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Ruhig sagte Bolitho:»Viola, wach auf. Du hast recht gehabt. Das muß Rutara sein, obwohl es fast schon ein Wunder ist. «Allday hörte ihn, seufzte auf und rieb sich die schmerzenden Hände an seiner Hose. Er wollte in diesem Augenblick etwas Besonderes sagen. Etwas, das sie zusammenhielt, lange nachdem das Boot, die Qualen dieser Fahrt in ihrer

Erinnerung verblaßt waren.

Er sah Bolitho an und dann Viola Raymond. Bolitho hielt sie an sich gedrückt, wie er es den größten Teil der Nacht über getan hatte. Doch als er sie jetzt zu wecken versuchte, entglitt ihr Arm seinem Griff, hing an ihrer Seite herab und schwankte mit dem Stampfen des Bootes. Allday fuhr auf. Mit heiserer Stimme rief er:»Mr. Keen! Kümmern Sie sich um den Captain!«Er drängte sich nach hinten, stieß die Männer achtlos beiseite und fügte eindringlich hinzu:»Tun Sie, was ich sage, Sir. «Dann war er bei der Pinne, umfing sie beide mit den Armen und rief:»Fassung, Captain. Es ist sinnlos. Überlassen Sie sie mir, bitte!«Und als Bolitho anfing, sich zu wehren, rief er:»Haltet ihn!«Er drehte den Kopf, flehte mit brechender Stimme:»Um Gottes willen, Mr. Keen!«Erst jetzt hatte Keen begriffen. Er packte Bolitho um die Schultern, und Jenner umfaßte den Kapitän von der anderen Seite. Der Amerikaner entschuldigte sich stammelnd:»Ich muß das tun, Sir. Ich darf Sie nicht loslassen. «Allday hob Viola auf, nahm sie in die Arme, trug sie zur Mitte des Bootes und spürte, wie der Wind ihm ihr Haar ins Gesicht wehte. Ihr Körper war noch warm, aber ihr Gesicht lag eiskalt an seinem Hals.

Mit unterdrückter Stimme sagte er zu Miller:»Der Anker, Jack.»

Miller nickte. Wie alle anderen war er fast betäubt von dem, was geschehen war. Ihre überstandenen Leiden, der Anblick der Insel, es bedeutete alles nichts.

Bolitho schrie auf:»Nein!«Allday hörte seine Schuhe auf den nassen Bodenplanken scharren, während Keen und Jenner ihn zurückhielten.

Behutsam streifte Allday Bolithos Uniformrock von Violas Körper und hob sie über die Bordwand, während Miller eine Leine um ihren Körper schlang und den Anker des Kutters daran befestigte. Kein Hai oder Aasfresser sollte ihr nahe kommen.

Sie war so leicht, daß sich die Oberfläche kaum bewegte, als er sie ins Wasser gleiten ließ. Er blickte der hellen Gestalt nach, die langsam in der Tiefe verschwand, bis nichts mehr von ihr zu erkennen war.

Dann ging Allday nach achtern und blieb vor Bolitho stehen. Sein kräftiger Körper hob sich vor dem bleicher werdenden Himmel ab. Elend sagte er:»Machen Sie jetzt mit mir, was Sie wollen, Captain, aber es war das Beste so. «Er legte den Uniformrock neben Bolitho.»Sie hat ihre Ruhe gefunden. «Bolitho beugte sich vor und packte seine Hand.»Ich weiß. «Seine Stimme war kaum vernehmbar.»Ich weiß. «Keen befahl schwerfällig:»An die Riemen!«Das Boot setzte sich wieder in Bewegung. Langsam breitete sich das Tageslicht über dem Wasser aus. Bolitho blickte zurück. Fast unhörbar sagte er:»Es ist meine Schuld. Ohne mich wäre sie nie hierher gekommen. «Ruhig hielt ihm Keen entgegen:»Doch ohne sie hätte keiner von uns überlebt, Sir.»

Eine halbe Stunde später war die Insel im wachsenden Licht klar sichtbar, und dicht unter Land hob sich mit ausgespannten Sonnensegeln deutlich die Tempest ab. Doch diesmal gab es keinen Jubel, und während sie näherkamen, die plötzliche Aufregung an Bord der Fregatte wahrnahmen, die schrillen Pfeifen und lauten Befehle hörten und beobachteten, wie ein Boot zu Wasser gelassen wurde, war ihnen der grausame Verlust stärker bewußt als ihre Rettung.

Das Boot der Tempest erreichte sie in wenigen Minuten, nahm sie in Schlepp. Die bedrückte Stille hatte sich unvermittelt auch auf dessen Besatzung übertragen. Als Bolitho an der Bordwand hinaufkletterte und durch die Pforte trat, nahm er die sich herandrängenden Männer nur verschwommen wahr.

Nur ein Gesicht hob sich ab, und er packte Herricks Hand, war aber unfähig zu sprechen und die Hand wieder loszulassen.

