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Im Fernglas öffnete sich jetzt vor ihnen die Bucht wie eine Bühne.

«Wir laufen nach Nordost«, befahl der Kommandant,»auf die Untiefe zu, wie jedes kleine Handelsschiff, das von einem Kriegsschiff gejagt wird. Dann wenden wir und halten auf Steuerbordbug genau auf die ankernden Schiffe zu. Falls sie noch da sind. «Tyacke rieb sich das Kinn; er hätte sich doch rasieren sollen.»Also klar zur Wende, Mr. Segrave!»

Segrave bestätigte und stellte sich an der Pinne neben den jungen Seemann, der damals unten in der Kajüte seine Messerwunde versorgt hatte.

«Wir werden's auch diesmal schaffen, Mr. Segrave«, sagte dieser.

«Ganz bestimmt. «Segrave lächelte zurück.

Als ein Schuß übers Wasser klang und Pulverrauch vom Bug der Miranda aufstieg, drehte sich Tyacke um. Simcox beherrschte das Spiel gut. Hoffentlich übertrieb er es nicht und holte die Albacora ein. Plötzlich mußte Tyacke an das Mädchen denken, das er in Portsmouth gekannt hatte. Marion, richtig. Er wischte sich den Schweiß vom Gesicht.

Ein zweiter Schuß rollte über die glitzernde See, die Kugel schlug eine Kabellänge achteraus ins Wasser.

«Neuer Kurs Nordost liegt an, Sir!«Zum erstenmal hörte er den stillen Segrave laut und deutlich rufen.

Gischt wehte über das schmutzige Deck. Der Bootsmann zuckte nur kurz mit den Schultern, als ein dritter Schuß fiel und schon etwas näher lag als der letzte. Sperry spähte durch das Skylight in die Kajüte hinunter. Hier hatte er sich damals mit der Schwarzen vergnügt.

So hing jeder seinen Gedanken nach. Tyacke fragte sich, ob das Mädchen Marion sich an ihn erinnern würde, wenn sie vom letzten Kommando eines gewissen Leutnant Tyacke in der Zeitung las.

Kapitän Daniel Poland hielt respektvollen Abstand zu Bolitho, der am Tisch mit dem Zirkel einige Entfernungen in der Karte nachmaß.

«Soweit wir wissen, ist niemand mehr in die Bucht eingelaufen«, überlegte der Vizeadmiral.»Sie oder Leutnant Varian hätten das doch bemerkt und mir gemeldet. Das heißt, die Ostindienfahrer und die Fregatte liegen noch in der Bucht. Hab' ich recht?»

«Die Bucht ist riesig, Sir Richard«, gab Poland zu bedenken.»Viermal so groß wie die Tafelbucht. «Er fühlte sich unter Bolithos forschendem Blick unwohl.»Aber es wird schon so sein, wie Sie sagen.»

Bolitho zog seine Uhr heraus. Tyackes Brander und die Miranda mußten jetzt auf den vorgesehenen Positionen stehen. Immer noch dachte er an den Leutnant, der seinen Platz mit dem des Freundes getauscht hatte.

Jenour, der unruhig aus den Heckfenstern geblickt hatte, meldete Kanonenschüsse, und Bolitho sah auf die Karte.»Es läuft wie geplant.»

Er sah sich in der Kajüte um. Nach der Miranda schien er hier so viel Platz zu haben wie auf einem Linienschiff. Er wandte sich Poland zu.»Lassen Sie klar Schiff zum Gefecht machen, wann es Ihnen paßt. Und bitten Sie Allday…»

Doch der war schon leise eingetreten und brachte Bolithos alten Degen. Bolitho hob die Arme, damit Allday ihm das Gehenk umlegen konnte.

«Wieder mal«, seufzte er dabei.

«Und wie immer«, antwortete Bolitho,»verlasse ich mich auf dich, alter Freund.»

Leutnant Tyacke senkte das Teleskop. Er würde sich jedem Beobachter verdächtig machen, wenn er die beiden Ankerlieger zu lange durchs Glas studierte, statt sich um den Schoner zu kümmern, der ihn verfolgte. Aber er hatte schon gesehen, was er suchte: Die beiden Schiffe, offensichtlich Ostindienfahrer, lagen vor Heck- und Buganker. Bolitho hatte also recht gehabt. Sie konnten wie eine Batterie an Land jeden Angreifer abwehren, der sich ihnen mühsam aufkreuzend näherte.»Sehen Sie sich das an, Mr. Segrave!«Der junge Matrose neben dem Midshipman deutete auf die Miranda. Mit Vollzeug ging sie durch den Wind, drehte fast auf der Stelle, nahm wieder Fahrt auf und kam so schnell näher, daß Segrave schon glaubte, Simcox mit seinem wehenden Haar drüben an der Pinne zu erkennen.

