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«Bitten Sie ihn rein, Stephen.»

Warren fuhrt verlegen fort:»Sie müssen wissen, daß Leutnant Tyacke….»

Jenour trat in der Nachbarkajüte auf den Mann zu, der aus der Stückpforte auf das stille Wasser blickte, die Hände auf dem Rücken verschränkt.»Würden Sie bitte nach nebenan kommen? Sir Richard Bolitho wünscht Sie zu sprechen.»

Man hatte dem Leutnant wenigstens eine Erfrischung angeboten, wahrscheinlich ein Glas von diesem schrecklichen Rotwein.»Tut mir leid, wir wußten nicht, daß Sie noch an Bord sind. «Entsetzt starrte Jenour in das zerstörte Gesicht Tyackes. Wie konnte er damit nur leben?

«Und wer sind Sie?«fragte Tyacke scharf. Dann sah er das Gold auf Jenours Schulterstück.»Flaggleutnant, ach so.»

Wieder mußte sich Jenour entschuldigen.»Ich wußte nicht, daß Sie.»

Tyacke rückte seinen Säbel gerade und drehte sich weg.»Ich bin solche Blicke gewöhnt, Sir. Aber Freude machen sie mir nicht. «Er ließ sich seinen Ärger anmerken. Was waren das für Kameraden, die ihn so anstarrten?

Er bückte sich, trat in die große Kajüte und blieb überrascht stehen. Den Commodore hatte er schon einmal gesehen, also mußte der bebrillte Mann in einfacher blauer Uniformjacke der berühmte Bolitho sein. Nicht gerade eine Heldenfigur. Aber die meisten Flaggoffiziere, die Tyacke bisher getroffen hatte, sahen nicht aus wie Bühnenhelden.

«Bitte entschuldigen Sie meine Unhöflichkeit, Mr. Tyacke. «Bolitho kam aus dem Schatten, und Yovell zog sich zurück.»Ich wußte nicht, daß Sie noch an Bord sind. Bitte nehmen Sie Platz.»

Tyacke setzte sich unsicher. War er zu lange auf See gewesen, daß er sich so täuschen konnte? Der Mann im weißen Hemd, der ihn so freundlich begrüßte, sollte ein Admiral sein? Er schien kaum älter als er selbst zu sein, obwohl er näher an Fünfzig als an Vierzig sein mußte. Nur die scharfen Linien um seinen Mund und eine weiße Haarsträhne über der Stirn verrieten, daß er kein Jüngling mehr war. Dazu offene graue Augen. Tyacke fühlte sich plötzlich wie ein Midshipman, so stumm und verlegen.

«Ihr Fund auf dem Sklavenschiff war für uns wichtiger, als Sie ahnen. «Bolitho lächelte und sah dadurch noch jünger aus.»Ich lote gerade aus, was in ihm steckt.»

Die Tür öffnete sich, und ein kleiner Steward kam über den gewürfelten Teppich auf Tyacke zu.»Ein Glas Rheinwein, Sir?«Er beobachtete den Leutnant und fügte hinzu:»Er ist schön kühl, Sir. «Offenbar war das etwas Besseres, als sonst auf dem Flaggschiff angeboten wurde.

Tyacke trank. Der Steward hatte genau wie der Admiral beim Anblick seines Gesichts mit keiner Wimper gezuckt und ihn auch nicht neugierig oder entsetzt angestarrt. Bolitho beobachtete den Leutnant. Ein gezeichneter Mann, Überlebender einer furchtbaren Seeschlacht.»Wo ist die Albacora jetzt?»

Tyacke riß sich aus seinen Gedanken.»Sie wird in zwei Tagen hier sein, Sir Richard. Ich ließ eine kleine Prisenbesatzung an Bord. Und einen verletzten Midshipman.»

Bolitho nickte.»Ich habe in Ihrem Bericht von ihm gelesen. Scheint ein tapferer junger Mann zu sein.»

«Mich hat er überrascht«, gab Tyacke zu.

Bolitho wandte sich seinem Sekretär zu.»Yovell, schreiben Sie einen Befehl für unseren anderen Schoner aus. Ich möchte, daß die Albacora bei einem großen Versorgungsschiff längsseits geht, dem Land abgekehrt und nachts. Von Land aus darf man sie auf keinen Fall entdecken. Der Schoner soll sie abfangen. Würden Sie sich bitte darum kümmern, Commodore Warren?»

Warren richtete sich auf, aber ein heftiger Husten überfiel ihn.

«Ich möchte auf Ihrem Schoner mitsegeln, Mr. Tyacke«, fuhr Bolitho fort und registrierte Überraschung und Unglauben im Gesicht des anderen.»Ich bin kleine Schiffe gewöhnt, machen Sie sich also keine Sorge um meine — hm — Würde.»

