Herrick nickte. Die Kanus waren jetzt viel näher, die Paddel hoben und senkten sich in vollkommenem Gleichmaß. Er schauderte trotz der Hitze. Er dachte an andere Gelegenheiten, als er sie ohne den Schutz der soliden Schiffsplanken beobachtet hatte.
«Darf ich sprechen, Sir?«Es war ein junger Matrose namens Gwynne, den Herrick von der Eurotas angeworben hatte. Er hatte sich gut eingefügt und schien mit seiner merklich rauheren Umgebung recht zufrieden zu sein.»Ja, Gwynne.»
Der Matrose trat verlegen von einem nackten Fuß auf den anderen, als sich die Offiziere um ihn scharten. Selbst Prideaux war jetzt dabei, obwohl sein Fuchsgesicht Mißbilligung verriet.
«Diese zwei Leute, Sir. Ich kenne sie. Sie sind von der Eurotas. Genau wie ich.»
Herrick fixierte ihn.»Sind Sie sicher, Mann? Nehmen Sie das Glas und sehen Sie noch mal hin.»
Prideaux sagte gedämpft:»Wenn das stimmt, müssen sie
übergelaufen sein, als Tuke das Schiff überfiel.»
«Das weiß ich auch. «Herrick beherrschte mühsam seinen
Ärger.»Bringt sie nach achtern, sobald sie an Bord sind.»
Gwynne nickte nachdrücklich.»Aye, Sir. Sie sind es bestimmt. Der Große heißt Latimer, gehörte zur
Vormastcrew. Ziemlich dummer Kerl. Der andere ist
Mossel, Vollmatrose. «Er schnitt eine Grimasse.»Ein richtiger Galgenvogel.»
Borlase blähte die Wangen auf.»Und genau als das wird er enden.»
Herrick nickte Gwynne zu.»Danke. Das ist eine wertvolle
Hilfe.»
Er sah zu den beiden Gestalten auf der Insel, die jetzt im Wasser wateten und dann plötzlich auf das Boot zuschwammen.
Der Meeresgrund fiel schnell steil ab, wie Herrick festgestellt hatte, als er ankerte. Aber Schultz hatte die beiden Schwimmer schon erreicht.»Die Kanus drehen ab, Sir.»
Herrick spähte zu den schlanken Kanus mit ihren eifrigen Paddlern hinaus. Vielleicht hatten sie darauf gelauert, diese beiden Vogelscheuchen selbst zu fassen. Herrick dachte an das, was Tinah von dem Leutnant der Miliz berichtet hatte: bei lebendigem Leib in Lehm gebacken. Es war zu grausig, auch nur daran zu denken.
Er rief:»Entladen Sie das Geschütz. Es hat keinen Sinn, eine gute Kugel zu vergeuden.»
Brass legte die Hand an die Stirn. Er sah enttäuscht aus, fand
Herrick.
Er sah den Arzt und einen seiner Gehilfen bei der Einstiegspforte warten.
«Schaffen Sie sie zu mir, wenn Sie sie untersucht haben. «Gwyther sah ihn überrascht an.»Aber sie könnten sehr krank sein, Sir. Sie haben selbst gesagt, daß es auf der Insel kein Wasser gibt.»
«Ich sagte >untersucht<, Mr. Gwyther. «Er war nicht bereit, sich noch einmal mit der Frage des» Ausgewogenseins «zu befassen.»Und ich meinte, nicht erst, nachdem sie sich einen Monat lang erholt haben.»
In der Kajüte saß er an Bolithos Schreibtisch, während
Cheadle, der Schreiber, vor einer kleinen Truhe kniete und wie besessen in Papieren wühlte.
Prideaux klopfte an die Tür.»Es ist soweit, Mr. Herrick.»
Die beiden Männer kamen in die Kajüte. Sie blinzelten benommen und wurden von Pearse, dem Schiffskorporal,
und Scollay, dem Schiffsprofoß, halb gestützt.
Gwyther benahm sich wie ein aufgescheuchter Vogel.»Ich schlage vor, daß sie sich setzen dürfen, Sir«, sagte er.
Herrick musterte die beiden Männer kalt.»Wann ich es für richtig halte.»
Sie waren in schlechter Verfassung. Ausgemergelt und mit wilden Augen, die Münder und einen großen Teil der Haut von Schwären bedeckt, die Lippen aufgesprungen vom Durst.
Er erinnerte sich an das, was Gwynne von Mossel gesagt hatte, und wollte es gern glauben. Untersetzt und mit niedriger Stirn wie er war, konnte es nicht viel gekostet haben, um aus ihm einen Piraten zu machen. Herrick sagte:»Ihr seid von der Eurotas.«Er beobachtete den überraschten Blickwechsel.»Ihr könnt mir also das Märchen ersparen, daß ihr Schiffbrüchige wärt und als einzige überlebt hättet. Das haben schon klügere und glaubwürdigere Schurken als ihr versucht. «Der große, schlacksige Matrose namens Latimer versuchte, näher an den Schreibtisch zu treten, aber Scollay knurrte:»Bleib stehen, Kerl.»
