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Bolitho spürte den heftigen Druck seines Gegners und wich aus; der andere kam aus dem Gleichgewicht und fiel gegen das Schanzkleid. Etwas flirrte an Bolithos Augen vorbei, und er hörte das widerliche Knirschen von Stahl auf Knochen. Dann stieß Allday den Toten eine Leiter hinunter. Sofort fuhr er wieder herum und holte mit dem Entermesser aus, als eine Gestalt von der Kampanje fortrannte. Allday traf den Mann an der Schulter, und als dieser aufschreiend stürzte, erledigte er ihn mit einem harten Schlag in den Nacken.

Ein anderer lag schluchzend auf den Knien und flehte in einer fremden Sprache, aber der Sinn seiner Worte war nur zu klar. Miller packte ihn am Haar und stieß ihn über die Reling. Der wilde Aufruhr im Wasser verriet, daß weitere Haie sich auf ihre unerwartete Beute stürzten. Licht strömte aus der Kampanje, und Bolitho sah in der Tür einen Mann kauern und in den Höllenlärm hinausspähen. Bolitho riß seine Pistole aus dem Gürtel und drückte ab. Da nichts geschah, schleuderte er sie gegen die Tür und rannte hinterher. Die Wucht seines Angriffs riß ihm beinahe den Degengriff aus der Hand, als er dem Aufspringenden die Klinge in den Leib stieß.

Seitlich hörte er Schreie und Schüsse, die anscheinend vom Wasser her kamen. Jemand versuchte wohl, in einem Boot zu entkommen. Doch das konnte er Keen überlassen. Mit dem Fuß stieß er die Tür ganz auf, schob den Sterbenden vom Süll und drang in die Hütte der Eurotas ein. Ihm bot sich ein schauerliches Bild. Die Türen der Kajüten waren aus den Angeln gerissen oder eingeschlagen. Kleidungsstücke, Waffen und anderer Privatbesitz lagen überall verstreut.

Auf dem Hüttendeck über sich hörte er eine vor Entsetzen schrille Stimme, und dann Miller laut drohend:»Bleib stehen, du elender Schuft!«Es endete damit, daß etwas über die Decksplanken geschleift wurde, dann folgte ein letztes Röcheln.

Langsam ging Bolitho weiter nach achtern, den Degen stoßbereit. Vorsichtig setzte er die Füße, um nicht in dem Chaos auf dem Boden zu stolpern.»Vorsicht, Capt'n!«Das war Jenners Stimme. Geduckt huschte er an Bolitho vorbei, ein Schatten, dem zwei Matrosen folgten. Jenners Gesicht leuchtete kurz auf, als in der Kajüte nebenan eine Pistole abgefeuert wurde; der Mann neben ihm stürzte und preßte dabei die Hände vor den Leib, während ihm bereits Blut aus dem Mund strömte. Jenner riß den rechten Arm hoch, und ein kleiner Dolch schwirrte wie ein blitzender Pfeil in die offene Tür. Als Bolitho sie erreichte, hatte Jenner die Klinge bereits aus der Brust seines Opfers gezogen und wischte sie an dessen Hosenbein ab.

Wieder stampften Schritte über das Hauptdeck; Keen drang in die Kampanje ein, einen Krummsäbel in der einen Hand, in der anderen eine leergeschossene Pistole wie eine Keule haltend.

«Vorschiff und Oberdeck sind unser, Sir. «Er atmete sehr schnell; im Licht der Laterne funkelten seine Augen noch vor Kampfeslust.»Einige sind im Boot entkommen«, fügte er hinzu.»Aber Quares Scharfschützen werden sie wohl erledigen. «Er blickte auf die Toten nieder.»Es ist uns gelungen, zwei Gefangene zu machen. «Bolitho nickte kurz.»Öffnet die Achterluke, macht euch aber auf Überraschungen gefaßt. Mr. Ross übernimmt den Befehl auf dem Oberdeck. Paßt auf, daß keiner das Ankertau kappt.»

Er ging an der letzten Offizierkammer vorbei auf die große Achterkajüte zu. Wieder das wilde Durcheinander von Kleidungsstücken und ausgeleerten Seekisten. Auf dem Tisch des Kapitäns standen die Reste einer nicht beendeten Mahlzeit. Daneben lag das Kleid einer Frau: blutbefleckt. Plötzlich war es sehr still, als ob das ganze Schiff vor Entsetzen lausche.

«Weiter!«Er verließ die Kajüte. Allday blieb ihm auf den Fersen, wandte den Kopf nach rechts und links, als wolle er Bolitho vor einem plötzlichen Angriff schützen. Als die Luke nicht ohne Schwierigkeiten geöffnet worden war, denn sie war wie auf einem Sklavenschiff mit Balken verkeilt und mit Ketten gesichert, wurde es Bolitho fast übel von dem Gestank nach Exkrementen und Angst, der ihm entgegenschlug.

