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Dann hatte er auch die anderen Offiziere seines Geschwaders kennengelernt, die im Kampf mit ihm segeln würden. Nur Adam mit seiner Fregatte hielt sich entfernt, weiter weg, als selbst der beste Ausguck sehen konnte, immer auf der Suche nach dem Gegner. Falls sich Napoleon die Flotten Dänemarks und Schwedens aneignen konnte, mußte England ihnen schon allein aufgrund ihrer Überzahl unterliegen. Denn noch immer waren die Lücken, die Trafalgar gerissen hatte, nicht aufgefüllt. Beide neutrale Flotten, so hörte man, hatten einhundertachtzig Schiffe. Bolitho hatte Godschale auch nach Herricks neuer Aufgabe gefragt. Der Admiral wollte zunächst nicht mit der Sprache heraus, doch als Bolitho beharrlich blieb, antwortete er:»Herrick kommandiert die Begleitschiffe für die Versorger. Eine lebenswichtige Aufgabe!»

Lebenswichtig? Ein alter müder Commodore wie Arthur Warren hätte diese Aufgabe leicht erfüllen können.

Der Mond trat hinter einer langen Wolke hervor und legte Glanz auf den Fluß. Bolitho packte das Balkongeländer und starrte ins Licht, bis er einen glänzenden Ring um den Mond sah, breit und verschwommen. Da schaute er weg und schluckte trocken. Schlimmer war sein Auge nicht geworden. Oder bildete er sich das nur ein? Er fühlte die Vorhänge gegen seine Beine wehen und wußte, Catherine war zu ihm getreten.

«Was ist, Richard?«Ihre Hand massierte seinen Rücken, verlockend und stark, löste seine Verspannung. Er drehte sich um und streichelte sie unter ihrer großen Stola aus den Spitzen, die er aus Madeira mitgebracht hatte. Sie zitterte wie in einer kühlen Brise, als seine Hand über ihren nackten Körper glitt.

«Ich segle morgen«, sagte er, schon vom Abschied gezeichnet.»Aber etwas wüßte ich gern noch von dir. «Sie drückte das Gesicht gegen seine Schulter.»Was denn?»

«Bei der Beerdigung von Somervell«, begann er,»habe ich gesehen, daß du ein Taschentuch ins Grab geworfen hast.»

Ihr Atem streifte warm seine Schulter.»Darin war sein Ring. Ich wollte nichts mehr von ihm besitzen.»

Das hatte er gehofft.»Würdest du meinen Ring tragen, wenn ich einen fände, der schön genug ist für dich?»

Sie hielt den Atem an. Der Mann, der morgen vielleicht in den Tod segeln mußte, fand Zeit, an einen Ring für sie zu denken! Sie ließ sich von ihm ins Zimmer führen und die Stola abnehmen. Ihr Körper glänzte im Licht der beiden Kerzen neben dem Bett.

«Ich wäre stolz darauf«, flüsterte sie, und er sah Tränen unter ihren Wimpern.»Aber sprechen wir nicht von morgen. Heute bin ich noch da — für dich, Liebster.»

Als der Morgen über London heraufzog, öffnete Bolitho die Augen. Catherines Kopf ruhte an seiner Schulter, ihr Haar lag ausgebreitet auf dem Kissen. Er entdeckte die roten Spuren seiner Zärtlichkeit auf ihrer Haut. Sie sah aus wie ein kleines Mädchen, als er ihr das Haar aus dem Gesicht strich.

Irgendwo läutete eine Glocke, und ein früher Wagen rollte über das Kopfsteinpflaster.

Die Zeit des Abschieds war gekommen.

XVIII Feuer und Nebel

Bolitho stand an den Heckfenstern der Black Prince und lauschte den vertrauten Geräuschen des Segelsetzens. Die Fregatte Tybalt draußen nahm gerade wieder Fahrt auf, um in der Nore neue Befehle einzuholen. Ihr Kommandant war sicher froh, seinen hohen Passagier ohne Verspätung und Zwischenfall bei seinem Geschwader abgeliefert zu haben und jetzt wieder sein eigener Herr zu sein.

Bolitho dachte an den Abschied im Haus an der Themse. Eigentlich hatte Catherine ihn nach Chatham begleiten wollen, aber zugestimmt, als er sie bat:»Fahre nach Falmouth, Kate, dort bist du unter Freunden. «Noch immer sah er sie mit ihren großen Augen auf der Treppe des Hauses stehen.

