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«Und Sie sind auf dem Weg nach Neusüdwales?«fragte Bolitho.

«Ja. «De Barras stand auf, trat schnell ans Querschott und zog einen Vorhang zurecht.»Ungeschicktes Pack! Sie leben wie die Schweine und haben keinen Sinn für das Schöne. «Doch dann unterdrückte er seine plötzliche Gereiztheit und setzte sich wieder.»Ich möchte — Ihrem Gouverneur meine Aufwartung machen und dort Vorräte ergänzen. «Bolitho bewahrte ein Pokergesicht. Der Gouverneur würde bestimmt in die Luft gehen, wenn er eine französische Fregatte in seinem Hafen sah.

De Barras fuhr ruhig fort:»Ich bin auf der Suche nach einem gewissen Piraten, schon seit Monaten. Er ist Engländer, aber nichtsdestoweniger ein Pirat. Wir haben beide die gleiche Aufgabe: ihn zu vernichten, wie, m'sieu?«Das schien ihn zu amüsieren.»Er machte die Karibische See von La Guaira bis Martinique unsicher. Ich verfolgte ihn nach Port of Spain und verlor ihn aus den Augen, nachdem er dort in der Nähe ein Dorf überfallen und gebrandschatzt hatte. «Seine Brust hob sich erregt.

Wie ein verzogenes Kind, dachte Bolitho. Äußerlich mochte er gebrechlich scheinen, aber unter der Haut war er gefährlich wie eine Schlange.

«Für einen einzelnen ist das schwierige Arbeit«, antwortete Bolitho. Er suchte nach einem Hinweis auf den Grund für de Barras' Vertraulichkeit.

«Er zieht eben andere an. «De Barras schlürfte genüßlich Wein.»Er selbst ist ohne jede Loyalität, kann sie aber in anderen wecken. Ich wollte das dem Gouverneur von Neusüdwales erklären, aber offenbar ister besser informiert, als mir bewußt war. «Er kam zu einem Entschluß.»Dieser Pirat heißt Tuke. Und er hat einen Mann bei sich, der von Martinique nach Frankreich deportiert werden sollte. Das war eine meiner Aufgaben. «Er spie die Worte förmlich aus.»Dieser cochon Tuke verhalf ihm zur Flucht, und jetzt dient er in dessen übler Mannschaft.«»Darf ich fragen, wer dieser Mann ist?«»Spielt keine Rolle. «De Barras hob die Schultern.»Ein Verräter Frankreichs, ein Agitator. Er muß dingfest gemacht und bestraft werden, ehe er weiteres Unheil anrichten kann. «Als Bolitho dazu schwieg, fügte de Barras heftig hinzu:

«Das liegt auch im Interesse Englands. Dieser Verräter wird mit Tukes Hilfe den Aufruhr schüren und immer mehr Schiffe und Inseln überfallen und ausrauben, je größer seine Macht wird. «Er tupfte sich ein Schweißtröpfchen vom Kinn.»Es ist einfach Ihre Pflicht!»

Ein Schatten fiel in die Kajüte, und als Bolitho sich nach den Fenstern umdrehte, glaubte er, eine Geistererscheinung aus einem Alptraum vor sich zu sehen. Draußen hing ein Mann, oder vielmehr das, was von ihm übrig war. Er baumelte an seinen Handgelenken, die Füße waren mit einem Strick gefesselt, der zum Ruder hinunterführte. Der Körper war übersät mit blutigen Rissen und tiefen, klaffenden Wunden. Ein Auge war aus der Höhle gerissen, das andere starrte blicklos in die Fenster, während der Mund wie ein schwarzes Loch gähnte.

De Barras war nahezu außer sich vor Wut. »Mon Dieu!«Er stieß den verstörten Diener auf die Tür zu und schickte ihm wütende Drohungen nach.

Von oben erklangen Stimmen, und der verstümmelte Körper verschwand schnell aus dem Blickfeld. Bolitho saß erstarrt in seinem Sessel. Er wußte, was da vorgegangen war: der barbarische alte Brauch des Kielholens. Einen Mann auf diese Weise zu bestrafen, hieß, ihn zu einem gräßlichen Tode verdammen. Das Opfer wurde am Bug zu Wasser gelassen und unter Wasser den Kiel entlanggezogen. Jetzt, nach dreijährigem Einsatz, mußten Kiel und Unterwasserschiff der Narval, ob kupferbeschlagen oder nicht, mit messerscharfen Muscheln bewachsen sein, die einen Menschen zerfleischen konnten, falls er nicht den Mut besaß, sich selbst zu ertränken.

Bolitho stand auf.»Ich verlasse Sie jetzt, m'sieu le Comte«, sagte er.»Wie Sie soeben ausführten, habe ich Pflichten zu erfüllen. Wenn Sie mich also entschuldigen wollen?«Angeekelt und empört, wandte er sich zur Tür. De Barras starrte ihn an.»Der Mann war ein Unruhestifter. Unverschämtheiten dulde ich nicht. Ein dreckiges, primitives Schwein!»

