, und auch nicht warum.«

Nach kurzem Schweigen sagte Wahram: »Bilder wie dieses sind einer der Gründe dafür, dass Alex besorgt war. Sie hat gewisse Bemühungen angestoßen, die Lage in den Griff zu bekommen. Bitte, belassen wir es fürs Erste dabei. Ich hoffe, Sie verstehen.«

Sein flehender Appell an Swan ließ seine Froschaugen noch deutlicher hervortreten. Er schwitzte.