Bolitho hörte, wie Ozzard sich in der Schlafkajüte zu schaffen machte. Er schien der einzige zu sein, der sich freute, wieder an Bord zu leben. Selbst Allday war ungewöhnlich niedergeschlagen. Er hatte erzählt, daß sein Sohn, Bootssteurer auf der Anemone, den Dienst in der Navy quittieren wollte, weil er genug hatte vom Krieg. Er liebe zwar die See, aber der könne er auch anders dienen, zum Beispiel als Fischer. Er wollte einmal ein eigenes Boot besitzen und heiraten — jedenfalls nicht so leben wie sein Vater. Der letzte Satz hatte Allday besonders verletzt.»Als er mir sagte, daß Leutnant Adam Bolitho einverstanden sei, hatte ich verloren«, berichtete er.

Es klopfte, und Keen trat ein. Bolitho musterte ihn neugierig. Keen sah entspannt aus, selbst die vielen Pflichten eines Flaggkapitäns schienen ihn nicht mehr zu belasten. Bolitho hatte ihm einen Brief von Zenoria mitgebracht, den ihm Catherine zu treuen Händen übergeben hatte. Er trat an den Tisch und sagte zu Keen:»Sie können all diese Papiere hier noch genauer studieren, aber im wesentlichen geht es darum, daß sich eine große Flotte, einschließlich einiger Schiffe vom Kap, in Norfolk vor Great Yarmouth gesammelt hat, dem größten Ankerplatz, der gleichzeitig nahe genug an Dänemark liegt. Admiral Gambier hat seine Flagge auf der Prince of Wales gesetzt und den Oberbefehl über die fünfundzwanzig Linienschiffe übernommen. Ursprünglich wollte Gambier ja die Black Prince als sein Flaggschiff, aber ihre Ausrüstung dauerte ihm zu lange.»

Herrick fiel ihm wieder ein.»Dort sammeln sich auch zahlreiche Versorger und Truppentransporter. Einige haben flachgehende Leichter an Bord, um Artillerie und Truppen an Land zu setzen für eine Belagerung. Es wird die größte kombinierte Operation, seit Wolfe 1759 Quebec eroberte. «Er dachte an den General am Kap und fügte hinzu:»Lord Cathcart hat das Oberkommando über die Landstreitkräfte. Ihm unterstellt sind zehn Generalmajore, einer davon ist Sir Arthur Wellesley. Ich glaube, Cathcart und viele andere sehen diesen Angriff als ersten Schritt zu einer großangelegten Landung auf dem Festland.»

«Dann möge Gott den Dänen helfen!«antwortete Keen ernst.

Bolitho schlüpfte aus seiner schweren Uniformjacke und warf sie auf einen Stuhl.»Wir bleiben hier, bis Gambiers Flotte durchs Skagerrak gesegelt ist, und sorgen dafür, daß die Franzosen nicht den Nachschub angreifen. Das würde die Truppen in größte Schwierigkeiten bringen. Dann folgen wir als Nachhut.»

«Kapitän Crowfoot ist mit seiner Glorious immer noch bei unserer zweiten Division im Norden.»

«Ich weiß. «Bolitho rieb sich das Kinn.»Signalisieren Sie der Anemone, sie soll zum Geschwader aufschließen und Crowfoot meine Befehle überbringen. Ich halte es für besser, wenn wir alle zusammenbleiben, bis wir wissen, was hier vor sich geht.»

Als Keen schon gehen wollte, frage Bolitho noch:»Gibt's private Neuigkeiten, Val?»

Keen strahlte.»Der Brief von Zenoria, Sir… Wir haben jetzt das Hochzeitsdatum festgelegt. Lady Catherine wird alles arrangieren. Die beiden haben sich gut verstanden, sie hat Zenoria sogar nach Falmouth eingeladen!»

Bolitho lächelte und drückte Keen fest die Hand.»Ich freue mich sehr. Niemand hat dieses Glück so verdient wie Sie. »l

Als Keen gegangen war, um die Anemone zum Geschwader zurückrufen zu lassen, überlegte Bolitho, was Catherine ihm von dem Treffen mit Zenoria erzählt hatte. Es klang so, als ob Zenorias Onkel, der kürzlich aus Indien zurückgekehrt war, etwas gegen ihre

Heirat hatte. Wollte er die schöne junge Frau mit den Mondscheinaugen vielleicht selber ehelichen?

Dann widmete er sich wieder den Dokumenten, die er aus London mitgebracht hatte. Er hatte die Operationspläne in einer bleibeschwerten Tasche transportiert. Hätte ein Gegner die Tybalt abgefangen und besiegt, wäre die Tasche über Bord geflogen und versunken, statt dem Feind in die Hände zu fallen.