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Colter, der verwundete Matrose, knurrte:»Ich wünschte bei Gott, er würde sterben. Der treibt uns alle noch zum Wahnsinn.»

«Das genügt!«fuhr Bolitho ihn an. Er stand auf, mit pochenden Schmerzen im Kopf.»Orlando, halten Sie den Mann fest, während der Verband gewechselt wird.«Über die langsam bewegten Riemen hinweg beobachtete er sie. In dem Kapitänsrock, wie die Matrosen mit nackten Beinen, wirkte sie noch schöner als sonst. Sie unterbrach ihre Arbeit, während Orlando Penneck gegen die Bootswand drückte, und schüttelte sich eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. Wieder begegneten sich ihre Blicke, und sie lächelte ihm zu.

Blissett schob seinen Riemen quer über das Boot und griff nach seiner Muskete.»Wieder ein Vogel, Sir. «Er schoß, aber der Vogel kreiste wie vorher.

Quare warf ihm eine andere Muskete zu, und fast ohne

Pause schoß Blissett wieder. Der Vogel fiel dicht neben dem Boot ins Wasser und war innerhalb von zehn Minuten verteilt und gegessen.

Als sie ihren wäßrigen Wein schlürften und versuchten, ihn nicht in einem Zug hinunterzustürzen, sagte Pyper stoßweise:»Wenn ich wieder auf dem Schiff bin, werde ich mich nie mehr beklagen.»

Besorgt stellte Bolitho fest, daß der Midshipman dicht vor dem Zusammenbruch stand.

Beinahe sanft sagte er:»Keine Sorge, Mr. Pyper. Es wird schon werden. Sie haben wenn gesagt, nichtfalls. Halten Sie daran mit aller Kraft fest, und das gilt auch für uns andere. «Allday sah von seinem Riemen auf und lächelte bedrückt. Innerlich war ihm zum Weinen zumute. Über die Lady im Uniformrock seines Kapitäns, um den jungen Pyper, um Billyboy, der sich so verzweifelt bemühte, seine Befürchtungen um sein verletztes Bein nicht zu verraten. Doch am meisten um den Kapitän. Er hatte ihn nicht aus dem Auge gelassen, an keinem dieser elenden Tage, beobachtet, wie er jeden Trick anwendete, alles, was er gelernt und an Erfahrungen gesammelt hatte, seit er im Alter von zwölf Jahren zur See gegangen war, um sie zusammenzuhalten.

Während einer Schlacht war es entsetzlich, aber die Leiden und Mühsale hatten für die Überlebenden einen gewissen Sinn. Doch jetzt erlebten sie die Marine von einer Seite, von der Landratten nie etwas erfuhren und für die sie sich nicht im geringsten interessierten.

Bolitho sah ihn an, vielleicht erriet er Alldays Gedanken.

«Zum Wechsel bereit, Allday?»

Allday lächelte und beteiligte sich an dem Spiel.

«Aye, Captain, wenn Sie wirklich mit uns Teerjacken mithalten wollen.»

Jenner gelang ein krächzendes Lachen, und Miller sagte:»Ist schon recht, Sir. Sie tragen ja auch keine Kapitänsuniform mehr, oder?»

Bolitho setzte sich neben Allday auf die Ducht, während

Pyper die Pinne übernahm.

Er mußte fragen:»Was meinen Sie, Allday?»

Die breiten Schultern hoben sich kurz.»Es heißt, der Teufel sorgt für die Seinen. Jedenfalls haben wir eine Chance, das steht fest.»

Bolitho legte sich in den Riemen, verschloß die Augen vor der erbarmungslosen Sonne. Kein Wasser mehr, nur noch ein paar Kokosnüsse und Schiffszwieback. Und dennoch vertrauten sie ihm noch. Es war unverständlich. Er dachte an Pypers rührenden Mut und zwang sich zu sagen: Wenn, nicht falls.

Sein Riemen stieß mit einem anderen zusammen, und er bemerkte, daß er beinahe eingeschlafen oder in Betäubung gefallen war. Die Erkenntnis verhalf ihm, wieder klar zu denken, und er bediente den Riemen mit unerwarteter Kraft. Als er das nächste Mal übers Dollbord blickte, bemerkte er, daß ein deutlich sichtbares Kielwasser den Erfolg ihrer Anstrengungen erkennen ließ. Er schloß fest die Augen und legte sich wieder in seinen Riemen. Wenn, nicht falls.

