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«Wir bleiben in Lee. Geht an Bord und durchsucht sie, aber laßt euch auf nichts ein. Ihr wißt, was ihr tun müßt!«rief ihnen Tyacke zu.

Simcox wandte sich an Segrave.»Halten Sie sich am besten an Mr. Jay. Wenn der da drüben Sklaven an Bord hat, müssen wir ihn laufen lassen. Es gibt kein Gesetz gegen Sklavenhandel, jedenfalls noch nicht. Aber ich würde die Crew da drüben hängen, Gesetz hin, Gesetz her.»

Tyacke trat zu ihnen.»Unterstützen Sie Mr. Jay, wo Sie können«, sagte er zu Segrave.»Aber seien Sie auf der Hut, die dort drüben sind tückischer als Schlangen.»

Vom Beiboot aus sah die kleine Miranda riesig aus.»Klar bei Riemen. Ruder an!«Jay ergriff die Pinne, und das Beiboot hielt auf den anderen Schoner zu.

Sperry, mit einer Axt und einem Entermesser im Gürtel, sog Luft durch die Nase.»Kein Sklavenhändler!«sagte er.»Er stinkt nicht. Wir hier in Lee müßten es riechen.»

Segrave biß die Zähne zusammen. Was kam da bloß auf ihn zu? Er erinnerte sich, wie seine Mutter ihm und den Schwestern vom Tod des Vaters berichtet hatte. Wie würde sie auf seinen Tod reagieren? Mit Stolz? Oder laut klagend? Er starrte auf das andere Schiff, bis seine Augen schmerzten. Zur Hölle mit allem!

Jay rief hinüber:»Im Namen des Königs! Wir kommen jetzt an

Bord!»

Sperry grinste.»Wie schön du das mal wieder gesagt hast, Bob.»

Während die beiden sich neckten, starrte Segrave sie angstvoll an. Sklavenschiffe waren oft hervorragend bewaffnet, hatte er gehört.

Plötzlich wurde Jay ernst.»Also, wir machen's wie üblich, Männer. Übernehmt als erstes das Ruder und entwaffnet die Mannschaft. Und Sie bleiben in meiner Nähe«, wandte er sich an Segrave.»Also los!»

Ein Wurfanker flog über die Reling des Schoners, der Albacore hieß, und dann kletterten sie alle an Bord. Das Rauschen der See klang ferner, als sie auf dem fremden Deck standen. Segrave hielt sich an den Mastergehilfen, der sich jetzt vor einem Herrn in schmutziger weißer Kniehose und zerknittertem Seidenhemd verneigte.

«Sie sind wohl der Skipper?»

Segrave musterte die fremde Crew. Ein gemischtes Volk, der Abschaum der Gosse.

«Und was ist das?«Mit kräftigem Schwung zog der Bootsmann einen Mann aus der Gruppe, riß ihm das Hemd auf und drehte ihn um, so daß Jay die Tätowierung auf seiner Brust sehen konnte: gekreuzte Flaggen, eine Kanone und der Name eines Schiffs — Donegal.

«Ein Deserteur, ha! Das ist wohl das Ende für dich.»

Der Mann wand sich.»Um Gottes willen, laßt mich laufen! Ich bin doch auch nur so ein armes Schwein wie ihr.»

«Und bald eine Leiche mit einem Strick um den Hals.»

Das würde Segrave nie verstehen: Männer, die selbst zum Dienst gepreßt worden waren, wurden sauwütend, wenn sie auf einen Deserteur trafen.

Der Skipper zuckte nur mit den Schultern und schüttelte den Kopf. Jay seufzte.»Sprichst wohl kein Englisch, oder?«Er sah sich um und zeigte mit seinem Säbel auf den Deserteur.»Wenn du uns hilfst, wirst du nicht gehängt.»

Der fremde Seemann ließ sich auf die Knie fallen.»Ich hab' doch erst eine Reise gemacht, Sir!»

«Und wer warf die beiden Männer über Bord?«Die Säbelspitze berührte die Kehle des Mannes.»Keine Lügen, oder du gehst selber zu den Haien.»

«Der Skipper hat sie über Bord geworfen, Sir!«Er sabberte vor Angst.»Sie haben gekämpft und einander umgebracht. «Er senkte den Blick.»Der Skipper wollte sie sowieso loswerden, sie waren nicht kräftig genug für harte Arbeit.»

Segrave beobachtete den Mann im Seidenhemd, er schien kühl und unbewegt. Man würde ihm nichts anhaben können, obwohl er zwei Sklaven umgebracht hatte.

«Behalt die Crew im Auge, George«, rief Jay. Und an einen Matrosen gewandt:»Wir gehen jetzt unter Deck. Sie kommen mit, Mr. Segrave.»

