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«Guter Stoff. Stammt von einem Schmuggler. «Nur die Augen waren so klar und blau, wie Bolitho sie kannte. Ihm war, als schaue ihn ein Bekannter aus einem fremden Körper an.

«Verdammt noch mal, ich war nicht bei ihr, als sie mich am nötigsten brauchte!«brach es aus Herrick heraus.»Ich hatte ihr doch gesagt, sie solle sich nicht um die Gefangenen kümmern! Jetzt möchte ich sie am liebsten alle aufhängen. «Er trat an die Wand, an der sein Degen hing und mit dem Schwanken des Schiffes am Holz scheuerte. Doch er übersah die Waffe und berührte fast zärtlich das Teleskop daneben in seiner Halterung, das Dulcie ihm einst in London geschenkt hatte.»Aber ich wäre auf jeden Fall zu spät gekommen.»

Herrick leerte sein Glas in einem Zug.»Lady Bolitho hat mir von den verdammten Spaniern erzählt, die überall in Haus und Garten arbeiteten. Sie hätte sie auf den Hulks lassen sollen!«Er sah Bolitho an und fragte plötzlich:»War bei der Beerdigung alles so, wie es sein sollte?»

«Ja. Deine Schwester war da und viele von Dulcies Freunden.»

«Und ich konnte nicht kommen! Sie starb allein.»

Der Satz hing in der Luft, bis Bolitho sagte:»Dulcie war nicht allein. Catherine war bei ihr und hat sie gepflegt, bis der Tod sie erlöst hat. Das war mutig von ihr, denn Typhus ist sehr ansteckend.»

Herrick trat an den Tisch und griff zur Brandyflasche.»Nur Catherine?»

«Ja. Sie ließ nicht einmal die Haushälterin ins Zimmer.»

Herrick rieb sich die Augen, als schmerzten sie ihn.»Du denkst jetzt bestimmt, daß sich Catherine dafür meine Anerkennung verdient hat.»

Bolitho zügelte seinen Zorn.»Ich bin nicht hergekommen, um aus deinem Schmerz Gewinn zu schlagen, Thomas. Ich weiß noch sehr genau, wie du mir damals die schreckliche Nachricht über Cheneys Tod brachtest. Ich fühle mit dir, Thomas, denn ich weiß, was es heißt, einen geliebten Menschen zu verlieren.»

Herrick ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen und füllte sich schon wieder das Glas.»Aber du hast jetzt Catherine — und ich habe alles verloren. Dulcie gab mir die Kraft zum Vorwärtskommen. Es war ein langer Weg vom armen Kadetten zum Konteradmiral. «Als Bolitho schwieg, beugte er sich über den Tisch und sprach lauter.»Aber du hast das ja nie verstanden! Dein Neffe auch nicht, niemand. Ihr Bolithos denkt immer nur an euch!»

«Ich gehe jetzt, Thomas. «Es war schrecklich zu beobachten, wie der Schmerz diesen Mann zerstörte. Was brach da aus ihm heraus? Hatte er diesen Vorbehalt gegen Bolitho etwa jahrelang in seiner Seele verborgen? Später würde er diese Worte sicherlich bereuen.

«Wenn du in England bist, erinnere dich an all das Schöne, das du mit Dulcie zusammen erlebt habt. Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.»

Herrick erhob sich unsicher.»Was macht dein Auge? Geht es dir besser?«Trotz Alkohol und Trauer erinnerte er sich plötzlich daran, daß Bolitho auf diesem Schiff fast gefallen wäre.

«Danke, es geht, Thomas. «Bolitho nahm Hut und Mantel.

Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Kapitän Gossage schaute herein.»Ich wollte dem Konteradmiral melden, daß der Wind auffrischt. «Er sah zu Herrick hinüber, der zusammengesunken auf der Heckbank saß und sich nicht rührte.»Ich lasse die Fallreepswache antreten, damit Sir richtig verabschiedet werden, Sir Richard.»

«Nein, lassen Sie nur meine Barkasse rufen. «Dann drückte er die Tür zu und sagte so leise, daß der Posten es nicht hören konnte:»Kümmern Sie sich bitte um den Admiral. Da sitzt ein tapferer Mann, der schwer getroffen wurde — wenn auch nicht durch feindliches Feuer.»

So grimmig und traurig hatte Jenour seinen Admiral noch nie gesehen. Als dieser wieder an Deck kam, unterließ er jede Frage, warum ihn der Konteradmiral nicht gebührend verabschiedete, und meinte nur mit etwas erzwungener Fröhlichkeit:»Da drüben liegt die holländische Küste, jetzt leider wegen eines Schauers außer Sicht.»

