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Die beiden Boote lösten sich wieder voneinander, plötzlich sehr klein und gebrechlich auf der großen Weite.

Über Alldays breiten Rücken hinweg bemerkte er, daß Viola ihn beobachtete. Ihre Augen im Schatten ihres Strohhuts sprachen zu ihm so deutlich wie mit Worten.

Pyper räusperte sich nervös, denn ihm stand nichts

Geringeres bevor, als seinem Kapitän Befehle zu geben.

«Riemen bei!«Er blickte auf den kleinen Kompaß.»Rudert an!»

Mit dem Rücken gegen die Bordwand gelehnt, saß der verwundete Marinesoldat auf dem Boden des Bootes und blinzelte zu Viola Raymond auf. Wie alle anderen nannte er sie in Gedanken nur» Die Lady des Kapitäns«, und das hatte einen guten und respektvollen Klang. Sie war gut zu ihm, hatte über sein verletztes Bein gewacht, besser als jeder Schiffsarzt, und war sanft wie ein Engel. Die Sonne strahlte so hell um die Krempe ihres Hutes, daß er ihr Gesicht nicht erkennen konnte, aber er sah die Schmutzflecken auf ihrem Kleid und an ihren Schuhen, die sie sich beim Einsteigen zugezogen hatte. Wieder schoß der Schmerz durch sein Bein, und er suchte mühevoll eine andere Stellung.

«Wie geht's, Billyboy?«fragte sie.

Er schnitt eine Grimasse.»Läßt sich aushallen, Ma'am. Nur ein Krampf.»

Der andere Verwundete, Evans, sagte nichts. Er betrachtete die Knöchel der Frau unter dem Saum ihres Kleides und stellte sich das glatte Bein darüber vor. Dann dachte er an seine Frau in Cardiff und fragte sich, wie sie ohne ihn wohl zurechtkam. Sie war eine gute Frau und hatte ihm vier hübsche Töchter geboren. Er schloß die Augen und ließ sich in Schlaf sinken.

Zu Pypers Füßen vergewisserte Blissett sich, daß Pulver und Geschosse trocken untergebracht waren, und sah dann den schlafenden Evans an. Plötzlich erkannte er so klar, als ob eine Stimme es ihm ins Ohr geschrieen hätte: Evans lag im Sterben. Die Erkenntnis erschreckte ihn, und er wußte nicht, warum. Blissett hatte viele sterben sehen. In Schlachten, in Schlägereien oder einfach, weil sie von der einen oder anderen Krankheit befallen worden waren. Doch das Gesicht von Evans sehen und wissen, was mit ihm geschah, war wie das Geheimnis eines anderen aufzudecken, und das beunruhigte ihn zutiefst.

Hinter Bolitho saß der Amerikaner Jenner und hob und senkte mühelos seinen Riemen. In Gedanken befand er sich auf einer seiner vielen eingebildeten Reisen. Wenn er abgemustert hatte, wollte er sich eine Farm in Neuengland kaufen, meilenweit von allen anderen entfernt. Und sich dort mit einem Mädchen niederlassen. Er versuchte, sich ein Bild von ihm zu machen, und begann, sich in seiner Vorstellung eine vollkommene Gefährtin zu schaffen. Der nächste war Orlando, der seinen Riemen unbeholfen, aber genau bediente, indem er den Takt von den anderen übernahm. Er duckte sich, als Miller über ihn hinwegstieg, um seinen Platz im Bug einzunehmen. Seine Arbeit am Segel hatte Miller bis zur nächsten Ruhepause aufgeschoben. Denn da nur fünf Riemen eingesetzt waren, wurde ihre ganze Kraft gebraucht. Miller legte sich ins Zeug und grinste zum Himmel auf. Es war wie ein Kampf, und für Jack Miller war das Speise und Trank in einem. Und so ging es weiter. Unter erbarmungslosem Glanz oder teilweise durch niedrigen Dunst verhüllt, krochen die beiden Boote wie unansehnliche Käfer über das Wasser. Die Männer an den Riemen wechselten sich ab, die Ration Schiffszwieback und ein Brocken Salzfleisch wurden ausgegeben und mit einem Becher Wasser hinuntergespült. Die Nacht brachte Erleichterung von der quälenden Hitze; ihre Bemühungen, stetig vorwärts zu kommen, wurden unverändert fortgesetzt.

Mit schmerzendem Rücken von dem ungewohnten Rudern und mit von Blasen bedeckten Händen saß Bolitho an der Pinne. Violas Kopf ruhte auf seinen Knien. Einmal griff sie nach ihm und stöhnte leise im Schlaf, als Bolitho ihr das Haar vom Mund fortstrich.

