Выбрать главу

Doch Ashby rührte sich nicht. Sein Gesicht, so scharlachrot wie seine Uniform, schien alles andere zu verdecken, und seine Stimme dröhnte in Bolithos Kopf:»Prachtvoller Sieg, Sir. Genau was wir brauchten. Wirklich prachtvoll!»

«Wie Sie meinen, Ashby«, erwiderte Bolitho.»Aber jetzt gehen Sie bitte und tun, was ich gesagt habe. «Gott sei Dank, daß er weg ist, dachte er, als er den immer noch aufgeregt vor sich hin redenden Hauptmann im Treppenaufgang verschwinden sah.

Hatte er eigentlich gewußt, was er tat, als er sich den französischen Bajonetten entgegenwarf? Oder war es der Wahnsinn des Kampfes gewesen, und dazu vielleicht die Angst vor Niederlage und Schande?

Unten auf der Batterie wimmelten die Brustwehren von durcheinanderschreienden Matrosen; zwei Mann hatten sich auf Ashbys Pferd geschwungen und trabten grinsend wie die Kinder zwischen den verstörten Gefangenen herum.

Allday sagte:»Er hat recht, Captain. Als Sie losgingen, war es aus mit denen. «Er schüttelte den Kopf.»Ganz wie in alten Zeiten. Kurz und scharf, und am Ende blutige Nasen!»

Bolitho blickte auf Seton hinunter. Der hockte immer noch bei dem französischen Soldaten, hielt dessen blutige Hand umklammert und blickte mit entsetzten, starren Augen in das Gesicht des Mannes.

Allday folgte Bolithos Blick und sagte gedämpft:»Er ist tot, Mr. Seton. Sie können ihn jetzt alleinlassen.»

Bolitho erschauerte. Es war vorbei.»Ich brauche einen Kurier zur Chanticleer«, sagte er.»Mr. Bellamy muß sofort absegeln und die Princesa benachrichtigen, daß wir die Insel genommen haben. «Als er sich rasch umdrehte, stand Seton neben ihm. Noch zitterten seine Lippen, und über die bleichen Wangen rannen Tränen.

Aber seine Stimme war jetzt fester und seltsam entschlossen.

«Ich gehe, Sir, wenn Sie meinen, ich kann das.»

Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter und blickte ihn sekundenlang aufmerksam an. Alldays Worte klangen in ihm nach:»Mit der Zeit lernt er' s schon.»

«Schön, Mr. Seton«, sagte er langsam.»Ich bin ganz sicher, daß Sie es können.»

Er sah dem Jungen nach, der steifbeinig zum Treppenaufgang schritt; reglos hingen seine Arme herab, und er hielt den Kopf von den starräugigen Toten und stöhnenden Verwundeten abgewandt. Das hätte ich sein können, dachte Bolitho müde. Vor zwanzig Jahren bin auch ich beinahe zusammengebrochen, und jemand hat mir durch ein paar mitfühlende Worte geholfen. Mit zusammengekniffenen Augen blickte er nachdenklich in die Sonne. Aber trotz aller Mühe konnte er sich weder an die Worte noch an den Mann erinnern, der ihm den Verstand gerettet hatte, als damals, genau wie jetzt bei Seton, seine Knabenwelt in Scherben ging. Da richtete er sich auf und stieß den Degen in die Scheide.»Kommen Sie, All-day«, sagte er.»Gehen wir uns ansehen, was wir da erobert haben!»

VI Verhandlungen

Eilig trat Bolitho in seine Kajüte und warf die Tür heftig hinter sich zu. Minutenlang empfand er dankbar den willkommenen Schatten, obwohl er wußte, es war nur eine Illusion nach der gnadenlosen Hitze auf dem Achterdeck, wo er eben einer Auspeitschung vor versammelter Mannschaft beigewohnt hatte. Gimlett, sein Steward, schlurfte nervös an ihm vorbei und starrte ihn beinahe ehrfürchtig an, als er Hut und Rock abwarf und sich das Hemd aufriß, noch bevor er seinen Degen abschnallte. Wortlos warf er Gimlett die Sachen zu und trat müde an das offene Heckfenster. Die Szene, die ihn begrüßte, war unverändert: das glatte, glitzernde Wasser des Ankerplatzes und die kahlen, in der Hitze flirrenden Berge über den hochaufragenden Klippen der Insel Cozar. Sogar das Schiff kam ihm unbeweglich, leblos vor. Das war auch keine Täuschung, denn die Hyperion war vorn und achtern direkt an der Armierung der Hafeneinfahrt festgemacht, so daß sie einen eventuellen Angreifer, der sich etwa nicht von der Batterie auf dem Felsen abschrecken ließ, jederzeit mit einer vollen Breitseite empfangen konnte.

Sein Blick fiel auf die Glaskaraffe mit dem Becher, die Gimlett ihm hingestellt hatte. Fast automatisch trank er den herben Rotwein, den sie in der eroberten Festung vorgefunden hatten. Er vermittelte die Illusion einer kurzen Erfrischung, aber wie ein nie weichendes Gespenst war der Durst bald wieder da.

