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Laternen schwankten wie zum Gruß, als vorn weitere Matrosen durch eine andere Luke das Orlopdeck erreichten. Winzige Kabinen, eigentlich nur Löcher, säumten den Mittelgang, fast wie jene auf einem Kriegsschiff, in denen die Funktionäre ohne Tageslicht hausten: Segelmacher und Böttcher wie dieser Archer, Zimmerleute und Proviantmeister.»Öffnet die Türen!»

Er hörte eine Frau hysterisch schluchzen; ein Mann weiter vorn sprach ihr tröstend zu.

Allday rief:»Hier, Captain!«, und hob seine Laterne, um Bolitho zu leuchten.

Sie saß auf einer umgestürzten Kiste, den Arm um ein Mädchen mit langem, schwarzem Haar gelegt, wahrscheinlich das Mädchen, das oben an Deck gehetzt worden war.

Das Mädchen stöhnte, das Gesicht gegen Viola Raymonds Schulter gepreßt, und ihre Finger krallten sich wie kleine, gierige Krallen in das mattweiße Kleid. Bolitho konnte nicht sprechen. Hinter sich hörte er ein wildes Durcheinander von Weinen und Schluchzen: Menschen, die wieder vereint waren, und andere, die erfolglos nach Verwandten oder Freunden suchten. Doch das alles geschah wie auf einem anderen Stern. Viola erhob sich langsam, zog das Mädchen mit hoch.»Geh mit ihm. «Sie drückte es fester an sich, als das Mädchen vor Furcht zitterte.»Allday ist ein guter Mann und wird dir nichts tun.»

Das Mädchen löste sich von ihr, eine Hand noch nach ihr ausgestreckt. Als ob sie ausgestoßen würde, dachte Bolitho. Allday stellte die Laterne ab und schloß die Tür hinter sich. Bolitho streckte die Arme aus und umfaßte Violas Schultern, spürte, wie die Fassung sie verließ, als sie seinen Nacken umschlang und die Lippen fest an seine Wange preßte.

«Endlich!«Sie umklammerte ihn noch fester.»Oh, mein Geliebter, endlich bist du zurückgekommen, um uns zu retten.»

«Ich bringe dich zur Kajüte«, sagte er.

«Nein! Nicht dorthin. «Sie blickte zu ihm auf, immer noch ungläubig staunend.»Bring mich an Deck.»

Sie tasteten sich durch das Gewimmel von Männern und

Frauen, Matrosen und neu angekommenen Marinesoldaten,

bis sie das hohe Achterdeck erreichten. Dann stand sie im frischen Wind, strich sich wiederholt mit den Fingern durch das Haar und holte so tief Luft, als ob jeder Atemzug ihr letzter wäre.

Bolitho konnte sie nur ansehen. Er fürchtete um sie, hätte ihr gern geholfen. Er zwang sich zu der Frage:»Und dein Mann? Ist er in Sicherheit?»

Sie nickte langsam und wandte sich ihm zu.»Aber wo ist dein Schiff?»

«Das Risiko war zu groß«, erklärte er.»Sie hätten euch alle umgebracht, ehe die Tempest in die Bucht eingelaufen wäre.»

Sie kam quer über das Deck auf ihn zu, der Saum ihres Kleides schleifte über die ausgetretenen Planken. Sie sprach nicht, aber ihr Blick blieb auf ihn gerichtet, bis sich ihre Körper berührten.

Dann erst brach sie zusammen, schluchzte an seiner Brust und vergaß das Schiff und alles um sie herum. Keen blieb mit einem Fuß auf der obersten Sprosse zum Achterdeck stehen. Er hatte ein Dutzend Fragen an seinen Kommandanten. Doch als er die beiden sah, verzichtete er darauf und kehrte zum Hauptdeck zurück. Seine Stimme klang plötzlich wieder fest.

«Bleiben Sie auf Station, Mr. Ross. Mr. Swift, kümmern Sie sich um die Verletzten, und berichten Sie mir dann. «Allday beobachtete ihn und erinnerte sich an den jungen Midshipman, den er einst vor einem qualvollen Tod bewahrt hatte. Jetzt war Keen ein Mann, ein Offizier des Königs. Dann wandte Allday sich um und blickte zum Achterdeck. Nun, Keen sollte eigentlich ein guter Offizier werden, dachte er. Schließlich hatte er das beste Vorbild.

VI Revanche

Bolitho legte die Feder hin und reckte die Arme. Es war früher Abend, zu früh für eine Lampe, aber nicht mehr hell genug zum Schreiben. Er sah sich in der großen Kajüte der Eurotas um. Jetzt, nachdem die geplünderten Kisten und verstreuten Kleidungsstücke weggeräumt waren, wirkte sie nahezu normal.

Er stand auf und ging zu dem hohen Heckfenster. In einiger Entfernung an Steuerbord segelte sein eigenes Schiff, die Tempest: ein bildschöner Anblick. Bram- und Marssegel schimmerten rosig im Sonnenlicht, ihr Bug sprühte Gischt, während sie stetig eine Welle nach der anderen durchpflügte.