Bolitho trat ins Sonnenlicht hinaus. Er dachte an Le Chaumareys, dessen unerschütterlicher Mut die Besatzung inspiriert und zusammengehalten hatte. Im Vergleich zu ihm war de Barras ein Ungeheuer, ein bösartiger Tyrann, der das Kommando über die Narval vermutlich nur erhalten hatte, damit er Frankreich fernblieb.

An der Pforte sagte de Barras scharf:»Sparen Sie Ihren Zorn für den Feind auf!«Und sowie Bolitho den ersten Schritt von Bord machte, drehte er sich auf dem Absatz um und stelzte zur Kampanje zurück.

Derselbe Leutnant begleitete Bolitho zurück. Als sie beinahe längsseit der Tempest waren, fragte Bolitho ihn:»Wird Ihr Schiff so befehligt — durch Terror?«Der junge Offizier starrte ihn nur an, aber sein Gesicht war unter der Sonnenbräune blaß.

Bolitho erhob sich, es drängte ihn, auf sein Schiff zurückzukommen. Doch er fügte noch hinzu:»Denn wenn dem so ist, dann sehen Sie sich vor, daß der Terror nicht auch Sie verschlingt.»

Nur Minuten nach seiner Rückkehr erhielt Bolitho ein Signal von Raymond: die Aufforderung, ihn unverzüglich aufzusuchen.

Obwohl Bolitho noch aufgewühlt war von den Ereignissen an Bord der französischen Fregatte, erfüllte ihn das dennoch mit einer gewissen Befriedigung. Wie er vorausgesehen hatte, bestand Raymond darauf, daß er an Bord des Frachters kam, auch wenn er dabei Viola begegnen konnte. Raymond mußte demonstrieren, daß er und nicht Bolitho die Befehlsgewalt in Händen hielt, und seine Neugier tat ein übriges.

Herrick beobachtete ihn besorgt, als er sich abermals für eine Überfahrt vorbereitete, diesmal in seiner eigenen Gig. Bolitho zog sich saubere Breeches an und schilderte dabei de Barras und die Tyrannei an Bord der Narval. Er nahm an, daß Herrick de Barras mit dem Kapitän der Phalarope verglich, auf der sie sich kennengelernt hatten. War das erst vor sieben Jahren gewesen? Es schien kaum möglich. Sie hatten so vieles zusammen gesehen und erlebt. Herrick sagte schließlich:»Abscheulich, auch nur davon zu hören. Ich jedenfalls werde mich sehr viel wohler fühlen, wenn seine Obersegel unter dem Horizont verschwinden.»

«Ich möchte wetten, daß Sie diesbezüglich enttäuscht werden, Thomas.»

Bolitho nahm von Noddall ein Glas Wein entgegen. Er wollte damit ebensosehr den Nachgeschmack des Franzosen herunterspülen wie das Salz, das ihm in der Kehle saß. Herrick sah ihn überrascht an.»Aber Sie sagten doch, die Narval wolle nach Neusüdwales segeln. «Bolitho schob sein Halstuch zurecht und lächelte grimmig.»Sie wollte. Ich vermute, daß de Barras auf glühenden Kohlen sitzt, bis er diesen geheimnisvollen Franzosen wieder eingefangen hat. Dafür sieht er in uns einen Bundesgenossen. Vielleicht hat er recht. «Er griff nach seinem Hut.»Nun?»

Herrick seufzte.»Schon gut, Sir. «Weitere Warnungen schienen keinen Sinn zu haben, denn Bolithos Augen leuchteten heller als seit langer Zeit. Er folgte Bolitho zur Einstiegspforte und stand neben ihm über der dümpelnden Gig. Ein schneller Blick nach achtern verriet Herrick, daß Keen und Lakey und selbst der junge Midshipman Swift auf der Lauer lagen und wie eingeweihte Verschwörer grinsten. Es deprimierte ihn. Sie verstanden nicht, daß es hier nicht nur um ein Wiedersehen ging, sondern auch um eine Karriere.

Borlase stand an der Pforte der Eurotas, um Bolitho zu begrüßen; seine kindlichen Gesichtszüge waren bemüht ausdruckslos.

Bolitho blickte sich auf dem Hauptdeck um und bemerkte dankbar, daß unter dem Ersatz für die Getöteten oder Verletzten eine ganze Anzahl fähiger und erfahrener Seeleute war. In jedem abgelegenen Hafen, selbst einem so jungen wie Sydney, schien es immer einige zurückgebliebene Matrosen zu geben, die bereit waren, es noch einmal mit einem unbekannten Schiff zu versuchen. Nur dieses eine Mal noch. Alle Seeleute sagten das.»Wie geht es den Gefangenen, Mr. Borlase?«»Ich habe sie entsprechend Ihrer Anregung in kleinen Gruppen zur Arbeit eingesetzt, Sir. «Da schwang Mißbilligung mit.»Gut.»