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Gambier begleitete sie zur Pforte, dann fragte er seinen Flaggkapitän:»Bin ich eigentlich ein schwieriger Vorgesetzter?«Der Kapitän lächelte.»Es geht, Sir.»

Gambier sah dem Wachboot nach, das hastig durch den Hafen gerudert wurde, immer wieder erleuchtet von den Bränden in der Stadt.»Eben hatte ich auf meinem eigenen Flaggschiff das Gefühl, daß Bolitho hier den Oberbefehl hat, nicht ich.»

Auf der Black Prince gab Bolitho seine Befehle, als hätte er sie längst ausgearbeitet.»Schicken Sie ein Boot zu Ihrem alten Schiff, Val. Die Nicator soll sofort Anker lichten und uns folgen. «Er ergriff seinen Arm.»Und bitte keine Diskussionen. Tyackes Larne wird uns hinauslotsen. Ich habe doch geahnt, daß so etwas passiert!»

Der große Dreidecker erwachte plötzlich zum Leben, als die Trommeln wirbelten und die Besatzung auf ihre Manöverstationen eilte. Alles war besser, als hier zu ankern und in dieses Inferno einzustimmen. Nur zu gern verließen sie den Hafen. Das Gangspill klickte schon, bald würde der Heckanker aufgeholt sein. Eine Hecklaterne glitt übers Wasser, und gelegentlich konnte Bolitho im Flammenschein dahinter den Umriß der Larne erkennen.

Zwei große Brandbomben fielen gleichzeitig auf die Stadt und beleuchteten Dächer und Schiffe wie ein grelles Feuerwerk. Bolitho hatte die Hand vor das verwundete Auge geschlagen. Als der riesige Ball verglomm, zog er sie weg. Er sah seine Umgebung wie durch Wolken oder ein beschlagenes Glas.»Doch nicht jetzt, lieber Gott, nicht jetzt!«murmelte er verzweifelt.»Anker ist kurzstag, Sir!»

Im Sprachrohr hörte sich Keens Stimme fremd an.»Wie verläuft die Trosse, Mr. Sedgemore?«Er wartete auf den nächsten Feuerblitz, um den Winkel zu erkennen, den ihm der Leutnant mit ausgestrecktem Arm wies. Im Hafen war sehr wenig Platz, Keen mußte genau berechnen, wie sein Schiff sich bewegen würde, wenn der Anker freikam. Cazalet brüllte:»Marssegel setzen!«Und nach ein paar Sekunden:»Achtung, Achterdeckswache!»

Die unteren Stückpforten der Black Prince schienen fast das Wasser zu berühren, als von vorn der Schrei kam:»Anker ist frei, Sir!»

Bolitho griff haltsuchend in die Netze und rieb sich das Auge.»Kann ich helfen, Sir Richard?«flüsterte Jenour neben ihm.

Statt der erwarteten heftigen Abfuhr hörte er nur ein leises Stöhnen.»Ich verliere mein Augenlicht, Stephen. Aber würden Sie das bitte für sich behalten?»

Jenour war zu erschüttert, um zu antworten. So nickte er nur.

«Es darf niemand erfahren!«Bolitho packte seinen Arm, bis Jenour vor Schmerz das Gesicht verzog.»Da draußen warten Freunde auf unsere Hilfe.»

Keen trat zu ihnen.»Schiff ist in Fahrt, Sir. «Dann sah er von einem zum anderen und begriff sofort, was geschehen war.»Soll ich den Schiffsarzt rufen lassen?»

Bolitho schüttelte den Kopf. Vielleicht würde die Trübung ja vorübergehen. Wenn der Morgen anbrach, konnte er möglicherweise so gut sehen wie vorher.»Nein, danke, Val. Es wissen schon zu viele. Segeln Sie hinter der Hecklaterne der Larne her und schicken Sie Ihren besten Lotgast in den Bug.»

Aus der Dunkelheit tauchte Allday mit einem Becher auf. Bolitho trank und schmeckte Kaffee mit Rum und noch etwas. Er fühlte, wie er sich entspannte.»Das hat gut getan, alter Freund. Jetzt ist es wohl vorbei. «Er reichte Allday den Becher zurück.

Doch als er sich nach der brennenden Stadt umsah, hing der Nebel immer noch vor seinem linken Auge.

XIX Die wahre Flagge

Die Black Prince segelte so hoch am Wind wie möglich. Ihre großen Rahen waren so dichtgebraßt, daß eine Landratte geglaubt hätte, sie stünden mittschiffs. Fast die ganze letzte Nacht hatten sie damit verbracht, im engen Sund gegenan zu kreuzen. Der Donner des Bombardements von Kopenhagen war ihnen gefolgt, immer leiser werdend.

