Keen kehrte zurück und sah zur Hütte hinüber.»Ich habe die Leute antreten lassen, Sir. Sie scheinen zu verstehen, was von ihnen erwartet wird.»
Zum Glück waren die meisten Männer wegen ihrer Fähigkeiten und ihrer Zuverlässigkeit für die Arbeit an Land ausgesucht worden. Männer wie Miller, der sich als erstklassig erwiesen hatte, auch wenn er sich in der Schlacht in einen hemmungslosen Killer verwandelte. Penneck, der Kalfaterer des Schiffes, der bei den Hütten letzte Hand angelegt hatte. Der große Böttcher, Tom Frazer, vertrauenswürdig, wenn er nicht trank. Jenner, der verträumte Amerikaner, und ein weiterer Weltenbummler, der in Frankreich geborene Lenoir; dazu der ehemalige Wildhüter Blissett. Der letztere sah in dieser neuen Isolierung höchstwahrscheinlich eine Chance, sich die Korporalstreifen zu verdienen.
«Danke. «Bolitho lächelte.»Bleiben Sie bei Ihrer Malua. Ich brauche Sie einstweilen nicht. «Er winkte Allday.»Wir gehen jetzt zur Siedlung und sprechen mit Mr. Raymond. Die Sträflinge müssen vom Dorf und von uns abgesondert werden. So können die Wachen vom Corps sie beaufsichtigen und gleichzeitig zur Verteidigung der Einfriedung und des Ankerplatzes eingesetzt werden. «Er war selbst verwundert darüber, wie schnell seine Ideen sich in Aktionen umsetzen ließen. Es war der reine Wahnsinn. Was konnten er und eine Handvoll Männer hier ausrichten? Sobald die Eingeborenen vom Fieber dahingerafft wurden, mußte die Lage schnell unhaltbar werden. Zu einer langen Belagerung würde es gar nicht erst kommen, sondern gleich zum Massaker. In der langgestreckten Hütte, die Gwyther als Lazarett benutzt hatte, saßen der Billyboy genannte Marinesoldat und die beiden verwundeten Matrosen. Er spürte ihre Unsicherheit, ihre neue Angst.
«Keine Sorge«, sagte Bolitho aufmunternd.»Ihr seid nicht vergessen.»
«Geht es wieder los, Sir?«fragte Billyboy.»Können Sie eine Muskete halten?»
Der Marinesoldat nickte nachdrücklich.»Bestimmt, Sir. Mir geht's jeden Tag besser. Nur das Bein…«Bolitho lächelte.»Gut. Sie werden sofort bewaffnet, und ich ernenne Sie zum Waffenmeister.»
Er ging weiter, Allday an seiner Seite. Waffen? Im Fort gab es Drehbassen und einige Sechspfünder. Kaum eine nennenswerte Artillerie, aber sie konnte jeden Angreifer von der Pier fegen wie Kies von der Straße. Auf einer Anhöhe blieb er stehen und sah auf die Bucht hinaus. Die Tempest lag wie zuvor gelassen über ihrem Spiegelbild. Die Aufregung, die seine Nachricht an Bord geschaffen haben mußte, war aus der Ferne nicht wahrzunehmen. Der arme Thomas. Ohne sein Pflichtgefühl wäre auch er hier gewesen.
Bolitho sah zur Eurotas hinüber. Das Beste wäre, die Sträflinge dorthin zu verlegen, statt sie an Land zu behalten und die Gefahr einer Ansteckung noch zu vergrößern. Er versuchte angestrengt, Schwächen oder Mängel in seinen rasch gefaßten Plänen zu entdecken. Vor wenigen Stunden erst hatte alles angefangen. Das Leben konnte blitzschnell eine neue Wendung nehmen, ohne die geringste Andeutung einer Warnung.
Die Pier lag verlassen da, und Hardacres Langboote dümpelten leicht an ihren Tauen, die Dollborde von der Sonne so versengt, daß kaum noch Spuren von Lack oder Farbe zu entdecken waren.
Sie kamen an das große Tor, und Bolitho sah zwei Soldaten des Corps ihn von einem der kleinen Blockhäuser her beobachten.
Allday rief:»Öffnet das Tor für Kapitän Bolitho!»
Ein Offizier erschien auf der Brustwehr, den Waffenrock in der Sonne so rot wie Blut.
«Tut mir leid, Captain. Aber der Gouverneur hat befohlen, das Tor für jedermann verschlossen zu halten! Zur Sicherheit meiner Leute und aller, die im Fort Dienst tun, aber auch der gesamten Siedlung wird diese Vorkehrung für das beste gehalten.»