Herrick sah ihn besorgt an.»Sie haben diesen weiten Weg zurückgelegt, Sir? Was…»

Er drehte sich um, als Keen hinter ihm sagte:»Die Lady ist heute nacht gestorben, Sir. In Sichtweite dieser verfluchten Insel. «Dann eilte er davon.

Herrick sagte:»Kommen Sie, Sir. Wir sprechen später darüber.»

Er winkte dem Bootsmann, aber den erschöpften und bedrückten Männern wurde bereits an Bord geholfen. Bolitho nickte jedem einzelnen zu, als sie an ihm vorbeikamen. Der diensttuende Leutnant Pyper wurde von zwei Matrosen getragen, Billyboy humpelte, einen Arm um den Nacken eines anderen gelegt. Jenner und Miller, Sergeant Quare und der unerschütterliche Blissett. Der Franzose Lenoir und Big Tom Frazer.

Allday legte die Hand an die Stirn.»Alle an Bord, Captain. «Er beobachtete ihn, suchte nach einem Zeichen. Dann fügte er hinzu:»Sie können stolz auf das sein, was Sie getan haben, Captain. Da gibt's gar keine Frage. «Dann ging auch er langsam auf den Niedergang zu.

Herrick folgte Bolitho nach achtern, vorbei an den stummen, beobachtenden Gesichtern. Ihm fiel auf, wie Bolitho seinen Uniformrock trug. Als ob er sein konstbarster Besitz auf der Welt wäre.

Zögernd fragte er:»Haben Sie Befehle, Sir?«Er blieb zurück, als Bolitho ihn anblickte.»Selbstverständlich kann es warten, aber…»

«Es kann nicht warten, Mr. Herrick. «Wieder der ungestüme Griff nach seinem Arm.»Thomas, wir bekommen Arbeit. Bringen Sie das Schiff in Fahrt, bitte. Wir segeln zurück zu den Levu-Inseln.»

Als Bolitho den Niedergang hinabstieg, sagte Lakey in erregtem Flüsterton:»Fünfhundert Meilen, Mr. Herrick, in diesem Boot! Und mit kaum etwas, wovon sie sich ernähren konnten. «Er schüttelte den Kopf.»Sie müssen eine verborgene Kraftreserve gehabt haben.»

Herrick nickte bedrückt.»Ja, Mr. Lakey, das hatten sie.

Doch jetzt ist sie tot. Ich könnte mich umbringen für manches, was ich gedacht oder gesagt habe.»

Er bemerkte den Bootsmann, der vom Niedergang zu ihm herübersah.

«Mr. Jury, seien Sie so gut, den Kutter zu versenken, ehe wir Anker lichten.»

«Aber Sir, ein Boot! Jedes Boot ist hier draußen wertvoll. «Jury war schockiert.

«In diesem Fall halte ich es für besser, ihn zu vernichten. «Herrick sah zum Skylight der Kapitänskajüte hinüber.»Ich wünsche bei Gott, ich könnte auch die Erinnerungen daran auslöschen.»

XVI Kein Rückzug

Am Morgen des ersten vollen Tages auf See sprang der Wind stark um, und mit diesem plötzlichen Wechsel kam ein kräftiger Regenguß.

Bolitho beugte sich über die Heckbank, starrte mit leerem Blick durch die dicken Scheiben. Der Regen tanzte wirbelnd über die Wellen und schlug laut klatschend auf Deck auf. Von den verschiedensten Teilen des Schiffes her hörte er eilende Füße, Männer, die das von der Sonne ausgedörrte Tauwerk überprüften, um sicherzustellen, daß kein aufquellendes laufendes Gut in den Blöcken klemmte. Andere fingen das Regenwasser ein, um die Bestände zu ergänzen.

Erschöpft lehnte er sich zurück, ließ seinen Körper widerstandslos den Bewegungen des Schiffes folgen. In dem abgeschirmten Schlafabteil konnte er Hugoe, den Kajütensteward hören, der dort aufräumte, Kleidungsstücke zum Waschen heraussuchte.

Herrick hatte verschiedene Leute vorgeschlagen, die bereit und geeignet waren, Orlando zu ersetzen. Aber Bolitho mochte sich mit dem Gedanken an einen neuen Anfang nicht abfinden. Noch nicht. Hugoe wurde hauptsächlich in der Offiziersmesse gebraucht und war dankbar, wenn er von der Kajüte und ihrem finster brütenden Kapitän, der ihm unheimlich war, befreit wurde.

Der Regen floß gurgelnd durch die Speigatten oder plätscherte vergnügt auf dem dichtgemachten Skylight. Wasser. Ohne Wasser war man weniger als nichts. Er dachte an die vor Durst Wahnsinnigen, die über Bord sprangen, um sich den Magen aus dem Meer zu füllen. An Orlandos schrecklichen Tod, als der Hai ihn zu einer blutigen Masse zermalmt hatte.