Latimer sagte mit heiserer, verängstigter Stimme:»Es war nicht meine Schuld, Sir.»
Prideaux fixierte ihn scharf. Seine Finger strichen über den Griff seines Degens.»Das ist es nie. «Der Mann fuhr gebrochen fort:»Sie haben das Schiff genommen, ehe wir etwas unternehmen konnten. Ich wollte helfen, den Kapitän zu retten, aber… «Der andere namens Mossel knurrte:»Halt's Maul, du Narr. «Herrick musterte ihn nachdenklich. Sie mußten sich tagelang auf der Insel versteckt gehalten haben, voller Angst vor den wachsamen Kanus und gegen jede Hoffnung hoffend, daß ein Schiff nahe genug vorbeikam, um sie zu retten. Doch nicht ein Schiff des Königs. Nur der Durst und die grimmige Erkenntnis, daß sie nicht viel länger überleben würden, hatten sie gezwungen, sich zu zeigen. Herrick sagte ruhig:»Schicken Sie nach dem Bootsmann. «Er sah Midshipman Fitzmaurice unter der Tür.»Mein Kompliment an Mr. Jury, und er soll an der Großrah Stricke anbringen lassen.»
Die Wirkung zeigte sich sofort. Latimer fiel schluchzend auf die Knie.»Das ist nicht gerecht, Sir. Bitte hängen Sie mich nicht. Die anderen haben uns dazu gezwungen. Wir hatten keine Wahl.»
«Es gibt viele, die sich den Piraten nicht angeschlossen haben und noch leben, um es zu bezeugen«, entgegnete Herrick.
Fitzmaurice fragte höflich:»Soll ich den Bootsmann benachrichtigen, Sir?»
«Lassen Sie mich überlegen. «Herrick sah zu, wie Latimer vom Boden hochgezogen wurde.
Mossel sagte:»Wir werden sowieso gehängt. Was soll's, zum Teufel?«Er krümmte sich, als der Schiffskorporal ihm die Faust in die Rippen stieß.
Herrick stand auf. Latimers Jaulen und seine eigene Rolle ekelten ihn an. Aber die Zeit drängte. Es stand mehr auf dem
Spiel als der Hals eines verdammten Meuterers.
Schroff befahl er:»Bringt ihn hinaus. «Zu Latimer fügte er hinzu:»Und Sie setzen sich auf diese Kiste. Ich will nicht,
daß Ihr Schmutz die Möbel des Kapitäns verdirbt.»
Als sich die Tür hinter Mossel geschlossen hatte, fragte
Latimer:»Sind Sie nicht der Kapitän, Sir?«»Nein. Verstehen Sie also: was mein Kapitän nicht weiß, braucht er nicht zu berücksichtigen. Ich kann Sie auf der Stelle hängen, und niemand wird je danach fragen. Ich kann Sie zurück an Land bringen und sagen, daß Sie mir bei meinen Nachforschungen geholfen hätten, und man wird es glauben. Der Kapitän ist an bestimmte Regeln gebunden, ich bin das nicht. «Er beobachtete, wie die Lüge von dem Mann Besitz ergriff, dann schrie er ihn an:»Reden Sie also schon, oder Sie werden noch vor acht Glasen baumeln. «Die Geschichte, die Latimer vorbrachte, war ebenso phantastisch wie erschreckend.
Mit brüchiger, heiserer Stimme berichtete der Mann, der unter Kapitän Lloyd zur Mannschaft des Vormastes gehört hatte, von seinem Dienst an Bord eines Piratenschoners; es war der unter dem Kommando von Mathias Tuke. Gefürchtet, und das mit gutem Grund, verschaffte sich Tuke dennoch eine Art Respekt bei seinen Leuten. Latimer berichtete von seinem Angriff auf die Nordinsel, wie sie Geschütze an Land gebracht und das Dorf in Brand gesetzt hatten. Er beschrieb Mordtaten und bestialische Grausamkeiten, die sich nach Tukes Vorbild bei seiner Gefolgschaft breitmachten, so daß der Tod zu alltäglich wurde, um darüber zu reden.
Er berichtete, daß auch der Franzose Yves Genin an Bord des Schoners gewesen war, sich aber an den Morden und Plünderungen nicht beteiligt hatte. Er schien eine Art Übereinkommen mit seinem brutalen Geschäftspartner zu haben.
Latimer hatte in einer Nacht eine Auseinandersetzung gehört, nachdem sie den ganzen Tag getrunken hatten. Tuke hatte getobt, daß er Genin überhaupt nicht brauche, daß schon das Gerücht, er sei bei ihm an Bord, genüge, um diesen Wahnsinnigen de Barras in eine Falle zu locken. Genin hatte ebenso erregt erwidert, daß seine Leute an Bord der Narval ohne Nachricht von ihm nicht handeln würden. Herrick hörte gebannt zu. So war es also, beinahe genauso, wie Bolitho gesagt hatte. Genin war ein Köder, aber er hatte einige seiner Anhänger bereits in die Besatzung der französischen Fregatte eingeschmuggelt. Vermutlich hatten sie angemustert, als de Barras hinter seinem entkommenen Gefangenen herjagte.