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Bolithos Gruppe kauerte sich dankbar wieder zwischen das Gestrüpp und wartete auf den Melder. Es dauerte eine ganze Stunde, bis er schließlich aus einer Schlucht auftauchte, offenbar am Rande der Erschöpfung. Es war Bootsmannsmaat Miller, der zwar gewandt bei Sturm an Deck arbeitete oder mit seinen Leuten auf die schwankenden Rahen hinauskletterte, aber den Anforderungen dieser Insel kaum gewachsen war.»Lassen Sie sich Zeit. «Bolitho unterdrückte seine Ungeduld, fragte sich aber besorgt, weshalb Keen ihn geschickt hatte und sie damit auf der schwersten Etappe aufhielt.

Miller schnaufte laut.»Mr. Keens Empfehlung, Sir, und er…«Er schnappte nach Luft wie ein gestrandeter Fisch.»Wir haben Leichen gefunden. «Er deutete in die Richtung.»In einer kleinen Höhle, mit durchschnittenen Kehlen. «Plötzlich sah er aus, als würde ihm bei der Erinnerung übel.»Ich glaube, es waren Offiziere.»

Bolitho beobachtete ihn. Er wollte ihn nicht unterbrechen. Aber Quare fragte schroff:»Du glaubst?«Miller blickte an ihm vorbei.»Ja, George. So was sieht man immer noch. «Ein Schauder überlief ihn.»Mr. Ross meint, daß sie schon seit Tagen tot sind. Sie waren voller Fliegen. Sind es noch.»

Bolitho nickte. Trotz ihres Entsetzens hatten entweder Keen oder Ross klaren Kopf behalten und nicht getan, wozu es jeden gesitteten Menschen trieb: die unbekannten Toten zu bestatten. Aber es waren gar keine Unbekannten. Vermutlich handelte es sich um die Offiziere der Eurotas, die ermordet worden waren, nachdem man sie in die abgelegene Höhle verschleppt hatte. Bolitho fragte sich, ob Keen der gleiche Gedanke gekommen war. Als er dem Mann, den er für den Kapitän des Schiffes gehalten hatte, die Hand schüttelte, war er einem Mörder in der Uniform seines Opfers gegen-übergestanden.

Die Erkenntnis überfiel ihn mit Macht: Viola hatte versucht, ihn zu warnen, sie konnte deswegen ebenso grauenhaft ums Leben gekommen sein.

«Gehen Sie zu Mr. Keen zurück«, befahl er,»so schnell Sie können. Wir treffen uns wie vereinbart, müssen aber doppelt vorsichtig sein. «Er beobachtete, wie Miller seine Worte aufnahm.»Niemand darf uns bemerken. Wenn wir entdeckt werden, ehe wir losschlagen können, Miller, lichtet das Schiff Anker, dann hat Mr. Herrick keine Chance mehr, es aufzuhalten.»

Er fügte nicht hinzu, daß das Kommando an Land vorher noch ermordet werden würde; doch Millers Gesicht verriet, daß er diese Überlegung bereits selbst angestellt hatte. Bolitho sah Quare und die anderen an.»Auf! Es geht weiter. «Wieder stieg er den steilen Abhang hinauf, und jetzt waren Hitze und Strapazen vergessen.»Bleiben Sie in Deckung, Sir. «Quare flüsterte es, als Bolitho neben ihm zwischen zwei Felsblöcke kroch. Der Stein war glühend heiß, und Bolitho wurde sich schmerzhaft der Schrammen und Prellungen bewußt, die er sich während der letzten Etappe zugezogen hatte. Das Terrain unterschied sich stark von dem auf der anderen Seite und war auch ganz anders, als es sich von See aus gezeigt hatte. Auf halber Höhe befand sich eine breite Kluft, und danach folgte ein Abhang, der sich bis zur Bucht hinunter erstreckte.

Und dort, flimmernd im Sonnenglast, lag die Eurotas immer noch vor Anker; mehrere Boote waren längsseits gegangen, und zwei weitere lagen oberhalb der Brandung auf dem Strand.

Auf dem Achterdeck und mittschiffs waren ein paar

Gestalten wahrzunehmen, aber nichts deutete darauf hin,

daß am Rumpf oder sonstwo gearbeitet wurde.

Bolitho hätte gern sein Fernrohr benutzt und das Schiff genauer inspiziert. Aber die Sonne stand in einem solchen

Winkel, daß er es nicht wagte, einen plötzlichen Reflex zu riskieren und sich damit zu verraten.

Quare hatte schon Blissett und einen anderen Kundschafter ausgesandt, aber was an Bord vorging, konnte Bolitho nur erraten.

Quare zischte:»Dort, Sir!»

Mehrere Männer erschienen am Fuß des Abhangs. Sie bewegten sich nur langsam und schienen unbesorgt. Aber alle waren bis an die Zähne bewaffnet. Einer trank öfter aus einer Flasche, und ihm mußte über das Dollbord eines kleinen Bootes geholfen werden, ehe es in tieferes Wasser geschoben werden konnte und auf das Schiff zuhielt. Danach blieb nur noch ein Boot am Strand. Doch wie viele Männer?