Bolitho starrte ihn an; sein Verstand blieb kühl, trotz der Ungeheuerlichkeit von Raymonds Verrat. Er rief:»Wir müssen zusammenhalten! Die Schiffe sind ein Teil, die Inseln der andere. Wenn wir der Bedrohung durch einen Angriff oder der Krankheit entgegentreten wollen…«Angewidert brach er ab. Seine Worte hatten wie eine flehende Bitte geklungen.
Allday sagte heiser:»Ich nehme mir diesen Schuft vor, Captain! Ich schlitze ihn auf wie einen Hering!«»Nein.»
Bolitho wandte sich ab. Raymond konnte tun, was er wollte. Durch das Fort floß ein unterirdischer Bach, brachte jede Menge Trinkwasser. Hardacre hatte die Lage sehr klug bestimmt. Sie mußten reichlich Lebensmittel haben, weit mehr, als sie brauchten, da sie nach den Verlusten der Miliz weniger Personen zu verpflegen hatten. Wenn außerhalb der Palisaden alle starben und die Eingeborenen dezimiert wurden, konnte Raymonds Entscheidung, das zu retten, was noch zu retten war, als brillanter Plan hingestellt werden. Besonders für jemanden hinter einem prächtigen Schreibtisch auf der anderen Seite des Globus.»Wir gehen zu den Hütten zurück. «Er warf Allday einen raschen Blick zu, als sie den Abhang wieder hinunter und auf die Bäume zugingen. Woran erkannte man die ersten Anzeichen für Fieber? Es war die geheime Furcht jedes Seemanns. Bolitho konnte das Verhalten der Soldaten im Fort verstehen. Aber es war eine törichte Schutzmaßnahme, denn Gelbfieber überwand schnell jeden Wall.
Er traf Pyper dabei an, eine Liste der vorhandenen Vorräte aufzustellen, und sagte:»Schicken Sie einen Mann auf die Pier, um die Schiffe zu beobachten. «Er sagte es nüchtern, um Pyper nicht auf irgendwelche Gedanken zu bringen, falls er nicht schon von selbst darauf gekommen war. Die Schiffe bedeuteten Sicherheit unter den eigenen Leuten. Während hier…
Pyper nickte.»Ja, Sir.»
Ungeachtet dessen, daß er provisorisch zum Leutnant ernannt worden war, sah Pyper sehr jung und verletzbar aus. Wie Keen früher, als er unter Bolithos Kommando gekommen war.
Im Innern der Hütte war es kühl. Bolitho blickte auf das Mädchen hinab und erschrak, als er sah, wie sehr es sich in kurzer Zeit verändert hatte. Das Gesicht war verzerrt, der Mund zuckte wie in Trance.
Hardacre wischte ihr mit einem Tuch über die Stirn. Er stand auf und sagte:»Ich habe von Raymonds Entscheidung gehört. Ich hätte mir denken können, daß er nichts taugt. Ein Regierungsspitzel, ein Lakai.»
Bolitho erwiderte:»Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«Draußen zog Hardacre eine flache Flasche aus seinem Gewand und bot sie Bolitho an.
«Gesünder als Wasser. Macht es einem auch leichter, ruhig zu bleiben.»
Bolitho ließ sich die Flüssigkeit über die Zunge rinnen. Sie brannte, stillte aber den Durst.
Er sagte:»Ich denke an das, was Sie über die Insel Rutara gesagt haben. Daß sie Tuke ein gutes Versteck bieten würde.»
Hardacre lächelte.»Wie können Sie noch an diese Dinge denken? Das liegt doch jetzt hinter uns.»
«Sie bezeichneten sie als heilige Insel.»
«Das stimmt. Es ist ein rauher, felsiger Ort, nicht geeignet,
bewohnt zu werden. Aberglaube und Angst sind aus ihr entstanden. Die Eingeborenen wollen dort nicht an Land gehen. Halten es für ein Sakrileg, ein Vorzeichen für Krieg.
Tuke wird das wissen.»
«Und de Barras?»
«Der wohl nicht.»
Bolitho dachte an die falschen Masten, an die Qual und den Schock der Beschießung. Er hatte gewußt, daß Tuke einen Plan verfolgte. Vielleicht war alles nur eine Probe für das Bevorstehende gewesen. De Barras würde mit feuernden Geschützen in die Bucht einlaufen, ob er nun über Genin und die Revolution Bescheid wußte oder nicht. Die Wildheit des Kampfes konnte auf seinem Schiff schnell wieder Ordnung und Disziplin schaffen und die Vernichtung
Tukes für kurze Zeit Sicherheit bringen.
Doch von all dem würden die Insulaner nichts wissen und sich auch nicht dafür interessieren. Für sie waren Tuke, de
Barras und die englischen Matrosen alle gleich: feindselig,