Die Nicator hatte es geschafft, Fühlung zum Flaggschiff zu halten, doch Besatzung und Offiziere auf dem großen Dreidecker hatten all ihre Erfahrung gebraucht und viel Kraft. Jede einzelne Tiefenangabe des Lotgasten wurde laut nach achtern gerufen, und einmal hatte Bolitho das Gefühl gehabt, daß nur noch eine Handbreit Wasser zwischen dem Kiel des großen Schiffes und einer Katastrophe stand.

In der Morgendämmerung fuhren sie ins Kattegat ein, ebenfalls ein flaches Gewässer, doch ihnen kam es nach dieser Nacht vor wie der weite Atlantik. Ein Blick zu seinem Wimpel im Vortopp zeigte Bolitho, daß der Wind aus Nordost durchstand. Morgen würde ihnen das sehr helfen. Zum hundersten Mal mußte Bolitho an Herrick denken und an seine Redensart von der launischen Dame Fortuna.

«Noch Befehle für den Tag, Sir?«fragte Keen.

Sie schauten einander an wie Freunde über den Gartenzaun an einem ganz normalen Tag.»Morgen passiert's — oder gar nicht, Val. Sie wissen ja, wie diese Konvois über die See schleichen, der Langsamste bestimmt das Tempo. Konteradmiral Herrick hat rund zwanzig Frachter zu begleiten. Wenn es ein Gefecht gegeben hat, dann müßten die schnellsten davon jetzt im Skagerrak stehen — falls sie dem Feind entkommen sind. «Er versuchte zu lächeln.»Sie halten mich vielleicht für verrückt, aber es könnte gut sein, daß Herrick morgen früh mit seiner Herde fröhlich grüßend an uns vorbeisegelt.»

«Darf ich etwas fragen, Sir?«»Gern.»

«Wenn Sie Konteradmiral Herrick wären, Sir, was würden Sie an seiner Stelle tun, wenn sich ein feindlicher Dreidecker und sein Geleit Ihrem Konvoi nähert?»

Bolitho sah zur Seite.»Ich würde dem Konvoi befehlen, sich aufzulösen. Dann würde ich den Feind in ein Gefecht verwickeln.

Das verschafft den verstreuten Schiffen Zeit zur Flucht, so daß wenigstens einige davon durchkommen.»

«Glauben Sie, daß auch er das tun würde?»

Bolitho nahm Keen am Arm und führte ihn hinter das große Doppelrad. Julyan, der Master, redete mit seiner tiefen, grollenden Stimme auf seine Gehilfen ein. Schon früher hatte Keen den Mann gelobt, er sei sein Gewicht in Gold wert. Aber was er wirklich konnte, hatte er in dieser Nacht bewiesen, beim harten Anknüppeln gegen Wind und Strömung.

«Ich mache mir Sorgen, Val. Wenn der Feind seine Schiffe findet, wird Herrick das Gefecht zu einer ganz persönlichen Abrechnung machen. «Aus der Kombüse wehte der fette Geruch von Schweinefleisch herüber.»Sobald beide Wachen gegessen haben, machen Sie klar Schiff zum Gefecht, Val. Aber löschen Sie das Kombüsenfeuer noch nicht. Volle Bäuche haben schon mehr Schlachten gewonnen als kalter Stahl.»

Keen musterte das Deck, als herrsche dort bereits das Chaos eines Nahkampfs.»Einverstanden. «Dann sagte er:»Ihr Mr. Tyacke könnte mit dem großen Franzosen recht haben, auch wenn ihn noch keiner kennt. Schließlich kennt auch noch kaum jemand die Black Prince — sie ist viel zu neu.»

Der Wachhabende räusperte sich laut.»Wollen Sie mir vorschlagen, die Wache abzulösen, Mr. Sedgemore?«kam Keen seiner Frage zuvor.

«Moment mal«, unterbrach ihn Bolitho.»Was haben Sie da eben gesagt, Val?»

«Nichts weiter. Nur etwas über die hier unbekannte Black Prince.»

Bolitho sah nach oben zur Flagge.»Haben Sie einen guten Segelmacher, Val? Dann bitten Sie ihn zu uns. Es muß aber schnell gehen. Und noch ehe es dunkel wird, muß ich Kapitän Huxley auf der Nicator verständigen. «Keen schickte einen Midshipman um den Segelmacher. Bolitho würde ihm sicherlich bald erklären, was er beabsichtigte. Und vielleicht knobelte er ja selber noch daran.

Der Segelmacher der Black Prince sah so aus wie alle seiner Zunft: graues, buschiges Haar, kräftige Augenbrauen, die über die Stirn hinaus reichten, und dazu eine Lederschürze voller Werkzeug wie Faden, Nadeln und natürlich Segelmacherhandschuhe. Der Segelmacher blinzelte mit seinen wäßrigen Augen alle nacheinander an: den Admiral, seinen Kommandanten, den Wachoffizier, die Midshipmen und die Gehilfen des Masters.»Ja, Sir?«fragte er mißtrauisch.