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Kaum hörte er den Anker fallen, als er sagte:»Ich brauche meine Gig. Ferner die Barkasse und ein vollständiges Landkommando Marinesoldaten. Hauptmann Prideaux soll persönlich die Führung übernehmen. «Er winkte Allday.»Sorgen Sie dafür, daß die Besatzung der Gig ordnungsgemäß gekleidet ist. «Er bemerkte die Überraschung, oder war es Gekränktsein, auf Alldays Gesicht.»Ich weiß. Sie haben es schon befohlen, aber es muß alles richtig aussehen.»

Er sah die Marinesoldaten von ihren Stationen auf dem Achterdeck und in den Masten zusammenströmen. Sergeant Quare rief Befehle, sein von der Fahrt im offenen Boot sonnenverbranntes Gesicht war fast so rot wie sein Rock. Herrick beobachtete, wie die Boote über den Netzen ausgeschwenkt wurden. Jury, der Bootsmann, trieb die Leute mit der Lautstärke eines wütenden Bullen an.»Sieht ganz so aus, als ob die Siedlung angegriffen worden wäre, Sir.»

«Ja. «Bolitho hob die Arme, als Allday ihm den Degen umgürtete.»Es beweist, daß wir recht hatten. Tuke will die

Siedlung für sich. Er muß die eroberten Geschütze eingesetzt haben, um Raymond zu warnen.»

Herrick leckte sich die Lippen.»Anscheinend ist er uns jedesmal einen Schritt voraus, Sir.»

Bolitho ging zur Gangway und sah zu den Booten hinunter.

«Bis auf eines. Er eroberte Hardacres Schoner und ist über

Ihre Meldung genau unterrichtet.»

«Das bedaure ich sehr, Sir. Ich dachte…»

Bolitho ergriff seinen Arm.»Nein, Thomas. Das ist unser einziges Plus. Tuke wird glauben, daß Sie noch vor Rutara liegen, daß Sie nicht wagen, gegen Ihren Befehl zu handeln und daß Sie befürchten, das Fieber hätte auch auf die

Siedlung übergegriffen. Darüber hinaus weiß er auch, daß

ohne den Schoner keine Möglichkeit besteht, zwischen dem

Schiff und der Siedlung Nachrichten auszutauschen.»

Herrick verstand.»An seiner Stelle hätte ich die gleichen

Überlegungen angestellt. «Dann schüttelte er den Kopf.»In einem offenen Boot, für nur wenige Tage Wasser und Verpflegung und dann auch noch zwischen feindlichen Inseln hindurch — ja, ich kann seine Überlegungen verstehen.»

«Das ändert alles nichts. «Bolitho beobachtete, wie die mit Marinesoldaten dicht besetzte Barkasse vom Schiff ablegte und darauf wartete, daß die Gig längsseit kam.»Es gibt uns allerdings Zeit. Andernfalls, fürchte ich, wäre die Insel bereits gefallen. «Borlase rief:»Alles klar, Sir.»

«Welche Instruktionen haben Sie für mich, Sir?«Herrick begleitete Bolitho zur Einstiegspforte.»Die üblichen. Einen guten Ausguck und etwa sechs Kanonen ständig bemannt. Wenn an Land alles sicher ist, wünsche ich, daß auf dem Berg ein Ausguck postiert wird. «Er stieg in das Boot hinab, während noch das schrille Pfeifen des Bootsmannsmaaten in der feuchten Luft hing. Borlase fragte gereizt:»Warum diese ganze Demonstration von Stärke? Die Seesoldaten, die Gig mit den Ruderern in ihren besten Hemden? Das ist doch eher wie ein Höflichkeitsbesuch als wie die Vorbereitung einer Evakuierung.»

Herrick musterte ihn kalt.»Evakuierung? Niemals. Auf diese Weise zeigt der Kommandant, daß — gleichgültig, was andere denken oder fürchten mögen — die Tempest dasselbe ist wie früher: ein Kriegsschiff, Mr. Borlase, kein alter Kahn voll ängstlicher alter Weiber.»

Keen kam zu ihnen und fragte:»Wer ist mit dem Kapitän gefahren?»

Herrick antwortete knapp:»Mr. Swift. Eine günstige Gelegenheit für ihn, etwas zu lernen, wenn er sich in dem Dienstrang bewähren soll, den er vorübergehend innehat. «Er wandte sich ab und dachte an die Worte, die Bolitho in seiner Kajüte vor der Morgendämmerung gesprochen hatte.»Nicht Mr. Keen, Thomas. Es ist noch zu früh. Bei jedem Baum wird er seine Malua sehen und ihre Stimme hören. Nein, er braucht Zeit. Ich nehme den jungen Swift. «Herrick seufzte. Typisch, dachte er. Er beobachtete, wie die

Boote in Kiellinie gingen und sich der Pier zuwendeten. Aber um wie vieles schlimmer mußte es für ihn sein.