Wieder stieg ein Wölkchen von ihrem Bug auf, und diesmal schlug die Kugel nur eine Bootslänge entfernt ein. Gischt spritzte an Deck.»Verdammt«, fluchte Sperry,»wenn du noch mal so gut zielst, kriegst du's mit mir zu tun, Elias Archer!»

Segrave leckte sich die trockenen Lippen. Wie er und der junge Seemann hatte wohl auch der Bootsmann vergessen, daß sie den Stückmeister der Miranda nie wiedersehen würden.

«Wachboot, Sir!«schrie der Ausguck im Fockmast.

Tyacke prüfte den Wimpel und den Stand der Segel.»Klar zur Wende, Mr. Sperry. «Er schätzte die Entfernung und prüfte die Kraft des Windes. Sie waren jetzt schon eine Stunde lang tiefer in die Bucht hinein gesegelt, ohne daß sie jemand aufgehalten hätte. Sicherlich wurde aus vielen Ferngläsern beobachtet, wie hier ein Sklavenhändler vor einem Briten floh. Vielleicht hatte auch der holländische Kommandant die Albacora wiedererkannt.

Tyacke sah sich das Wachboot im Teleskop genauer an: ein kleiner Kutter, die Riemen schon eingelegt, löste sich gerade vom ihnen nächstgelegenen Handelsschiff. Messingknöpfe glänzten auf der Uniform eines Offiziers, der im Heck des Kutters stand. Das Wachboot würde sie anrufen und zum Beidrehen auffordern. Es gab nur eine Möglichkeit.

«Buller zu mir!«Der Seesoldat eilte zu Tyacke.»Man sagt, Sie seien ein guter Schütze?»

«Ich war der beste in meiner Kompanie, Sir!»

Tyacke grinste.»Sehr gut. Also nehmen Sie Ihre Muskete und erschießen Sie den Offizier da in dem Kutter. Die haben eine Drehbasse im Bug, Sie sollten also besser gleich beim ersten Schuß treffen.»

Der Soldat bückte sich und öffnete hinter dem Schanzkleid seinen Rock, unter dem er seine Waffe verborgen hatte.»Alles klar, Sir!»

Tyacke sah zu Segrave hinüber.»Alles klar auch bei Ihnen?»

Der Midshipman nickte, bleich und entschlossen.

Tyacke ging zur Heckreling. Ja, ihr Beiboot hing noch in seinen Taljen. Er starrte zum Land, dann nach Backbord, wo die Feindschiffe lagen. Das Wachboot schien es nicht besonders eilig zu haben, sich der Albacora zu nähern, der die Miranda dicht auf den Fersen war.

«Klar zur Wende. Leeruder! Los die Schoten — und hol sinnig dicht!«Tyackes Stimme trieb die Männer an, bis sie schwitzten. Für ein Wendemanöver brauchte man eigentlich doppelt so viele Leute.

Segrave rutschte aus, fand Halt auf dem geteerten Deck, stemmte sich gegen die Pinne und sah die riesigen Segel übergehen. Der Schoner drehte durch den Wind und fiel ab.

«Komm auf, verdammt noch mal!«fluchte der junge Seemann neben ihm. Die Segel wurden hart angebraßt, der Schoner lief hoch am Wind auf neuem Bug. Wo voraus Land gewesen war, ankerten jetzt die Schiffe; im Sonnenlicht leuchteten deren bunte holländische Flaggen. Tyacke suchte irgendwo Halt. Dies war zwar nicht die Miranda, aber auch ein wendiges Schiff. Er sah den Wachkutter. Seine Segel killten, er verlor an Fahrt. Nun tauchten die Riemen ein. Das Boot drehte auf der Stelle, sodaß seine kleine Bugkanone nicht mehr auf sie zeigte, sondern auf die Miranda.

Sperry hielt die Luft an.»Die Miranda bläst den doch glatt aus dem Wasser. Was hat er bloß vor?»

Der Ausguck rief:»An Deck! Die Fregatte nimmt Fahrt auf!»

Tyacke drehte sich um und sah erschrocken, daß sich die Marssegel der Fregatte blähten und sie von ihrem Ankerplatz auf sie zuglitt.

«Die läßt uns keine Chance. «Sperry rieb sich verzweifelt die Augen.»Sie geht viel höher an den Wind als wir!»

«Fallen Sie einen Strich ab, Mr. Segrave«, befahl Tyacke ruhig. Er hob sein Glas und hielt den Atem an.»Sie hat's auf die Miranda abgesehen. O Gott!«Dann brüllte er, so laut er konnte:»Verschwinde, Ben! Fall ab, du bist schneller!«Natürlich konnte ihn niemand an Bord der Miranda hören.»Hau ab, Ben!»