Swift kam von hinten herangekrochen.»Mr. Keens Gruppe kommt, Sir.»

Bolitho sah sich um.»Sie soll sich verteilen. Und keinen Laut. Vergewissern Sie sich, daß alle Waffen entladen sind. Ich will nicht, daß aus Versehen eine Muskete losgeht. «Er blickte zu dem ankernden Schiff hinunter und überlegte, was er tun sollte. Die Eurotas lag eine Kabellänge vom Ufer entfernt, und das Boot hatte kaum den halben Weg zurückgelegt. Es war ungeschützt.

Doch wo waren die Kanonen, die angeblich an Land geschafft worden waren, um das Schiff zu erleichtern? Zweifellos standen keine hinter den leeren Geschützpforten auf der dem Land zugekehrten Seite, noch befanden sich welche am Strand. Ganz gewiß waren sie auch nicht über Bord geworfen worden.

Es sei denn… Bolitho blickte zu der südlichen Landzunge hinüber, die sich beinahe schwarz von der funkelnden See abhob. Vielleicht war da noch ein Schiff, das Kanonen von der Eurotas übernommen hatte? Er schloß die Augen. Das alles ergab keinen Sinn.

Blissett erschien lautlos hinter einem großen Felsblock.»Was gibt es, Tom?«fragte Quare.

Der Kundschafter wischte sich den Mund und starrte zum Schiff hinunter.»Wir haben dort unten eine tote Frau gefunden. Sie muß sich bis zuletzt gewehrt haben, das arme Ding. Aber sie wurde trotzdem umgebracht, nachdem die ihren Spaß mit ihr gehabt hatten.»

Bolitho sah zu ihm auf, seine Gedanken rasten.»Was für eine Frau?«Kaum erkannte er seine eigene Stimme wieder. Blissett runzelte die Stirn.»Noch jung. Engländerin, würde ich sagen. Wahrscheinlich sollte sie nach Botany Bay deportiert werden, Sir. «Weiter sagte er nichts, aber seine Augen verrieten Erbitterung und Zorn.»Schon gut, Tom. «Quare wandte sich an Bolitho.»Sie hatten also recht, Sir.»

«Ich wünschte bei Gott, ich hätte mich geirrt. Das Schiff ist also gekapert worden, aber nicht von den Sträflingen. «Und in Beantwortung der stummen Fragen auf Quares Gesicht:»Die würden sich weder die Zeit noch die Mühe nehmen, große Geschütze von Bord zu schaffen. Sie wären schwach und verängstigt nach allem, was sie durchgemacht haben. Ich glaube, unser Feind ist viel gefährlicher und ohne jedes Erbarmen.»

Er wälzte sich auf den Rücken und zog seine Uhr. Fast verachtete er sich wegen der Erleichterung, die er empfand. Aber er hatte gefürchtet, es könne Viola sein, die dort unten lag.

Erst in einigen Stunden würde es dunkel sein. Er sagte:»Stellen Sie zuverlässige Wachen auf, Sergeant. Danach kommen Sie zu mir.»

Eilig kroch er den Abhang hinunter und in das Gewirr dürrer Büsche hinein. Die ganze Umgebung schien von der Sonne ausgedörrt zu sein und war vom Kot zahlloser Seevögel bedeckt.

Keen und andere drängten sich um ihn.

Er sagte:»Ich glaube, daß sich eine ganze Bootsladung

Männer an Land befindet, wahrscheinlich drüben im

Zentrum der Insel. Es ist zu gefährlich, im Boot zwischen diesen Klippen hindurchzufahren. Deshalb sind sie auch von den Kanus überrascht worden. Ich vermute, daß sie dort

Wachen postiert haben, die auf fremde Schiffe und

Eingeborenen-kanus achten.»

Keen nickte.»Und ihr Boot ist unbewacht.»

Ross fuhr sich mit dicken Fingern durch sein rotes Haar.

«Einstweilen noch, Mr. Keen. Bei Dunkelheit kann sich das aber schnell ändern.»

«Wir bleiben in Deckung«, ordnete Bolitho an.»Sobald es dunkel wird, gehen wir zum Strand hinunter. «Er sah Keen an.»Als Sie auf der Eurotas waren, haben Sie da viele Leute der Besatzung gesehen?»

Keen blickte überrascht auf.»Eigentlich nicht, Sir. Ich nahm an, daß sie unter Deck bei der Arbeit waren. «Während ein Kriegsschiff in die Bucht einlief und schreiende Wilde in Kanus angriffen, würde bestimmt kein Matrose unter Deck bei seiner Arbeit bleiben. Merkwürdig, daß ihm das nicht früher aufgefallen war. Es mußte also ein zweites Schiff, vielleicht sogar ein drittes geben. Er drehte sich um, kroch ein Stück zurück und drängte sich zwischen die beobachtenden Seesoldaten. Mehrere Minuten lang musterte er aufmerksam das Schiff. Ohne Zweifel hatte die Eurotas ein höheres Freibord als normal. Kein Wunder, daß so wenige Leute an Deck zu bemerken waren. Gerade genug, um das Schiff und die unten eingekerkerten Sträflinge zu bewachen. Bolitho versuchte, nicht an die ermordete Frau zu denken.