Doch kein Laut war zu vernehmen, nur das gewohnte Knarren der Takelage. Hatten die Meuterer alle Menschen an Bord der Eurotas umgebracht?

Allday flüsterte:»Wenn jemand dort unten ist, Captain, muß er glauben, auf dem Schiff sei die Hölle ausgebrochen. «Bolitho starrte ihn betroffen an. Warum hatte er selbst nicht daran gedacht? Erst das Grauen, der brutale Terror der vergangenen Wochen, und jetzt der ohrenbetäubende Kampfeslärm. Kein Wunder, daß sie sich still verhielten. Er verharrte am Lukensüll, Alldays plötzliche Befürchtungen und die Tatsache ignorierend, daß er sich vor dem Mondlicht deutlich abhob.

«Ahoi da unten!«Er wartete, hörte aber nur den Widerhall seiner Stimme.»Wir sind von Ihrer Majestät Schiff

Tempest!»

Es schien endlos lange zu dauern und seine schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, bis ihm dann endlich aus dem Bauch des Schiffes ein wachsender Chor von Schreien und Schluchzern antwortete.»Schnell hinunter, Leute!»

Bolitho wartete, bis weitere Matrosen mit Laternen zur Luke geeilt waren, und kletterte dann mit ihnen in das nächste Deck hinunter. Neben einer weiteren verschlossenen Luke stand ein Stuhl aus der Offiziersmesse, mit einem Trinkgefäß in Reichweite, und kennzeichnete die Stelle, wo bis zum Augenblick ihres Angriffs ein Wachtposten gesessen hatte.

Wieder schoben sie schwere Balken beiseite und hoben den Lukendeckeclass="underline" ein kleiner Laderaum, wohl für Vorräte des Kapitäns und der Offiziere des Schiffes benutzt. Unbeleuchtet und schlecht belüftet, war er von Wand zu Wand mit Menschen vollgepfercht. Bolitho schien auf einen dichten Teppich menschlicher Gesichter zu blicken, die sich entsetzt und verstört nach oben wandten: Männer und Frauen, verdreckt und heruntergekommen, im letzten

Stadium des Vegetierens.

Bolitho sprach so gelassen er konnte:»Fürchten Sie sich nicht. Meine Leute werden für Sie sorgen. «Sein kleines Kommando? Er wußte nicht, wie viele gefallen oder verwundet waren. Bewaffnet oder nicht, wenn diese Menschenmasse sie angriff, hatten sie nur wenig Chancen. Dort unten mußten annähernd zweihundert Personen sein. Miller trat an die Luke, schien sich wieder gefaßt zu haben. Seine Stimme klang fest, als er einige Leute anwies, in den Laderaum hinunterzusteigen. Gedämpft sagte er:»Mr. Ross hat drei Drehbassen mit Schrapnell laden und auf die Luke richten lassen. Bei der geringsten Aufsässigkeit werden sie von Deck gefegt, ehe sie wissen, was sie trifft. «Er hatte seinen Kampfrausch also noch nicht überwunden. Die Menschen, die aus dem vollgepferchten Laderaum langsam auftauchten, boten jedoch einen schrecklichen Anblick. Manche stützten sich gegenseitig aus Schwäche oder Furcht. Einer von ihnen, mit einer Schnittwunde über dem Auge und einem Gesicht, das vor Prellungen fast schwarz war, trug eine Matrosenjacke.»Wer sind Sie?«fragte Bolitho.

Der Mann starrte ihn verständnislos an. Allday führte ihn am Arm beiseite, fort von dem Zug langsam auftauchender Jammergestalten.

Dann antwortete der Mann endlich:»Archer, Sir. Böttcher auf der Eurotas.»

Bolitho fragte leise:»Und die Passagiere? Wo befinden sie sich?»

«Passagiere?«Das Nachdenken schien ihm schwer zu fallen.»Ich — ich glaube, sie sind noch im Orlop, Sir. «Er deutete hinter sich.»Die meisten hier sind Deportierte. Wir stecken seit Tagen da unten. «Er starrte wild um sich.»Wasser! Ich muß Wasser haben.»

Bolitho befahclass="underline" »Öffnen Sie jedes Wasserfaß, das Sie finden, Miller, und teilen Sie Rationen aus. Sie wissen, was Sie zu tun haben. «Er schob seinen Degen in die Scheide.»Mr. Ross soll ein Boot zu Sergeant Quare und seinen Leuten schicken. «Sein Verstand weigerte sich noch, an die notwendigen Details zu denken. Zu Allday gewandt, fügte er hinzu:»Zum Orlop! Schnell.»

Eine weitere Luke, eine weitere Leiter, führten unter die Wasserlinie. Selbst auf einem so großen Schiff wie der Eurotas war nicht Platz genug, um unter Deck aufrecht zu stehen.