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Dash fuhr zusammen und erbleichte.»Sir Edmund ist krank«, antwortete er.»Ich dachte, Sie wissen das.»

«Ja, Leach hat mir so was angedeutet. «Er sah, daß Dashs Hände nervös zuckten.»Aber was ist nun wirklich mit ihm?»

Dash ging ans Fenster.»Eine Brigg brachte Depeschen aus Tou-lon. Die ganze Geschichte ist aus und vorbei. Lord Hood hatte Order gegeben, den Hafen zu räumen und vorher alle Hafenanlagen zu zerstören. «Er duckte sich unwillkürlich, denn ein naher Einschlag ließ weißen Staub von der Decke rieseln. Dann fuhr er wütend fort:»Als ob es hier noch viel zu zerstören gäbe!»

Bolithos Bauchmuskeln krampften sich zusammen.»Und Tou-lon?«fragte er. Aber er konnte sich die Antwort schon denken.

Dash zuckte heftig die Achseln.»Da steht es genauso schlecht. Innerhalb der nächsten Wochen räumen wir Toulon.»

Bolitho stand auf und verschränkte die Hände auf dem Rücken.»Aber was hat nun der Admiral gesagt?»

«Ich dachte, er wird verrückt. «Dash wandte sich ab, so daß sein Gesicht im Schatten lag.»Er tobte und raste, beschimpfte alle, mich eingeschlossen, und dann zog er sich in sein Zimmer zurück.»

«Wann war das?«Bolitho wußte, daß er das Schlimmste noch nicht gehört hatte.

«Vor zwei Wochen.»

«Zwei Wochen!«Bolitho starrte Dash entsetzt an.»Und was, um Gottes willen, haben Sie in der Zeit unternommen?»

Dash wurde rot.»Sie müssen das von meinem Standpunkt aus betrachten, Bolitho. Ich bin kein Aristokrat, das wissen Sie. Ich habe mich mit Zähnen und Klauen vom Unterdeck nach oben gekämpft. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaubte nie, daß ich so weit kommen würde. «Seine Stimme wurde hart.»Aber nun, da ich es geschafft habe, werde ich auch alles tun, um meinen Rang zu behalten.»

Kalt entgegnete Bolitho:»Ob es Ihnen nun paßt oder nicht — Sie haben hier den Oberbefehl, solange Pomfret krank ist. «Er schlug mit der Faust auf den Tisch.»Sie müssen handeln! Sie haben gar keine andere Möglichkeit!»

Dash hob die Arme.»Diese Verantwortung kann ich nicht übernehmen. Was würde Sir Edmund mit mir anstellen? Und was würde man in England dazu sagen?»

Bolitho musterte ihn sekundenlang. In der Schlacht hatte Dash bestimmt vor nichts und niemandem Angst. Mit halbzerschossenem Schiff und gegen jede Übermacht hätte er bis zum bitteren Ende gekämpft. Aber einer Situation wie dieser war er nicht gewachsen.

Dann dachte er an die zerschossene Stadt, an Männer wie Fowler, die damals den ersten Sieg ermöglicht hatten. Schonungslos erwiderte er:»Glauben Sie tatsächlich, Ihre Karriere oder sogar Ihr Leben seien so wichtig?«Er sah, daß Dash sich wie unter einem Schlag krümmte, fuhr aber fort:»Denken Sie an die Menschen, die von Ihnen abhängig sind — und dann sagen Sie mir, daß Sie immer noch zögern!»

Gepreßt entgegnete Dash:»Ich habe nach Ihnen geschickt, weil Sie Bescheid wissen sollten…»

«Ich weiß schon, wozu Sie mich brauchen, Captain Dash!«Bo-litho blickte ihm über die staubbedeckte Karte hinweg in die Augen.»Ich soll Ihnen den Rücken stärken, Ihnen bestätigen, daß Ihre Maßnahme richtig ist. «Er wandte sich ab, denn von Dashs Unsicherheit und der Grausamkeit seiner eigenen Worte wurde ihm fast übel.

«Das will ich nicht bestreiten«, erwiderte Dash schweratmend.»Ich war immer ein Mann, der Befehle ausführt. Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps, dafür reicht's bei mir. Aber in einer solchen Situation bin ich verloren, so wahr mir Gott helfe!«Er senkte den Blick auf die Karte.

«Na schön. «Bolitho hätte gern den Schmerz gelindert, den er diesem Mann zugefügt hatte; doch die Zeit drängte. Es war überhaupt keine Zeit mehr.»Ich rede mit Pomfret. Inzwischen berufen Sie eine Lagebesprechung ein. «Er bemühte sich, seine Bitterkeit zu überwinden.»Bitten Sie alle Offiziere hier in dieses Zimmer. In einer Stunde — können Sie das schaffen? Und holen Sie auch La-bouret dazu, den Bürgermeister.»

«Sind Sie sich auch klar, daß. Und wenn jetzt etwas schiefgeht, Bolitho?«murmelte Dash.