Unten war es noch schmutziger. Der Rumpf stöhnte und knarrte, während die Männer mit brennenden Lampen zwischen die leeren Handfesseln und Fußeisen traten, die verhinderten, daß die Schwarzen sich mehr als ein paar Schritte bewegen konnten — auf der langen Reise von Afrika zu den westindischen Inseln oder ans südamerikanische Festland.

«Darum nehmen sie nur die gesündesten. Andere würden die Reise nicht überleben. «Jay spuckte aus.»Sie liegen hier unten wochenlang im eigenen Dreck.»

Segrave würgte der Ekel, aber er konnte sich gerade noch beherrschen.»Wird der Deserteur wirklich begnadigt?»

Jay sah ihn groß an.»Natürlich, wenn er uns helfen kann. Dann wird er nicht gehängt. Aber zweihundert Peitschenhiebe kriegt er bestimmt, damit er in Zukunft nicht vergißt, wohin er gehört.»

Der Seemann, der sie begleitete, fragte:»Was ist da achtern im Heck, Mr. Jay?»

«Die Kajüte und die Kammern. Warum?»

«Ich hab' dort was gehört.»

«Guter Gott!«Jay zog seine Pistole und spannte sie.»Vielleicht will uns irgendein Schweinehund in die Luft jagen. Los, ran!»

Der junge Seemann warf sich mit aller Kraft gegen die Tür und riß sie aus den Angeln. Bis auf einen Fleck Sonnenlicht lag die Kajüte im Dunkeln. Und selbst das bißchen Licht hatte Mühe, durch das dreckige Glas des Skylights zu dringen.

Auf einer schmutzigen Koje lag zwischen Lumpen eine junge schwarze Frau. Sie stützte sich auf die Ellbogen, ihre Beine waren von einem schmutzigen Laken bedeckt. Sonst war sie nackt. Sie schaute die Eindringlinge ohne Überraschung an. Als sie sich bewegen wollte, hielt eine Fußkette sie zurück.

«Aha«, sagte Jay leise,»so vergnügt sich also der Skipper.»

Sie kehrten an Deck zurück. Miranda ging gerade auf den anderen Bug, um näher an die treibende Albacora zu kommen. Tyackes Stimme erreichte sie mit Leichtigkeit:»Wer ist die Albacora?»

«Ein Sklavenschiff, Sir. Hat zur Zeit aber nur eine Schwarze an Bord. Und einen Deserteur!»

Segrave dachte an das schwarze Mädchen: angekettet wie ein Tier, zum Vergnügen des Skippers. Wie schön sie gewesen war, trotz ihrer dunklen Haut…

«Zielhafen?«Jay sah auf die Karte.»Madagaskar, Sir!»

«Viel ist sie ja nicht wert«, murmelte einer der Männer neben Segrave,»aber ein kleines Prisengeld würden wir schon für sie kriegen, nicht wahr?«Sein Kumpel nickte.

Tyackes Stimme verriet nichts.»Sehr gut, Mr. Jay. Bringen Sie den Deserteur an Bord!»

«Nein, nein!«schrie der Mann, aber der Bootsmann streckte ihn mit einem gezielten Fausthieb nieder. Als der Kerl sich erholt hatte, kroch er übers Deck und umklammerte Jays Knie.»Er hat die richtige Karte unter Deck gebracht, als wir Sie sichteten«, stammelte er.»Das macht er immer, wenn sich ein fremdes Schiff nähert. Dann holt er die falsche Karte hoch, die jeder sehen kann.»

Jay schob die Hände des Deserteurs weg.»Daß ich daran nicht gedacht habe!«Er griff nach Segraves Arm.»Kommen Sie mit!»

In der Kajüte lag das Mädchen noch wie vorhin da, als habe es sich inzwischen nicht bewegt. Sie wühlten in Büchern und Karten, alten Kleidern und Waffen. Jay wurde nervös, weil er wußte, daß Tyacke schnell wieder weitersegeln wollte.»Das bringt nichts«, sagte er schließlich.»Der Deserteur wollte nur seine Haut retten und hat diese Kartengeschichte erfunden.»

Ein Spiegel lehnte an einem Kasten mit Duellpistolen. Jay hob ihn an — ein letzter Versuch.»Nichts, verdammt noch mal!«Er warf das Glas weg, und Segrave fing es auf, ehe es zu Boden fallen konnte. Die Schwarze auf der Koje bewegte sich, ihre Brüste glänzten im Sonnenlicht.

«Sie liegt auf was, Mr. Jay!»

Jay starrte zuerst ratlos zu ihr hinüber, dann ging er zur Koje, um sie zur Seite zu schieben. Aber ihr schweißnasser Körper entglitt seinem Griff, sie bewegte sich blitzschnell, und ein Messer blitzte in ihrer linken Hand. Segrave sprang Jay zu Hilfe.

Jay fiel und rutschte durch Segraves Ansturm über den Boden der Kajüte. Der junge Mann sank über die Frau und stieß einen schrillen Schmerzensschrei aus.