Herrick hielt die Tempest weit in Luv für den Fall, daß doch jemand auf der Eurotas einen Handstreich versuchen sollte. Wäre wirklich jemand töricht genug dafür, konnte er die Fregatte sofort unter vollen Segeln heranbringen und das andere Gesicht zeigen, das Bolitho erst vor drei Tagen an ihm gesehen hatte.

Als er die Eurotas vorsichtig aus der Bucht manövriert hatte, war die Tempest gerade um die Landzunge gekreuzt, genau wie er und Herrick geplant hatten. Zum erstenmal hatte Bolitho sein gefechtsbereites Schiff von außen gesehen. Mit ausgerannten Geschützen, Großsegel und Fock zu den Rahen aufgegeit, mit den in den Masten und unter den Schutznetzen kauernden Seesoldaten, die ihre Musketen schußbereit auf das langsamere Handelsschiff gerichtet hielten, bot die Tempest einen bedrohlichen Anblick. Wie Herrick später erklärte, hatte er keinerlei Risiko eingehen wollen. Selbst die hastig gehißte Flagge der Eurotas und Swifts Signale hatten ihn nicht überzeugt. Seine besten Geschützführer setzten zwei Zwölfpfünderkugeln neben den Rumpf des Handelsschiffes, während die Tempest ihnen signalisierte, beizudrehen und ein Enterkommando an Bord zu nehmen.

Nachdem Herrick Bolithos Bericht gehört und das Chaos selbst gesehen hatte, reagierte er weitgehend so, wie Bolitho es erwartet hatte. Er verbarg seine Erleichterung darüber, Bolitho lebend anzutreffen und die Aktion erfolgreich beendet zu sehen, hinter Vorwürfen.»Sie hätten auf uns warten sollen, Sir. Was hätte nicht alles geschehen können? Sie hätten von diesen Schurken getötet oder gefangen werden können.»

Selbst als Bolitho ihm erklärte, daß der Amerikaner Jenner einen der Meuterer mit brennender Lunte im Pulvermagazin aufgestöbert hatte, dem befohlen worden war, das Schiff mit allem in die Luft zu sprengen, hatte Herrick eigensinnig auf seiner Kritik beharrt.

Bolitho erinnerte sich mit einem verhaltenen Lächeln der Versuche Herricks, seine Mißbilligung zu bewahren. Er hatte es nie lange geschafft.

In den drei Tagen, die sie brauchten, um die Inseln hinter sich zu lassen und wieder Kurs auf Sydney zu nehmen, hatte Bolitho viel nachgedacht. Er hatte ihre Lage analysiert und einen Bericht für den Gouve rneur und Kommodore Sayer aufgesetzt.

Die Rebellion auf der Eurotas war ausgebrochen, als Feuer aus einer der vorderen Luken gemeldet wurde. In dem anschließenden wilden Durcheinander, das bei einem mit Zivilisten und Deportierten überfüllten Schiff nicht überraschen konnte, war das Achterdeck der Eurotas von einigen» Passagieren «gestürmt und besetzt worden, die in Santa Cruz an Bord gekommen waren, wo man Obst und Wein für die lange Fahrt um Kap Horn übernommen hatte. Offenbar war der Kurs der Eurotas monatelang beobachtet worden.

Bis die Besatzung festgestellt hatte, daß das Feuer nur auf ein paar ölige Lumpen in einem großen Eisentopf zurückzuführen war, befand sich das Schiff schon in anderen Händen. Einige Gefangene waren sofort zu den Meuterern übergegangen. Manche hatten versucht, ihre Frauen zu schützen, und waren auf der Stelle umgebracht worden. Kapitän Lloyd war mit vorgehaltener Pistole zur Kursänderung auf die Inselgruppe gezwungen worden. Anscheinend hatten die Piraten eine kritische Situation vorausgesehen, als sie von einem kleinen Postschiff, das auf dem Weg nach Sydney war, gesichtet wurden und ihr Erkennungssignal setzen mußten.

Sobald sie erst in Sichtweite der Inseln war, wurde jede Hoffnung der Besatzung, das Schiff wieder in ihre Gewalt zu bekommen oder auch nur den geringsten Widerstand zu leisten, zunichte. Denn ein großer, schwer bewaffneter Schoner eskortierte die Eurotas in die Bucht, und zwei Bootsladungen Männer kamen an Bord. Einer der loyal gebliebenen Seeleute hatte ausgerufen:»Die übelsten Schurken, die Sie sich vorstellen können, Sir!«Dann hatten die Schrecken wirklich begonnen. Plünderungen und trunkene Exzesse waren an der Tagesordnung. Ein Teil der Piraten hatte das Umladen der Ladung und Waffen, des Geldes und der Vorräte überwacht und die verstörten und eingeschüchterten Sträflinge dabei wie Sklaven eingesetzt, während die übrigen wie die Wilden auf dem Schiff hausten. Menschen waren totgeprügelt oder buchstäblich zerhackt, Frauen und Mädchen wieder und wieder in einem Taumel von Grausamkeit geschändet worden.