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Der Schoner war zwar klein, aber sehr handlig. Immer wieder stieß er zwischen die Inseln vor oder kreuzte dicht an die flache Küste heran, sah sich dort um und floh erst dann aufs offene Meer hinaus, wenn ein feindliches Patrouillenschiff endlich Anker gelichtet und Segel gesetzt hatte und ihm bedrohlich nahe kam.

Eines Morgens öffnete Allday ein Heckfenster — und frühlingshafte Wärme strömte herein. Bolitho starrte bei der Rasur an die Decke und fühlte das Messer über sein Kinn kratzen.»Ich glaube, alle hassen mich wegen des Drills, zu dem ich sie zwinge«, sagte er.

Allday dachte nach, rasierte aber weiter.»Das ist auch ganz gut so, Sir Richard. Auf einem kleinen Schiff sollte man den Drill nicht übertreiben, aber auf einem Dickschiff wie diesem sollten Offiziere und Mannschaften nicht zu eng zusammenwachsen.»

Bolitho sah ihn fragend an.»Wieder eine deiner Weisheiten. Und wie ist die zu verstehen?»

«Zwischen den Decks braucht man jemanden, den man hassen kann. Das macht einen Mann so scharf wie der Schleifstein das Messer.»

Bolitho lächelte und ließ seine Gedanken wandern. Cornwall mußte nach dem trüben Winter jetzt wunderbar frisch riechen. Gelber Stechginster und große Polster von Glockenblumen blühten bestimmt neben dem Pfad auf der Steilküste. Was Catherine jetzt wohl machte?

Sie hatte Somervells Besitzungen in London veräußert und, nachdem sie seine Schulden bezahlt hatte, ein kleines Haus an der Themse gekauft.»Wenn du in London zu tun hast, haben wir hier unser Zuhause«, hatte sie erklärt,»und müssen niemanden um Zuflucht bitten. «Zusammen mit Ferguson hatte sie in Falmouth mehr Land kultivieren lassen, denn sein Besitz sollte sich nicht nur selbst tragen, sondern auch Profit abwerfen. Nicht ein einziges Mal erwähnte sie Belinda, deren aufwendiger Lebensunterhalt große Summen verschlang.

Es klopfte, Keen trat ein und meldete:»Der Schoner ist in Sicht und möchte längsseits kommen.»

Allday tupfte Bolithos Gesicht trocken und musterte dabei verstohlen sein linkes Auge. Nichts deutete auf eine Verletzung hin oder auf eine Verschlechterung. Sollte es doch heilen?

«Neuigkeiten, Val?«fragte Bolitho.

«Er kommt aus der richtigen Richtung«, antwortete Keen unverbindlich.

Es dauerte, bis der Schoner aufgekreuzt war und in Lee der Black Prince ein Boot zu Wasser gelassen hatte. Sein Kommandant, Leutnant Evan Evans, hatte früher einen Zollkutter befehligt und sah mehr nach einem Piraten aus als nach einem gesetzestreuen

Leutnant der Königlichen Marine. Er war ein Berg von einem Mann, mit dichtem grauen Haar, das anscheinend mit einer Schafschere gekappt worden war. Sein ziegelrotes Gesicht zierten so viele Runzeln, daß es den starken Trinker verriet. Ozzard bot Rum an, und Evans leerte den Becher in einem Zug.

«Berichten Sie, was Sie beobachtet haben«, forderte Bolitho ihn auf.

Sie traten an den Tisch, auf dem die Karte und Bolithos Logbuch lagen.

Evans deutete mit einem Finger, der so dick und hart wie ein Marlspieker war, auf einen Punkt der Karte.»Hier, vor drei Tagen, Sir Richard. Sie segelte in die Deutsche Bucht, vorbei an Helgoland, jedenfalls war das die allgemeine Richtung.»

Bolitho zügelte seine Ungeduld. Evans rief seine Erinnerungen ab, und wenn er ihn hetzte, würden die Bilder ihre Schärfe verlieren. Er sprach mit starkem walisischem Akzent.

«Wer — sie?«half Keen vorsichtig weiter.

Evans sah ihn erstaunt an.»Na, ein Linienschiff, so groß wie eine Kathedrale. «Er hob die Schultern.»Dann kamen von irgendwoher aus der Sonne noch zwei Fregatten, eine davon ein Vierundvierziger. «Er runzelte die Stirn, bis seine hellen Augen fast verschwanden.

Bolitho richtete sich auf.»Haben Sie Namen erkennen können, Mr. Evans?»

«Nun ja, wir hatten's eilig, als sie mit ihrer Bugkarronade auf uns schoß. Da rissen wir die Hufe hoch und verschwanden.»

«Es war die Intrepide, habe ich recht?»

Evans starrte ihn an.»Woher wissen Sie das, Sir?»