Bolitho stand neben einem der hohen Fenster in Raymonds Arbeitsraum und lauschte auf das irre Kreischen der Vögel im dichten Unterholz.

Seine Ruhe überraschte ihn selbst, sein Unvermögen, weder Abscheu noch Haß zu empfinden, als er Raymond an seinem geschnitzten Tisch sitzen sah.

Unter dem Fenster hörte er einige Marinesoldaten durch den weiten Hof stampfen. Ihre Stimmen und ihre Stiefel waren unnatürlich laut. Während seiner Abwesenheit, in den Tagen, an denen er und seine Bootsbesatzung sich qualvoll vorwärts gekämpft hatten, war die Siedlung erschreckend verfallen.

Vorräte waren vergeudet worden, überall lagen leere Flaschen und Fässer herum. Sogar Raymond hatte sich verändert, war hohläugig und ungepflegt, und sein besudeltes Hemd machte seinen Anblick nur noch schlimmer. Von allen hatte er sich am meisten verändert. Bolitho hatte fast damit gerechnet, daß ihm die Tore verschlossen bleiben würden. Wäre das der Fall gewesen, dann hätte er weder seine eigenen Gefühle noch die seiner Leute beherrschen können, das wußte er. Raymond hatte so wie jetzt an seinem Tisch gesessen und auf die Tür gestarrt. Vielleicht hatte er sich, seit die beiden Boote im Schutz der Dunkelheit aufgebrochen waren, nicht von seinem Platz gerührt.

Er hatte gesagt:»Sie haben also überlebt? Und was werden Sie jetzt tun?»

Hardacre hatte die Boote der Tempest an der Pier empfangen, und während sie zusammen zu den Palisaden hinaufgingen, hatte er in allen grimmigen Einzelheiten geschildert, was geschehen war. Über ein Drittel der Insulaner war am Fieber gestorben, und während die Wachtruppe sich im Schutz der Palisaden verschanzte und ein trunkenes Gelage nach dem anderen veranstaltete, hatte Hardacre sein Möglichstes getan, bei den anderen den Willen zum Überleben zu erhalten.

Raymond hatte sogar die Sträflinge aus der Siedlung vertrieben und ihnen befohlen, in ihren Hütten zu bleiben und sich aus eigener Kraft so gut es ging zu ernähren. Hardacre hatte auch ihnen geholfen und war durch ihre Bereitschaft belohnt worden, Raymonds unsinnigen Befehl zu ignorieren und ihn im Dorf zu unterstützen. Und dann, vor zwei Tagen, war die Insel von dem gewaltigen Dröhnen von Geschützen, dem Splittern von Baumstämmen, in die Geschosse von der Landzunge jenseits der Bucht einschlugen, jäh aus dem Schlaf gerissen worden. Vor der Insel ankerte ein Schoner, und während der Nacht hatten Tukes Leute zwei Kanonen an Land geschafft und feuerbereit gemacht, sobald es hell genug war, um die Entfernung zu bestimmen.

Anscheinend hatte Raymond versäumt, Posten aufstellen zu lassen, und da auch seine Offiziere des Corps nicht nüchtern genug waren, sich um den Stand der Dinge in der Siedlung zu kümmern, erfolgte der Überfall schnell und völlig unerwartet.

Erbittert sagte Hardacre:»Es dauerte zwei Stunden. Einige der Leute Tinahs wurden verletzt und zwei getötet. Auch die Siedlung ist getroffen worden, aber es war eher eine Drohung als die Absicht, Schaden anzurichten. Danach zogen sie sich wieder zurück. Es könnte sein, daß sie vor der Rückkehr der Tempest gewarnt wurden. Aber sie haben für Raymond eine Nachricht hinterlassen. «Die» Nachricht «hatten sie an die verstümmelte Leiche des französischen Offiziers Vicariot geheftet, der der ranghöchste Leutnant von de Barras gewesen war. Sie besagte, falls Raymond und seine Verteidiger sich aus der Siedlung zurückzögen, würden sie sicheres Geleit zu einer anderen Insel erhalten, wo sie auf ihre Rettung warten könnten. Andernfalls würden sie das gleiche Schicksal wie Vicariot erleiden, und auch alle anderen, die sich widersetzten.

Bolitho stand schweigend neben dem Fenster, überlegte und erinnerte sich. Wenn Tuke über die Rückkehr der Tempest informiert gewesen wäre, hätte er früher zugeschlagen, ohne Zeit für dramatische Gesten zu vergeuden. Doch das schien im gleichen Maß wie seine Gerissenheit ein Teil dieses Mannes zu sein: die Fähigkeit, durch ungezügelte Brutalität Widerstand zu brechen, noch ehe er eingesetzt hatte. In einem Punkt gab es jedoch keinen Zweifel mehr. Die Narval war gefallen, und unter welcher Flagge sie jetzt segelte, war belanglos. Ihre sechsunddreißig Geschütze, unterstützt von den Kräften, die Tuke darüber hinaus aufbieten konnte, waren mehr als genug, um jeden Widerstand hinwegzufegen.