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«Können Sie mir eine dänische Flagge nähen, Fudge, einen richtig großen Danebrog?»

Der Mann nickte.»Zur Täuschung, Sir Richard?»

Leutnant Sedgemore wollte den Segelmacher anfahren, aber Keen gab ihm ein Zeichen zu schweigen.

«Richtig«, antwortete Bolitho.»Ein weißes Kreuz auf rotem Grund mit zwei Schwänzen. So wie der Wimpel eines Kommodore — nur größer.»

Fudge straffte sich.»Ich war mit Nelson auf der Elephant vor Kopenhagen, Sir Richard! Ich weiß, wie eine dänische Flagge aussieht.»

«Wann kann ich sie bekommen?»

Fudge grinste mit seinen schlechten Zähnen.»Schnellstens natürlich. In spätestens zwei Tagen, Sir Richard!»

«Wir brauchen sie dringend. Könnte ich sie schon morgen früh haben?»

Fudge schaute ihn so aufmerksam an, als suche er eine Erklärung für die Eile.»Ich fange sofort an, Sir Richard. «Er betrachtete die Seeleute um sich herum, als gehörten sie zu einer minderwertigen Rasse.»Verlassen Sie sich nur auf mich!»

Als Fudge verschwand, rieb sich Bolitho die Hände, als friere ihn.»Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, Val. Gehen wir zusammen eine Runde durch das Schiff.»

«Natürlich, Sir Richard. «Keen war jetzt klar, was Bolitho am nächsten Tag vorhatte.

«Lassen Sie aber zuerst die Larne längsseits kommen, ich habe schriftliche Befehle für die Nicator. Danach soll Tyacke außer Sicht bleiben, denn wenn die Franzosen auftauchen, könnten sie seine Brigg wiedererkennen und sich fernhalten. Ich will aber den großen Franzosen um jeden Preis, um jeden!»

Die wenigen Zeilen brachte Bolitho selbst zu Papier. Yovell versiegelte die Order und steckte sie in die Tasche aus Ölzeug, die für den Kommandanten der Nicator bestimmt war.

«Sie müssen wissen, was ich geschrieben habe, Val«, faßte Bolitho zusammen.»Sollte ich fallen, übernehmen Sie das Kommando. Und sollte die Black Prince die Flagge streichen müssen, wird die Nicator das Gefecht abbrechen und zu Admiral Gambier zurücksegeln.»

Später, als die letzten Abgelösten ihr Abendessen verzehrt hatten, begannen Bolitho und Keen ihre Runde, begleitet vom jüngsten Leutnant und natürlich von Allday. Zu viert gingen sie durch die weitläufigen Decks und stiegen die Leitern hinunter bis ins Orlop.

Viele Seeleute wollten überrascht von ihren Tischen aufstehen, aber Bolitho winkte ab. Er sprach mit einigen von ihnen und war verblüfft, wie sie ihn befragten. Aus Neugier oder um ihre Überlebenschancen besser abzuschätzen?

Er traf auf Gepreßte und Freiwillige, Schanghaite von anderen Schiffen, hörte alle Dialekte Englands: aus Devon und Hampshire, aus Kent und Yorkshire, aber auch fremde, etwa aus Schottland. Und natürlich war unter ihnen auch ein Mann aus Falmouth, der stolz vor seinen Kameraden behauptete:»Natürlich kennt mich Sir Richard!»

Als er seinen Namen nannte, sagte Bolitho:»Ich erinnere mich an Ihren Vater, Tregorran, er war Schmied neben der Kirche. «Er legte ihm die Hand auf die Schulter.»Ihr Vater war ein guter Mann. «Damit ging er weiter.»Also, Leute, hoffen wir, daß wir bald alle wieder zu Hause sind!»

Weil die Stückpforten geschlossen waren, roch es in den Decks stark nach Teer, Bilgenwasser und Schweiß. Hier konnte kein großer Mann aufrecht stehen, und doch lebten hier so viele Männer und starben auch.

Bolitho kletterte den letzten Niedergang empor, als einige Männer hurra zu rufen begannen. Die Rufe folgten ihm nach oben. Allday las in seinem Gesicht, was er dachte: Rauhbeine, Diebe, Schurken, Unschuldige und Verdammte — sie waren Englands letzte Hoffnung: Männer aus Eisen. Die schmuddelige Hose eines Midshipman tauchte im Lampenschein auf, ein paar geflüsterte Worte wurden gewechselt, dann meldete der Leutnant, der sie begleitete, dem Kommandanten:»Mr. Jenours Empfehlung, Sir, und die Tasche mit den Befehlen ist der Nicator gerade übergeben worden.»