Der Commodore verließ die Kajüte, doch Bolitho hörte ihn noch immer husten. Jenour sah dem Schreiber über die Schulter, der den Befehl in Schönschrift zu Papier brachte.

Einen Augenblick schien es, als seien sie beide allein in der Kajüte.»Wo ist das passiert?«fragte Bolitho leise.

Der Leutnant zuckte zusammen und hielt dann seinem Blick stand.»In der Schlacht bei Abukir, Sir. Ich war auf der Majestic.»

«Unter Kapitän Westcott. Ein guter Mann. Schade um ihn. «Der Admiral berührte vorsichtig das Lid über seinem verletzten Auge.»Bitte kehren Sie auf die Miranda zurück. Sobald Ihre Prise einläuft, sollten wir ankerauf gehen. Ich möchte mir das Kap genauer ansehen, auch das Land und die See dahinter. Hier an Bord bin ich zu nichts nütze.»

Als Tyacke die Kajüte verlassen wollte, rief ihn Bolitho noch einmal zurück.»Sie sind ein tapferer Mann, Mr. Tyacke. Geben Sie mir Ihre Hand. «Sein Griff war fest.»Sie haben mir Mut gemacht. Vielen Dank!»

Etwas verwirrt fand Tyacke sich im Beiboot der Miranda wieder. Simcox saß an der Pinne, aufgeregt und neugierig. Tyacke wartete, bis die Männer ihren Takt fanden; ohne Vorbereitung sagte er dann:»Der Admiral will mit uns zum Kap.»

«Ein Admiral? Auf der Miranda?»

Der Leutnant nickte nur.

Irgendwas war an Bord des Flaggschiffs vorgefallen, spürte Simcox. Irgend etwas Wichtiges. Hoffentlich hatte niemand Tyacke verletzt.»Ich wette, Sie haben vergessen, ihn um das Bier zu bitten!«sagte er.

Aber Tyacke hörte gar nicht zu.»Und wenn es sein muß, werden wir mit diesem Admiral zur Hölle und zurück segeln, so wahr ich hier sitze«, murmelte er. Dann schwiegen sie, bis das Boot an der Miranda festmachte.

Richard Bolitho quetschte sich in die Ecke seiner Koje auf der Miranda und streckte die Beine aus. Sie war weiß Gott ein unruhiges Schiff. Er war alle Arten von Seegang gewöhnt, aber hier an Bord meldete sich selbst sein abgehärteter Magen.

Tyacke war seit dem Ankerlichten an Deck geblieben. Obwohl Bolitho nur ein Stück blauen Himmel durch das Skylight sah, hoffte er auf stetigeren Seegang, wenn sie erst einmal weiterab von Land standen, jenseits der unruhigen Küstenströmung. Er bedauerte, daß Ozzard nicht mitgekommen war, der seine Wünsche erriet, noch ehe er sie aussprechen konnte. Aber auf diesem kleinen Schiff war der Raum zu beengt. Und die Mannschaft der Miranda hätte es sicher nicht gern gesehen, wenn er seinen eigenen Steward mitbrachte. Er hatte auf dem Weg in die Kajüte Überraschung, Neugier und Ablehnung in den Augen der Männer entdeckt. Sie sahen sein AnBord-Kommen nicht als Ehre, sondern als Eindringen eines Fremden. Gut, daß auch Jenour auf dem Flaggschiff geblieben war; seine Augen und Ohren waren dort nützlicher.

Bolitho hatte das Sklavenschiff neben einem der Versorger festmachen gesehen, war aber nicht an Bord gegangen. Er hatte von der Frau in der Achterkajüte gehört und von dem Deserteur, der jetzt in Eisen auf sein Urteil wartete. Aber Tyacke hatte in seinem Bericht sicherlich nicht alles erwähnt.

Er hörte, daß sich das Marssegel knallend im Wind blähte, und meinte zu spüren, wie das Schiff sich in seinen neuen Kurs fand. Dabei fiel ihm wieder Alldays Kritik ein:»Das ist nichts für einen Vizeadmiral. Jedes Kohlenschiff bietet mehr Bequemlichkeit.»

Allday war jetzt irgendwo an Deck, entweder immer noch allein oder schon neben einem neuen Kumpel bei einem Schluck Rum. Auf diese Weise erfuhr er in wenigen Stunden mehr über Besatzung und Schiff als Bolitho in einem ganzen Jahr.

Den verwundeten Midshipman hatte Tyacke auf der Themis in der Obhut des Arztes gelassen, aber nichts weiter erwähnt. Bolitho fragte sich, ob Tyacke immer so verschlossen war; nur der Master schien so etwas wie sein Freund zu sein. Tyacke war wohl schon immer ein einsamer Mann gewesen, und die schreckliche Entstellung vergrößerte diese Einsamkeit noch.