«Dann müssen Sie den Kopf hinhalten, Dash. Und ich genauso — aber das wird Ihnen kein Trost sein.»

Er schritt zur Tür und sagte abschließend:»Eins jedoch ist ganz sicher, Captain Dash. Wenn Sie hier sitzenbleiben und nichts tun, werden Sie Ihr Gesicht nie wieder im Spiegel sehen können. Denn das würde bedeuten, daß Sie der Verantwortung, nach der Sie Ihr Leben lang gestrebt haben, nicht gewachsen waren. Daß Sie das eine Mal, als es wirklich darauf ankam, versagten.»

Damit wandte er sich ab und trat hinaus.»Mr. Inch«, befahl er kurz,»melden Sie sich bei Captain Dash. Er wird Ordonnanzen brauchen. Kümmern Sie sich sofort darum!»

Sodann eilte er die geschwungene Treppe hinauf. Oben stand ein Marine-Infanterist vor einer Tür Posten. Drinnen im Zimmer war es stockdunkel; und während Bolitho sich zum Fenster tastete, rollte etwas unter seinem Fuß weg und klirrte gegen die Wand. Aber seine Nase hatte ihm schon verraten, was es mit Pomfrets Krankheit auf sich hatte. Als er die Vorhänge aufzog und sich im Zimmer umsah, stieg Übelkeit in ihm hoch.

Pomfret lag, Arme und Beine von sich gestreckt, auf dem breiten Bett. Sein Mund stand weit offen, sein Atem ging schwer und mühsam. Um das Bett herum und überall auf dem prächtigen Teppich lagen leere Flaschen, zerbrochene Gläser, allerlei Kleidungsstücke, Möbel, die so aussahen, als hätte sie der Admiral mit bloßen Händen zertrümmert.

Bolitho biß die Zähne zusammen und beugte sich über das Bett. Pomfrets unrasiertes Gesicht war wächsern und verschwitzt. Auf der Bettdecke lag Erbrochenes, und der ganze Raum stank wie eine üble Spelunke. Er faßte Pomfret bei der Schulter und schüttelte ihn; es war ihm völlig egal, wie der Admiral darauf reagierte. Doch er schien einen Leichnam zu schütteln.»Wachen Sie auf, verdammt!«Er schüttelte stärker. Pomfret stöhnte dumpf, aber das war auch alles. Dann fiel Bolithos Blick auf ein zerknülltes Stück Papier auf dem Nachttisch. Er sah das wohlbekannte Dienstsiegel, das Wappen über dem sauber geschriebenen Text. Er ging um das Bett herum und machte sich daran, Pomfrets Order aus Toulon zu lesen. Einmal hielt er inne und wandte den Kopf, um in Pomfrets schlaffes Gesicht zu blicken. Jetzt wurde ihm alles klar: Herricks Bemerkung, daß Pomfret hier seine letzte Bewährungschance bekommen hatte. Die Verbissenheit, mit der er von St. Clar aus den Sieg über Frankreich erzwingen wollte. Und hätte er Hilfe und die versprochenen Verstärkungen bekommen, wäre ihm das vielleicht sogar geglückt — ein trauriger Gedanke.

Bolitho las weiter; und mit jeder Zeile begriff er mehr, wuchs seine Verzweiflung. Niemals war wirklich beabsichtigt gewesen, St. Clar länger zu halten als nötig, um den Feind von Toulon abzulenken. Pomfret hatte die Kastanien aus dem Feuer holen sollen, weiter nichts. Wäre die Invasion von Toulon aus erfolgreich gewesen — nun ja. Aber wie die Dinge lagen, blieb Lord Hood jetzt keine Zeit mehr für Pomfrets Sorgen — er hatte seine eigenen. Die Order enthielt genaue Anweisungen für die Zerstörung der Hafeneinrichtungen vor der Räumung; doch Bolitho blieb an dem letzten Teil des Textes hängen — sein Herz erstarrte bei dem eiskalten Satz:»In Anbetracht des beschränkten Schiffsraums und der Nähe der feindlichen Streitkräfte ist keinerlei Evakuierung von Zivilisten möglich.»

Bolitho starrte auf die säuberliche Schrift, bis sie vor seinen Augen zu tanzen begann. So mußte Pomfret hier gesessen und den Befehl gelesen haben. In Zukunft würde er der Mann sein, der die königstreuen Bürger von St. Clar ihrem Schicksal überlassen hatte, einer mörderischen Vergeltung, zu schrecklich, um sie sich auszudenken. Wieder wandte sich Bolitho um und blickte in des Admi-rals Gesicht.»Und er hatte keine Schuld«, sagte er laut.»Herrgott im Himmel, es war von Anfang an nur eine Finte und hatte überhaupt nichts zu bedeuten!«Mit einem Fluch knüllte er das Papier zusammen und schleuderte es durch den Raum.