Выбрать главу

Allday sah zur fernen Küste.»Keine leichte Entscheidung.»

Bolitho strich sich die Haarsträhne aus der Stirn. Was auch geschehen würde, das Resultat war in jedem Fall schlimm.

«Die Herren in London lassen sich deswegen sicher keine grauen Haare wachsen«, murmelte Allday.»Ich habe schon gefürchtet, Sie würden selbst auf den Brander gehen, Sir Richard.»

Bolitho sah Wolken über dem Land aufsteigen und meinte, Sand zwischen den Zähnen zu spüren.»Diesmal nicht.»

Die großen Segel der Truculent schoben sich näher heran. Ihr Deck dampfte bereits in der ersten Morgensonne. Sie drehte in den Wind, ein Beiboot wurde zu Wasser gelassen. Simcox pfiff seine Restbesatzung an Brassen und Schoten, um die Miranda in den Wind zu stellen, damit das Boot längsseits kommen konnte.

«Alles Gute, Mr. Simcox. Mein Bericht wird Ihnen bei der Masterprüfung sicherlich nützlich sein.»

Mühsam suchte Simcox nach den passenden Worten.»Danke, Sir Richard. Aber wir waren eben Freunde, und ich weiß, warum er das getan hat. «Er deutete auf die davonziehende Albacora. »Wenn einer es schaffen kann, dann Mr. Tyacke.»

Das Boot der Fregatte näherte sich ihnen, im Heck einen

Leutnant, der in dem unruhigen Wasser mühsam das Gleichgewicht hielt.

«Ich hoffe, wir sehen uns wieder, Mr. Simcox. Sie haben eine gute Besatzung und ein wunderbares Schiff. «Aber das hätte er besser nicht sagen sollen, denn irgendwann würde er vielleicht Schiff und Mannschaft in den Tod schicken müssen. Da erinnerte man sich lieber nicht allzu genau.

«Achtung! »

Bolitho nickte den Männern an der Pforte zu. Da stand der verläßliche Stückmeister Elias Archer. Jay, der Mastergehilfe, würde wahrscheinlich bald Simcox' früheren Platz einnehmen. Bootsmann Sperry fehlte, der war also bei Tyacke. Warum hatte aber der Midshipman darauf bestanden, auf den Brander umzusteigen? Er hatte doch gerade erst Befehl bekommen, auf sein altes Schiff zurückzukehren. Bolitho beschloß, nicht weiter darüber nachzugrübeln.»Ich denke an Ihr Bier, Mr. Simcox!»

Dann war er unten im Boot, stützte sich auf den Leutnant und versuchte, seinen Degen nicht zwischen den Beinen einzuklemmen.

«Also hier war es?«Tyacke blickte sich in der Kajüte der Albacora um.»Dreckig wie ein Schweinestall!»

Segrave starrte die Koje an, als läge dort noch die nackte Sklavin in Ketten. Wie alle anderen Räume unter Deck war auch dieser vollgestopft mit brennbarem Material. Der Brander stank: nach Öl, nach schimmeliger Leinwand, nach tranigem Werg, nach Holz aus Warrens Transportschiffen, das man mit Teer übergossen hatte: alles, was die Albacora in eine lodernde Fackel verwandeln würde. Segrave spürte den Luftzug durch das Loch im Deck streichen, der später die Flammen hochjagen würde. Und zum erstenmal, seit er sich gemeldet hatte, wurde ihm angst.

Das Schiff setzte weniger hart ein.»Wir laufen leichter, Sir«, sagte er.

Tyacke riß sich aus seinen Gedanken.»Wie? Ja, natürlich. Aber den Wind haben wir immer noch gegen uns. «Er hockte sich auf eine Kiste, wo sein verletztes Gesicht im Schatten lag.»Mr. Simcox hat mir von Ihren anderen Verletzungen erzählt«, begann er so ruhig, als habe er alle Zeit der Welt.»Man hat Sie geschlagen. Weil Sie an Bord nichts taugten?»

In der Erinnerung ballte Segrave die Fäuste. Der Kommandant damals hatte kein Interesse gehabt an dem, was bei den Midshipmen geschah. Ihn interessierten nur Ergebnisse, sonst nichts. Ein Leutnant hatte daraufhin die Offiziersanwärter in zwei Gruppen geteilt, die nun miteinander wetteiferten beim Kanonenexerzieren, in Seemann- schaft, bei Bootsmanövern. Wer verlor, wurde bestraft, wer gewann, erhielt kleine Belohnungen. Segrave gehörte als Neuling immer zu den Verlierern. Also hatte man ihn immer wieder nackt ausgezogen, über eine Lafette gebunden und ausgepeitscht. Seine Kameraden hatten das getan, aber auch der verantwortliche Leutnant. Sie hatten ihn erniedrigt und beleidigt, immer und immer wieder. Die Narben dieser Mißhandlung würde er nie mehr verlieren.