Jetzt sah ihn Bolitho zum ersten Mal deutlicher.»Sind Sie nicht Leutnant Whyham?«Der junge Offizier nickte unsicher.»Dachte ich's mir doch. Sie waren vor vier Jahren einer meiner Midshipmen auf der Argonaut, stimmt's?»

Der Leutnant starrte ihnen immer noch nach, als Bolitho und Keen schon die frische Luft des Oberdecks erreicht hatten. Nach dem Gestank unten schmeckte sie wie frisches Quellwasser.

Unsicher bat Keen:»Würden Sie heute abend mit mir essen, Sir? Ehe wir alle Zwischenwände legen und klar zum Gefecht machen lassen.»

Bolitho schaute ihn an, noch immer bewegt von der Zuneigung seiner Männer, die nichts hatten als sein Wort, an das sie sich klammern konnten.»Mit dem größten Vergnügen, Val.»

Beim ersten Tageslicht erwachte die Black Prince zum Leben. Wie Überlebende aus längst vergessenen Zeiten und Wracks krochen die achthundert Leute aus ihren Decks, lösten sich von dem letzten bißchen Frieden und der Ruhe, die jeder in seiner Hängematte gefunden hatte. Bolitho stand auf dem Achterdeck in Luv und hörte nackte Füße laufen und Waffen scheppern. Keen verhielt sich richtig, keine Pfeife schrillte, keine Trommel schlug. Niemand sollte fürchten müssen, daß der letzte Tag seines Erdenlebens anbrach. Bolitho sah zum östlichen Himmel, ohne in der Dämmerung um sein Auge zu fürchten. Das grelle Licht war nahe, aber erst zu ahnen wie ein aufziehender Sturm hinter dem trügerischen Lächeln der See.

Er stellte sich vor, wie der Feind sie sehen würde: einen großen Dreidecker mit seiner rechtmäßigen dänischen Flagge unter der englischen, also ein dänisches Schiff, das von Engländern aufgebracht worden war. Doch zu einer Täuschung gehörte mehr. Als Fregattenkapitän hatte Bolitho sich manche List ausgedacht und war ebenso vielen selbst aufgesessen. In einem so langen Krieg konnte man selbst die Normalität nicht ohne Mißtrauen hinnehmen.

Wenn sie das kommende Gefecht verloren, mußten sie einen doppelten Preis bezahlen. Keen hatte dem Bootsmann befohlen, keinerlei Ketten aufzuriggen. Spieren und Trümmer würden also an Deck fallen und das Schiff verkrüppeln, Männer an ihren Kanonen zerschmettern. Auch alle Boote blieben in den Klampen, und ihre Splitter würden mörderische Wunden reißen.

Keen trat zu ihm. Wie alle Offiziere an Deck hatte er seine Uniformjacke unten gelassen, um sich nicht zu verraten. Auch er sah zum östlichen Himmel.»Es wird wieder ein klarer Tag, Sir Richard.»

Bolitho stimmte zu.»Ich hatte auf Regen gehofft, zumindest auf Wolken bei diesem Nordost. «Aber sie hatten ganz klare Sicht.»Wir werden die Sonne im Rücken haben, also werden sie uns zuerst entdecken. Wir sollten schon Segel kürzen, Val.»

Keen suchte sich einen Midshipman.»Mr. Rooke, bitten Sie den Ersten Offizier, Bramsegel und Royals wegnehmen zu lassen!»

Bolitho wußte sich verstanden. Falls sie schon jetzt gesichtet wurden, konnte der Gegner mißtrauisch werden. Warum segelte eine schwach bemannte Prise unter Vollzeug, wenn sie nichts zu fürchten hatte?

Keen sah den Männern nach, die schemenhaft in den Webleinen emporkletterten, um die schweren Segel aufzutuchen und an die Rahen zu binden.»Major Bourchier hat seine Männer auf dem Vordeck, hier hinten und im Großtopp aufgestellt, genauso als müsse er eine echte Prise unter Kontrolle halten, auf der die ursprüngliche Besatzung noch arbeitet.»

Mehr konnten sie im Augenblick nicht tun.

Cazalet rief:»Der Segelmacher, Sir!»

Fudge und einer seiner Gehilfen kamen aus dem Schatten, die in der Nacht genähte dänische Flagge zwischen sich.

«Sie haben Wort gehalten«, lobte ihn Bolitho.»Gute Arbeit. Lassen Sie Fudge die neue Flagge setzen, diese Ehre gebührt ihm.»

Das war nun wirklich etwas Besonderes, an diesen Augenblick würde sich mancher noch lange erinnern. Männer verließen sogar ihre Kanonen, um das Hissen der Flagge zu beobachten, die schließlich unter der englischen auswehte.