Pyper hatte einen der Riemen übernommen, und Miller schöpfte Wasser aus dem Boot. Sie wirkten ausgelaugt, schon jetzt halb geschlagen. Bolitho preßte die Kiefer aufeinander. Und das war erst der erste volle Tag.

Nach den stoßenden Bewegungen des Kutters hatte man auf dem festen Strand das Gefühl, als ob auch er schwanke. Bolitho beobachtete Keen und Miller, die sich vergewisserten, daß die Boote gut gesichert waren, und er hörte, wie Sergeant Quare Wachtposten für die kleine Bucht einteilte. Wieder bezauberte ihn das Idyllische des Ortes: üppiges Grün und das regelmäßige Plätschern und Gurgeln der anlaufenden Wellen auf dem hellen Sand. Aber er wußte, wie täuschend das sein konnte, wußte nur zu gut, daß Wachsamkeit für sie lebensentscheidend war. Pyper kam zu ihm, das Gesicht von der Sonne versengt.»Sollen wir die Boote entladen, Sir?«»Noch nicht. «Bolitho richtete plötzlich beunruhigt sein kleines Teleskop auf die weiter entfernte Seite der Bucht. Doch was er für eine Rauchwolke gehalten hatte, erwies sich als nichts Bedrohlicheres als ein Schwarm schwirrender Insekten.»Wir wollen eine Weile warten und erst feststellen, daß wir nicht bemerkt worden sind. «Er wollte die Boote ausladen lassen, wenn auch nur, um sie zu erleichtern und zu verhindern, daß sie von der Brandung unnötig hin und her gestoßen wurden. Er war besorgt. Er versuchte, sich selbst zu überzeugen, daß er übertrieben vorsichtig, daß die dringend notwendige Ruhepause vor der Weiterfahrt nach Rutara wichtiger war. Er sah Evans und den Matrosen Colter unter einigen Schatten spendenden Palmen liegen. Der andere Verwundete, der Marinesoldat Billyboy, saß mit dem Rücken gegen eine Palme gelehnt und half Viola beim Wechseln seines Verbandes. Die übrigen Angehörigen seiner kleinen Truppe bewegten sich ruhelos auf dem Strand, versuchten, die Benommenheit nach der anstrengenden Arbeit abzuschütteln. Er sah, wie sie Evans lächelnd die Stirn abwischte und ihn zu trösten versuchte. Mit tiefer Rührung dachte er an die vergangenen, bei Tag und Nacht im offenen Boot verbrachten Stunden zurück. Nicht einmal hatte sie sich beklagt oder die geringste Bevorzugung verlangt. Und jetzt war sie mit auf dem Strand und nahm sich der Verwundeten an. Wenn sie wußte, daß Evans starb, dann verbarg sie ihre Bestürzung sehr gut. Quare kam auf ihn zu.»Alles klar, Sir. «Er deutete auf die geschwungene Wand aus dichtem Laub.»Ich schicke die Leute zum Nüssesammeln. «Er zwang sich zu einem schiefen Lächeln.»Ich könnte auf der Stelle eine ganze Gallone Bier austrinken.»

Keen trat zu ihnen.»Sollen wir ein Feuer machen, Sir?«Er rieb sich die Hände und gähnte herzhaft.»Vielleicht können wir einen oder zwei Vögel treffen. Frazer war so gescheit, einen Kochtopf mitzubringen.»

Bolitho nickte.»Das machen wir gleich. Muscheln und ein paar Brocken Salzfleisch und dazu, was wir an Vögeln erlegen können. Auf der Tafel eines Admirals würde es sich nicht besonders gut ausnehmen, aber etwas Warmes wird uns allen sehr guttun.»

Er setzte sich und stützte den Kopf in die Hände, plagte sich mit den Problemen ihrer weiteren Fahrt, der steigenden Belastung, der sie alle ausgesetzt waren. Er blickte wieder zu ihr hinüber. Besonders eine Frau. Doch in gewisser Weise besaß sie mehr innere Reserven und Mut als jeder andere.

Er hörte einen Mann lachen und einen anderen darauf mit einer Flut obszöner Flüche reagieren, als ihm eine Kokosnuß auf den Kopf fiel. Der Getroffene drehte sich aber gleich hastig um und keuchte:»Bitte um Entschuldigung, Ma'am. «Sie lachte über seine Verlegenheit.»Mein Vater war Soldat. Von ihm habe ich Schlimmeres gehört. «Ihre Worte lösten bei Bolitho einen neuen Gedanken aus. Wie wenig wußte er doch von ihr. Sie hatte durch die Lektüre der Gazette und Gespräche mit seinen Vorgesetzten über ihn viel mehr erfahren, und dennoch war in den fünf Jahren ihrer Trennung seine Liebe zu ihr stärker geworden, statt zu verblassen.