Herrick drehte sich um, um die sich ausbreitende Rauchwolke zu beobachten. Sie hatte bereits das Riff erreicht, und die Umrisse des Schoners verschwanden plötzlich in der künstlich geschaffenen Deckung. Dieser Schutzschirm hätte erst später eingesetzt werden sollen. Falls die Narval sich die Einfahrt in die Bucht erzwang, sollte der Rauchschleier ihre Kanoniere so behindern, daß die Tempest zum Nahkampf an die französische Fregatte herankommen konnte, so lange sie sich in der Nähe der Riffe befand. Doch das war der Plan gewesen, ehe der Schoner erschien. Allerdings hätte der Wind die Richtung ändern und damit diesen Vorteil ins Gegenteil verkehren können. Herrick sagte:»Fortuna ist mit uns, Sir. «Nach einem Gruß zum Achterdeck kletterte er in die große Barkasse hinab. Die beiden Boote legten sofort ab, und der Schlag der Riemen zeigte an, daß die Zeit drängte und es ums Überleben ging.
Im Kutter kauerte Bootsmannsmaat Jack Miller an der
Pinne. In seinem Gürtel steckte ein Enterbeil.
«Gott helfe den Kerlen, die an den geraten«, sagte Allday.
Die beiden Boote würden eine halbe Stunde brauchen, um in die Nähe des Schoners zu gelangen. Bis dahin mußte der
Qualm unverändert dicht bleiben. Auch durfte die Besatzung des verankerten Schiffes nicht argwöhnen, daß irgend etwas
Unvorhergesehenes eintreten könnte.
Bolitho sagte:»Mr. Borlase, wir beginnen mit der
Steuerbordbatterie zu feuern. Lassen Sie laden und ausrennen, bitte.»
Borlase musterte ihn besorgt. An seinem Hals zuckte ein Nerv.»Auf welches Ziel, Sir?»
«Auf den Schoner. Sie sollen sehen, daß unsere Schüsse zu kurz liegen. Das wird sie in Sicherheit wiegen und überzeugen, daß wir nicht Anker lichten und den Rauch selbst ausnutzen werden.»
Minuten später krachten die Steuerbord-Zwölfpfünder einer nach dem anderen in einer rollenden Salve. Der Pulverqualm wälzte sich mit dem Wind zu dem anderen Rauch. Der Schoner war jetzt völlig dahinter verschwunden, und als Bolitho nach den beiden Booten ausschaute, entdeckte er nur noch das Kielwasser des letzten. Ihre Rümpfe waren wie die Halbinsel völlig verborgen. Er zog seine Uhr. Die Sonne stand jetzt hoch, und sie konnten sich nicht länger darauf verlassen, daß Schatten die Siedlung schützen würden. Er fragte sich flüchtig, was Raymond wohl machte. Ob er an Viola dachte?» Signal vom Ausguck auf dem Berg. «Fitzmaurice hatte sein Teleskop vor dem Auge.
Bolitho trat unter die Wanten des Besanmasts und beschattete sein Gesicht gegen den zunehmenden Sonnenglast. Der Gestank von den Feuern auf dem Abhang war hier schon schlimm; wie er in den Booten sein mochte, konnte man sich nur schwer vorstellen. Er fühlte sich übel und plötzlich schwindlig und wünschte, er hätte das von Allday angebotene Frühstück doch angenommen. Er war wütend auf sich selbst. Nun, jetzt war es zu spät. Nahe am Berggipfel sah er ein Licht aufblitzen, den von einem Spiegel zurückgeworfenen Reflex der Sonne, wie er es bei den Infanteriesoldaten in Amerika beobachtet hatte. Das Verfahren hatte seine Grenzen, war aber schnell, vorausgesetzt, daß man vorher genügend einfache Signale vereinbart hatte.
Fitzmaurice sagte in seinem hochmütigen Ton:»Segel in Nord, Sir.»
Bolitho nickte. Das war der Beginn des großen Dramas, in dem sich keiner seiner Rolle sicher war. Die Segel mußten zur Narval gehören, die aus ihrem Versteck irgendwo im
Norden herbeieilte, wahrscheinlich in der Erwartung, den Schoner allein und im Besitz der Bucht oder ihrer Zugänge zu finden.
Er versuchte sich zu erinnern, wie spät es auf seiner Uhr gewesen war. Wo mochten die beiden Boote sein? Wie lange würde es dauern, bis das andere Schiff um die Landzunge herum in Sicht kam?
Er trat an die Reling über dem Geschützdeck und sah zu,
wie die Zwölfpfünder wieder ausgerannt wurden.
Swift blickte zu ihm auf.»Noch einmal, Sir?»
Bolitho hörte Lakey sagen:»Jetzt kann ich von dem Schoner nichts mehr sehen, auch von den Riffen nicht. Mein Gott,
was für ein Qualm!»