XV Eine Quelle der Kraft

Zwei Nächte, nachdem Bolitho die letzten Reste Wein und Wasser ausgegeben hatte, fiel ein Sturm mit solcher Wildheit über sie her, daß sie glaubten, nun wäre alles zu Ende. Er traf den Kutter kurz nach Anbruch der Nacht und verwandelte die See zu einem Aufruhr wahnwitziger, schäumender Wellen mit Brechern, die gewaltig genug waren, um nahezu alles zu überschwemmen. Stunde um Stunde wurden sie im wirbelnden Wasser hin-und hergeworfen, kämpften sie darum, das Boot vor dem Umschlagen zu bewahren. Millers Segel wurde samt Rigg in die gischterfüllte Finsternis gerissen, und loses Zeug, Kleidungsstücke und ein Riemen folgten bald. Es war ein rasender, unnachgiebiger Kampf um das Überleben. Keine Befehle wurden gegeben, und keine wurden erwartet. Die erschöpften, zerschlagenen Männer schöpften Wasser oder saßen an den Riemen, von sprühendem Wasser geblendet, fast taub vom Dröhnen der brechenden Wellen und dem jubilierenden Heulen des

Windes.

Und dann, als Bolitho ein leichtes Nachlassen in der Gewalt des Sturmes wahrnahm, kam der Regen. Langsam zuerst schlugen ihnen die schweren Tropfen wie Hagelkörner auf Köpfe und Körper, doch dann mit lautem Zischen, und schienen allein durch ihr Gewicht den hohen Wellengang zu dämpfen.

Heiser schrie er:»Schnell, Leute! Auffangen!»

Mit Stoffetzen, Bechern, allem, was ihnen zur Verfügung stand, versuchten sie, in dem vom Meerwasser

überschwemmten Boot das kostbare Naß aufzufangen. Die

Kranken und Verletzten und die Handvoll Männer an den

Riemen hielten ihre Gesichter in den Guß, die Augen fest zugepreßt, die Münder weit geöffnet, um das aufzunehmen,

was ihnen wie ein Wunder erscheinen mußte.

Bolitho wischte sich das Wasser aus Gesicht und Haar und wandte sich an Viola:»Dein Gebet ist erhört worden, Viola.

Siehst du!»

Blindlings tasteten sie nacheinander, ergriffen sich bei den

Händen, dankbar für den niederrauschenden Regen.

Wenn er nur früher gekommen wäre und ihnen den letzten qualvollen Tag erspart hätte. Sie hatten die letzten

Kokosnüsse verteilt und versucht, jeden Tropfen

Feuchtigkeit aus dem Fruchtfleisch zu saugen.

Am Nachmittag, als das Boot quer zum Seegang dahintrieb,

wurden sie durch einen wilden Aufschrei von Penneck aus ihrem benommenen Zustand gerissen.

«Wasser! Um Gottes willen, Wasser!»

Und noch ehe jemand sich bewegen konnte, hatte er sich am

Dollbord hochgezogen und war um sich schlagend und laut schreiend ins Meer gestürzt, während das Boot schnell von ihm abtrieb.

Woher er dazu die Kraft gefunden hatte, war Bolitho unerklärlich, aber er hatte die Pinne herumgerissen und die Ruderer aus ihrer Lethargie aufgestört. Orlando hatte sich im Bug aufgerichtet und war kopfüber ins Wasser gesprungen.

Penneck war ohne Rücksicht auf seine Verletzung hastig ins Boot zurückgezerrt worden. Doch seine von wahnsinnigem

Durst verursachte Tat hatte weit mehr als nur Kraft und Zeit gekostet. Denn als Orlando den tobenden Penneck schwimmend zum Boot schleppte, hatte der Hai mit der Wucht eines Rammbocks zugeschlagen. Hilflos hatten sie zusehen müssen, wie sich das Wasser um Orlando plötzlich rot färbte, hatten Orlandos schmerzverzerrtes Gesicht gesehen, seinen in einem unhörbaren Aufschrei aufgerissenen Mund. Dann war er hinabgezogen worden, noch als Blisset eine Kugel auf die verräterische Finne abfeuerte.

Allday rief:»Der Wind läßt nach, Captain. «Wie alle anderen war er völlig durchnäßt, und das Haar klebte ihm an der Stirn, das Hemd wie eine zweite Haut am Körper.»Ja.»

Bolitho erwachte widerwillig aus seinen Gedanken. Penneck lag auf dem Boden des Bootes. Sie hatten ihm die Arme gefesselt, aber er zuckte unkontrolliert mit den Beinen, sah keuchend zu den Wolken auf und war schutzlos dem Regen ausgesetzt.

Orlando war fort, fast so gegangen, wie er damals zu ihnen gekommen war. Von der See her und wieder zu ihr zurück. Niemand hatte mehr über ihn erfahren als damals, als sie ihn gerettet hatten. Nur daß er dankbar war, bei ihnen sein zu dürfen.