Mit Tyacke konnte er plötzlich über all das sprechen, in kurzen abgehackten Sätzen. Der Kommandant hörte stumm zu, bis der Junge schwieg.

«Solche Brutalität hat immer der Kommandant zu verantworten«, sagte er schließlich.»Wenn es ihm egal ist, wie die Offiziere seine Befehle ausführen oder ihre Aufgaben erfüllen, kommt es so weit. Kein Leutnant kann so etwas wagen, wenn ihn sein Kommandant dabei nicht decken würde. Haben Sie sich freiwillig auf den Brander gemeldet, weil Sie auf Ihre altes Schiff zurückkehren sollten?«Als Segrave schwieg, fuhr er fort:»Sie hätten den Leutnant umbringen sollen. Was Schlimmeres als hier hätte Sie dann auch nicht erwartet. Aber Ihnen wäre wohler gewesen. «Er legte Segrave die Hand auf die Schulter.»Doch Sie haben Ihre Entscheidung getroffen. «Ein Sonnenstrahl huschte über seine entstellte Gesichtshälfte.»Und ich die meine.»

Oben hörte man Schritte, die heisere Stimme des Bootsmanns scheuchte ein paar Männer auf ihre Stationen.

«Es tut mir nicht leid, daß ich hier bin«, sagte Segrave.»Gut!»

Zusammen stiegen sie an Deck, und die frische Luft tat ihnen wohl nach dem Gestank in der Kajüte. Tyacke sah zum Wimpel hoch, prüfte den Kurs am Kompaß. Ja, der Wind stand durch, hatte aber hier unter Land weniger Kraft. Er nahm das Teleskop aus seiner Halterung. Da fiel sein Blick auf den Deserteur namens Swayne. Er holte gerade die Lose aus einer Leine, bewegte sich dabei schnell und leicht: ein erfahrener Seemann. Seit er hier an Bord war, sah er nicht mehr so verzagt aus, denn solange man lebte, gab es Hoffnung. Auf dem Flaggschiff hätten ihn entweder zweihundert Hiebe oder der Strick erwartet. Der andere Fremde an Bord war ein Seesoldat namens Buller. Der hatte Rum gestohlen, sich betrunken und dann seinen Sergeanten verprügelt. Das war zuviel für die Truppe. Auch ihn hätte man gehenkt oder ausgepeitscht.

Die anderen Männer kannte Tyacke bereits genau, sie kamen von der Miranda. Sperry, der Bootsmann, ließ zwei Männer die Fockrah mit einer Kette festsetzen, denn wenn die Flammen erst nach oben schlugen, waren Ketten nötig, um Fahrt im Schiff zu halten. Das geteerte laufende Gut brannte sofort weg.

So jedenfalls hatte es Tyacke gehört. Wie jeder Seemann fürchtete er Feuer an Bord am meisten. Ob er die Sache durchstehen konnte? Er wußte, daß es darauf nur eine Antwort gab.

Der Kommandant hob das Glas und sah am Midshipman vorbei, dem das Haar ins Gesicht wehte. Das Land lag genau voraus, und die Huk, die die Einfahrt zur Bucht schützte, war im fahlen Morgenlicht gut zu erkennen: grün und felsig. Die Decksplanken unter seinen Füßen wurden langsam warm und würden bald trocken wie Zunder sein. Wenn der Feind vorn an der Landspitze weitreichende Kanonen plaziert hatte, würden sie nicht bis in die Bucht kommen. Kein Schiff hatte Chancen gegen eine Landbatterie, schon gar nicht, wenn sie mit glühenden Kugeln schoß. Tyacke versuchte nicht daran zu denken, was eine glühende Kanonenkugel unter Deck anrichten würde.

«An Deck!«Der Ausguckposten zeigte nach achtern.»Die Miranda geht über Stag.»

Tyacke drehte sich um. Die offene See achteraus hielt die Nacht noch länger fest. Mirandas große Segel schienen förmlich übers Wasser zu fliegen, ihr Toppsegel flatterte, als sie durch den Wind ging. Es sah wirklich so aus, als verfolge sie den schäbigen Sklavenhändler mit Feuereifer.

«Schütteln Sie alle Reffs aus, Mr. Sperry. Wir möchten doch nicht durch ein Schiff des Königs aufgebracht werden — oder?«Sperry grinste und verschwand.»Sie werden an der Pinne gebraucht, Mr. Segrave. Wir haben noch etwa zehn Meilen bis zum Angriff.»

Segrave nickte. Hinter Tyackes abstoßendem Äußeren hatte er seine gewinnende Kameradschaft entdeckt.