Allday stand beim Niedergang und beobachtete die untätigen Bedienungen der Achterdeckgeschütze. Er wandte sich wieder seinem Kapitän zu und sah ihn schwanken und beinahe fallen. Alle anderen starrten in den Qualm hinaus oder beobachteten die Bedienungen der Zwölfpfünder. Mit drei Schritten war er an Bolithos Seite.»Ich bin hier, Captain. Immer mit der Ruhe. «Er sah Bolitho ins Gesicht. Es glänzte vor Schweiß, und die Augen waren halb geschlossen wie in schrecklichen Schmerzen. Bolitho keuchte:»Die Leute dürfen mich in diesem Zustand nicht sehen. «Er schluckte hart, seine Arme und Beine zitterten stark unter einem heftigen Kälteschauer. Als wäre er bei einer Kreuzfahrt im Nordatlantik an Deck. Allday murmelte verzweifelt:»Das Fieber! Es muß das Fieber sein. Ich gehe den Arzt holen. «Er bemerkte einen Matrosen, der heraufstarrte, und schnauzte:»Kümmere dich um deinen Dienst, verdammt noch mal.»
Bolitho packte Alldays Arm und richtete sich langsam auf.»Nein. Muß durchhalten. Jetzt kommt der schlimmste Teil. Das wissen Sie doch!»
«Aber, Captain!«Allday sprach eindringlich auf ihn ein.»Es wird Sie umbringen. Ich kann das nicht zulassen. «Bolitho atmete tief ein und machte sich von Allday frei. Zwischen den Zähnen sagte er betont:»Sie… tun… was… ich… sage!»
Er zwang sich, langsam zu den Netzen zu gehen, klammerte sich daran fest und versuchte, die Kontrolle über seinen bebenden Körper zu gewinnen.
«Sie sollen das Feuer fortsetzen. «Der Lärm mochte helfen, und wenn er sie nur von ihm ablenkte. Das Krachen der Breitseite donnerte über das Wasser, die Geschosse verloren sich in der Dunstwand. Er hörte sich selbst sagen:»Gott, laß Thomas Erfolg haben. Mit so wenigen Leuten können wir uns nicht bewegen. «Die Worte strömten aus ihm heraus, ohne daß er es verhindern konnte.»Nicht so sterben. «Er ließ seinen Halt an den Netzen fahren und ging mit behutsamen Schritten zum Kompaß.»Wir müssen hier liegen bleiben und kämpfen. «Eine verschwommene Gestalt hastete an ihm vorbei. Sie hielt inne und wendete sich ihm zu. Es war Jenner, der Amerikaner.
«Konnt's nicht verhindern, daß ich Sie gehört habe, Cap'n. «Vor Bolithos Augen schien er unter Wasser zu schwimmen.»Im Krieg hab' ich mal eine Geschichte gehört. Von einem englischen Kapitän, der eine so schwache Besatzung hatte, daß er mit seiner Schaluppe beinahe aufgelaufen und den Franzosen in die Hände gefallen wäre. Ich hab' auch gehört, daß Sie der Kapitän waren, Sir. «Er ignorierte Alldays drohenden Blick und fügte hinzu:»Damals haben Sie Verwundete eingesetzt, stimmt's, Sir?«Bolitho bemühte sich, ihn deutlich zu erkennen.»Ich erinnere mich. Auf der Sparrow.«Er wurde verrückt, das mußte es sein. Jetzt von der Vergangenheit zu sprechen!» Also, ich hab' nur gedacht, warum nicht diese Sträflinge holen?»
«Was?«Bolitho trat einen Schritt vor und wäre gefallen, wenn Allday nicht dagewesen wäre.»Ich dachte nur…»
Bolitho packte Alldays Handgelenk.»Holen Sie Mr. Keen.«»Hier bin ich, Sir«, sagte Keen an seiner Seite. Seine Stimme klang beunruhigt.
«Schicken Sie die restlichen Boote sofort an Land und fahren Sie mit. Sie haben in der Siedlung gearbeitet, die Leute kennen Sie besser als jeden anderen von uns. «Er beugte sich vor und fügte eindringlich hinzu:»Ich brauche mehr Leute, Val. «Er bemerkte Keens Ausdruck und erkannte, daß er unwillkürlich Violas Namen für ihn benutzt hatte.»Tun Sie, was Sie können.»
Keen entgegnete verzweifelt:»Sie sind krank, Sir. «Er blickte in Alldays grimmiges Gesicht.»Sie müssen sich angesteckt…»
«Sie vergeuden Zeit. «Er schob ihn fort.»Holen Sie die Leute. Sagen Sie ihnen, ich will versuchen, ihnen dafür eine Passage nach England zu besorgen. Aber lügen Sie sie nicht an.»