Bolitho warf sich auf die Sitzbank unter dem Fenster und horchte auf das Getrappel oben, als die letzten der wegtretenden Männer unter Deck verschwanden. Es war fast Mittag, und trotz der Sonnensegel über dem Luk und Niedergang glühte das Schiff bereits wie ein Feuerofen.

In all seinen Dienstjahren als Flottenoffizier hatte er sich nie an den Anblick einer Auspeitschung gewöhnen können. Irgend etwas rührte jedesmal an seinen innersten Nerv, oder es gab einen unerwarteten Zwischenfall, der die elende Prozedur noch verlängerte.

Mit zusammengezogenen Brauen goß er sich einen zweiten Becher Wein ein. Der eben bestrafte Mann war ein Schandfleck auf dem blanken Schild von Bordroutine und Disziplin gewesen; dennoch spürte Bolitho immer noch eine merkwürdige Unruhe, obwohl alles vorbei war und der Delinquent sich irgendwo im Orlopdeck befand, wo der Arzt ihm den zerhauenen Rücken salbte und pflasterte.

Der Mann hatte Durst gehabt, ganz einfach. Im Dunkel der Nacht hatte er versucht, eines der Fässer mit dem stinkenden, halb verdorbenen Trinkwasser aufzubrechen, und ein Korporal hatte ihn dabei erwischt.

Zwei Dutzend Hiebe — nach den Maßstäben des Unterdecks ein ziemlich mildes Urteil. In der Kriegsflotte herrschte eben schnelle und strenge Disziplin. Wenn ein Mann etwas ausgefressen hatte, konnte er durchaus Glück haben und nicht erwischt werden. Wenn aber doch — nun, dann wußte er, was ihm bevorstand.

Dieser Mann hatte trotz langer Dienstzeit auf einem Dutzend Schiffen bisher Unannehmlichkeiten solcher Art vermeiden können. Vielleicht hatte er mehr Angst um sein Ansehen und seinen Stolz als vor den Schmerzen gehabt. Aber nach den ersten fünf Schlägen hatte er angefangen zu schreien und sich mit nacktem Oberkörper wie ein Gekreuzigter an der blutbespritzten Gräting gewunden.

Angeekelt starrte Bolitho in sein leeres Glas. Jetzt war es ruhig im Schiff; kein Rufen, keine winselnde Melodie des Schiffsfiedlers, kein Herumtoben der Midshipmen. Vom Feuer ihres überraschenden Sieges war kein Funken mehr vorhanden, kein Hochgefühl mehr übrig, das die lastende Dumpfheit gelockert hätte, die wie ein böses Omen über dem Schiff hing.

In plötzlich aufsteigender Wut knirschte er mit den Zähnen. Drei lange Wochen war es her, daß sie die Festung gestürmt und die französische Flagge niedergeholt hatten, und mit jedem träge da-hinkriechenden Tag wurden Spannung und Bitterkeit stärker.

Ein nervöses Klopfen an der Tür, und Whiting, der Zahlmeister, spähte vorsichtig herein.»Sie haben mich rufen lassen, Sir?«Er schwitzte mächtig, denn er war außerordentlich dick; ein mehrfaches Doppelkinn wackelte bei jedem Schritt auf seiner Brust. Normalerweise lachte er gern und oft; doch wie die meisten seines Berufes besaß er scharfe, unfehlbare Augen, und es hieß, er wisse bis zur letzten Käserinde auswendig, was an Vorräten in der Schiffslast war. Wie er so dastand und nervös von einem Fuß auf den anderen trat, erinnerte er Bolitho an einen riesigen Wels.

«Ja, das habe ich, Whiting. «Er tippte auf die Papiere vor ihm auf dem Tisch.»Haben Sie das Trinkwasser nochmals kontrolliert?»

Der Zahlmeister ließ den Kopf hängen, als ob es irgendwie seine Schuld wäre.»Aye, aye, Sir. Wenn wir die Ration auf eine Pinte[5] pro Mann und Tag kürzen, reicht es noch eine Woche. «Zweifelnd schob er die Unterlippe vor.»Aber selbst dann werden sie mehr Würmer zu trinken kriegen als Wasser, Sir.»

Bolitho stand auf und stützte die Handflächen auf das heiße Fenstersims. Das Wasser unter ihm war so klar, daß er die kleinen Fische über ihren eigenen Schatten auf dem harten Sandgrund des Ankerplatzes hin und her schießen sah. Was sollte er tun? Was konnte er tun? Drei Wochen wartete er jetzt darauf, daß die Chanticleer von der Flottenbasis zurückkehrte und Hilfe brachte. Er hatte einen ausführlichen Bericht für Lord Hood geschrieben und erwartet, daß ein Versorgungsschiff schon nach wenigen Tagen eintreffen würde. Aber zwei Wochen lang hatte sich überhaupt nichts am Horizont gezeigt. Zu Anfang der dritten Woche hatte der Ausguck auf der Festung eine französische Fregatte von Nordwesten geme l-det. Etwa eine Stunde lang hatte das feindliche Segel wie eine Fe-

вернуться

5

= 0,57 Liter.