«Nur eine Vorahnung. «Aber er spürte ganz deutlich, daß es bald losgehen würde.»Wie groß war das Linienschiff, was schätzen Sie?»

Evans trank einen zweiten Becher Rum, dann wischte er sich mit dem Handrücken die Lippen.»Genau kann ich das nicht sagen. «Er maß die Kajüte mit Blicken.»Jedenfalls größer als dieses Schiff, Sir Richard.»

«Wie bitte?«Bolitho sah Keen überrascht an.»Das muß ein Irrtum sein. Kein einziges Feindschiff mit mehr als vierundsiebzig Kanonen hat Trafalgar überlebt. Entweder sanken sie in der Schlacht oder im Sturm, der folgte. «Fast anklagend sah er Evans an.»Und kein Agent hat uns vom Neubau eines so großen Schiffes berichtet.»

Der Leutnant lächelte. Er war seinen Bericht losgeworden, die Verantwortung lag jetzt bei anderen, und der Rum war gut.»Ich habe aber eines gesehen, Sir Richard. Ich fahre seit fünfundzwanzig Jahren zur See und kenne Schiffe. Ich bin kein grüner Junge mehr!»

«Ich möchte, daß Sie diese Nachricht nach Portsmouth bringen. Sie ist eilig und wichtig.»

«Die Nore wäre schneller zu erreichen, Sir Richard.»

Bolitho schüttelte den Kopf.»In Portsmouth gibt es den optischen Telegrafen, der ist schneller. «Er sah, daß Evans einen dritten Becher Rum trank.»Sie haben doch einen verläßlichen Ersten?»

Der rauhe Waliser verstand, was gemeint war.»Keine Sorge, Sie können sich auf mich verlassen, Sir Richard. Am Montag bin ich in Portsmouth.»

«Außerdem gebe ich Ihnen einen Privatbrief mit. Würden Sie ihn bitte mit der Pferdepost nach Falmouth expedieren?»

Der Mann grinste breit.»Aber sicher doch, Sir Richard. Ich kenne die Burschen am Portsmouth Point, sie sind mir noch einen Gefallen schuldig.»

Um die Mittagszeit war der Schoner wieder unterwegs, und der Neid derer folgte ihm, die wußten, daß England sein Ziel war.

Tief unten im Rumpf hatten zwei Männer, angeleitet vom Gehilfen des Zahlmeisters, ein Faß Pökelfleisch aus der Last geholt und an Deck hieven lassen. Nun saßen die beiden in der Dunkelheit unten und leerten noch eine Flasche Cognac: Fittock, der ausgepeitscht worden war, und Duthy, ein Reepschläger aus Devon, erfahrene Seeleute beide.

Sie sprachen leise, weil sie wußten, daß sie sich hier eigentlich nicht aufhalten durften. Aber wie viele erfahrene Salzbuckel haßten sie es, zusammen mit den Neulingen zu leben.

«Ich fresse einen Anker vor Freude, wenn meine Dienstzeit um ist, Jim. Wenn ich heil an Land komme, weiß ich schon, was ich mache.»

Fittock schmeckte dem Cognac nach. Kein Wunder, daß die Herren Offiziere ihn mochten. Er nickte. »Wenn du heil an Land kommst, das ist der Punkt!»

«Glaubst du denn, wir werden hier je ein Gefecht erleben?»

Fittock juckten die Peitschennarben auf seinem Rücken, er rieb sich an einem Faß.»Du kennst doch das alte Sprichwort: Wenn der Tod durchs Schiff rast, soll er's halten wie mit dem Prisengeld.»

Sein Freund schüttelte den Kopf.»Versteh' ich nicht, Jim.»

Fittock lachte.»Mögen die Offiziere das meiste abbekommen!»

«Was machen Sie denn hier?«schnitt da eine Stimme durch die Dunkelheit.

Beide sprangen auf, als Midshipman Vincent seine Lampe hob und schadenfroh grinste. Hinter ihm stand mit weißem Koppel und gekreuzten weißen Brustriemen der Profos.

Kalt sagte Vincent:»Abschaum wie Sie lernt es wohl nie, Fittock!«Duthy protestierte:»Wir haben nichts Verbotenes gemacht, Sir. Haben hier unten nur gesessen und geredet.»

«Lüg mich nicht an, du Schwein!«Vincent streckte die Hand aus.»Gib mir die Flasche! Dafür werdet ihr ausgepeitscht.»

«Sie denken wohl, Sie können sich alles leisten, weil Ihr Onkel hier Vizeadmiral ist, Sie Scheißkerl? Ich habe lange unter ihm gedient, Sie gehören einfach nicht auf dasselbe Schiff wie er.»

«Korporal, nehmen Sie den Mann fest!«Vincent schrie jetzt fast.»Das ist ein Befehl!»