Bolitho betastete sein Auge, als Schmerz es durchzuckte wie eine böse Erinnerung.»Liegt die Barkasse längsseits, Stephen?«Als Jenour ging, um nachzuschauen, murmelte er:»Ich wünschte, es wäre nicht Holland, sondern Cornwall!»

Dann kletterte er die Leiter hinunter in die schaukelnde Barkasse. Die See hatte ihn wieder.

Leutnant Stephen Jenour klemmte sich den Hut unter den Arm und betrat Bolithos Tageskajüte. Oben an Deck war es noch immer sehr kalt, doch ein Atemschöpfen des Windes hatte die Wellen etwas beruhigt. Wäßriges Sonnenlicht brachte einen Anschein von Wärme in die vollen Messedecks, und auch hier in der großen Kajüte meinte Jenour, sie zu spüren. Bolitho beugte sich über eine Karte mit dem Operationsgebiet des Geschwaders. Er sah müde aus, aber ruhiger als beim Abschied von seinem Freund auf der Benbow. Jenour ahnte nur, was zwischen den beiden vorgefallen war und wie sehr es Bolitho getroffen hatte. Durch die großen Heckfenster sah er zwei Vierundsiebziger des Geschwaders, die Glorious und die alte Sunderland, die keinen Seekrieg ausgelassen hatte. Sie mußte jetzt, überlegte Jenour, etwa so alt sein wie die Hyperion.

Nach Benbows Ausscheiden unterstanden Bolitho neben der Black Prince noch fünf Linienschiffe, und zwei weitere, die Tenacious und die Valkyrie, lagen in England im Reparaturdock. Jenour wunderte sich, daß Konteradmiral Herrick die Schiffe nach Hause geschickt und damit das Geschwader geschwächt hatte, ohne erst Bolithos Ansicht darüber abzuwarten. Aber er hielt sich mit seinen Fragen zurück.

Plötzlich merkte Jenour, daß Bolitho ihn schon eine ganze Weile lang anschaute. Er meldete errötend:»Ihre Kommandanten sind jetzt an Bord versammelt, Sir Richard. Lediglich der Kommandant der Zest fehlt, er macht Wachdienst wie befohlen.»

Bolitho nickte. Vor vierzehn Tagen war Herrick nach England abgesegelt. Seither herrschte besseres Wetter, deshalb hatte er sein Geschwader zusammenziehen können. Die Schiffe dümpelten auf der silbern glänzenden Nordsee. Zum erstenmal waren alle Kommandanten gleichzeitig an Bord der Black Prince.

«Was macht unsere Kurierbrigg?»

Wieder einmal errötete Jenour. Konnte Bolitho ahnen, daß der Ausguck im Masttopp der Glorious die Brigg bereits gemeldet hatte? Seit seinem Morgenspaziergang auf dem Achterdeck war er doch in seiner Kajüte geblieben.

Bolitho sah Jenours Verwirrung und lächelte.»Das Signal wurde an Deck wiederholt, und ich war draußen auf der Heckgalerie. Sie hat ihre Vorteile, man hört dort vieles, auch was nicht unbedingt für den Admiral bestimmt ist.»

Er hatte die Hoffnung, daß die kleine Kurierbrigg Mistral vielleicht einen Brief von Catherine mitbrachte. Aber sie hatte bestimmt noch keine Zeit gefunden, ihm so bald nach seiner Abreise zu schreiben.

«Der Kommandant der Brigg wird sich sofort an Bord melden, wenn er heran ist«, antwortete Jenour.

Bolitho dachte an die Kommandanten, die draußen darauf warteten, ihn kennenzulernen: alles erfahrene Männer, doch keiner ein Freund. Vor Jahren war er aufgeregt gewesen, wenn er als Kommandant zum ersten Mal vor seine Offiziere und Mannschaften hingetreten war. Inzwischen wußte er, daß die anderen viel aufgeregter waren als er selbst.

«Bitten Sie Kapitän Keen, die Herren zu mir zu führen. Er war übrigens ganz überrascht, die Nicator in unserem Geschwader zu finden. Er hat sie vor sechs oder sieben Jahren geführt, in der Schlacht vor Kopenhagen. Schon damals war sie so verrottet, daß Keen immer behauptete, von der Ewigkeit trenne ihn nur ein Kupferblech.»

«Haben wir denn immer noch zu wenig Schiffe?»

Bolitho beobachtete den Flug der Möwen draußen, die ständig ihre Farbe zu wechseln schienen.»Ja. Darum wären die dänischen Schiffe so wichtig für uns. Vielleicht wird nichts daraus, aber wer weiß?«Er wurde ungeduldig.»Bitten Sie Ozzard, unsere Gäste mit Wein zu bewirten.»