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Jemand rief:»Hast wohl dein bestes Tuch dafür genommen, Segelmacher!»

Der Segelmacher starrte nach oben und sagte trocken:»Ist noch genug übrig, um dich heute darin einzunähen, Freund!»

«Ich habe einen unserer besten Männer in den Ausguck geschickt, Sir«, meldete Keen.»Taverner, Gehilfe des Masters. Der hat Augen wie ein Falke und einen klaren Kopf.»

Bolitho fuhr sich über die trockenen Lippen. Kaffee, Wein, ja sogar das faulige Wasser aus den Fässern hätten ihm jetzt gut getan.

Keen überlegte laut.»Konteradmiral Herrick könnte auch etwas ganz anderes tun, Sir: nach England zurücksegeln, weil er hofft, unterwegs auf das patrouillierende Geschwader zu treffen.»

Bolitho stellte sich das ernste, verläßliche Gesicht Herricks vor.

Mit einem Konvoi umkehren? Niemals. Das wäre für ihn wie Weglaufen.

Tojohns, Keens Bootssteurer, gürtete den Flaggkapitän mit dem Gehenk für den leichten, gebogenen Säbel, den er in jedem Gefecht trug. Bolitho packte den Griff seines eigenen Degens, den Allday an seinen Gürtel gehängt hatte. Er fühlte sich an wie Eis, und Bolitho erschauerte, besorgt beobachtet von Allday. Der Alte roch stark nach Rum.

Und dann wurde die Dunkelheit plötzlich zerrissen durch einen gewaltigen Blitz, der das ganze Schiff erhellte und die Männer wie Statuen beleuchtete. Die Wanten und Webleinen schienen zu glühen. So plötzlich, wie das Licht auf sie zugejagt war, so schnell war es auch wieder verschwunden, als habe es eine Riesenhand ausgelöscht. Dann erst, scheinbar eine halbe Ewigkeit später, kam der Knall der Explosion und mit ihm ein heißer Wind, der die Segel backschlagen ließ und die Gesichter versengte.

Überall wurden Stimmen laut, als die Dunkelheit die Black Prince wieder einschloß.

«Was war das, alter Freund?»

«Ein Schiff, das Pulver und Munition transportiert hat«, antwortete Allday betroffen.

Ob jemand an Bord sich vorstellen konnte, daß auch sein Leben in solch einem Pulverblitz enden konnte? fragte sich Bolitho. Kein letzter Schrei, kein Händedruck mit einem Freund, keine Tränen — nichts, nur ein plötzliches Auslöschen.

Keen rief:»Mr. Cazalet, schicken Sie die Midshipmen unter Deck, sie sollen allen erklären, was vorgefallen ist. «Sogar daran dachte er, während sein Schiff in die Dunkelheit segelte, selber aufs höchste gefährdet.»Unter Deck muß sich das wie ein Riff angefühlt haben.»

Eine schmächtige Figur erschien von irgendwoher, tastete sich an den Rudergängern vorbei und stellte sich hinter die Offiziere. Allday knurrte:»Was zum Teufel willst du hier an Deck?»

Bolitho drehte sich um.»Ozzard! Was soll das? Ihr Platz ist unten im Schiff.»

Doch Ozzard hörte nicht, er zitterte wie Laub im Wind.»Ich kann nicht, Sir! Nie wieder. Nicht seit dem letzten Mal. «Er zitterte stärker.»Ich halte das nicht noch mal aus!»

«Natürlich. Ich hätte daran denken sollen«, beruhigte ihn Bolitho.»Such einen Platz für ihn hier in der Nähe, Allday. «Auch das hatte der Untergang der Hyperion bewirkt: einen vor Furcht zitternden Diener.

Aus dem Fockmast ertönte die Stimme des Ausgucks:»An Deck — Land an Backbord voraus!»

«Das wird Kap Skagen sein«, stellte Keen fest.»In einer Stunde können wir den Kurs ändern auf West.»

Die Erregung, die jetzt das Oberdeck ergriff, teilte sich auch Bolitho mit. Sie waren endlich im Skagerrak — in einem Seegebiet ohne Grund, wie die Mär ging. Wracks und Seeleute seien hier in bodenlose Abgründe gesunken und teilten ihren ewigen Schlaf mit blinden Kreaturen von so schrecklicher Gestalt, daß niemand sie beschreiben konnte. Aber wie dem auch war, wenn ihr Bug erst einmal nach Westen zeigte, stand nichts mehr zwischen der Black Prince und England.

Das Morgenlicht kroch über die Kimm und erhellte Stenge nach Stenge, bis das ganze Deck zu erkennen war; achteraus wurde die Nicator sichtbar.

Taverner, der Gehilfe des Masters oben im Ausguck, rief plötzlich:»An Deck! Brennende Schiffe. «Er suchte nach Worten.»O Gott, ich kann sie gar nicht alle zählen!»

Keen griff zum Sprachrohr.»Hier spricht der Kommandant!«Er machte eine Pause, damit die Leute oben sich sammeln konnten.»Was seht ihr vom Feind?»

Bolitho trat an die Querreling und blickte in die nach oben gewandten Gesichter, die alle wissen wollten, was hinter der Kimm geschah.

«Zwei französische Linienschiffe, Sir. Eines von uns, aber ohne Mast. «Taverner schwieg, und Bolitho hörte den Master murmeln:»Dann muß es schlimm sein!»

Das aufsteigende Tageslicht würde bald alles enthüllen. Der Feind mußte am Vorabend noch vor der Dämmerung auf Herricks Konvoi gestoßen sein, während die Black Prince aus dem Sund kroch, um ihm zu helfen. Dann hatte er den ganzen Konvoi entweder erbeutet oder vernichtet. Den Rest des Geleitschutzes würde er heute erledigen.

Müde sagte Keen:»Wir kommen zu spät, Sir.»

Der Knall eines Kanonenschusses rollte übers Wasser. Taverner meldete:»Das entmastete Schiff hat Feuer eröffnet, Sir! Die geben nicht auf!«Allen Drill vergessend, brüllte er plötzlich:»Schießt sie zusammen, Jungs! Drauf! Wir kommen!»

Das entmastete Schiff mußte die Benbow sein, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Bolitho sagte:»Lassen Sie mehr Segel setzen, Val. Aber es bleibt dabei, wir sind eine Prise unter englischer Besatzung. «Keen wirkte bedrückt.»Wir haben keine andere Wahl, wir müssen den Windvorteil nutzen und den Überraschungseffekt.»

Zwei Breitseiten folgten jetzt kurz hintereinander. Der Feind suchte wohl Benbows Feuerkraft zu halbieren, sie zwischen sich zu nehmen, zu entern und zu erobern. Ohne Takelage konnte sie sich nicht mehr bewegen. Die Salven würden ihr ungeschütztes Heck zertrümmern und unter Deck ein Blutbad anrichten. Bolitho ballte die Fäuste, bis sie schmerzten. Herrick würde eher sterben als sich ergeben. Er hatte schon zuviel verloren.

Die Black Prince nahm langsam mehr Fahrt auf und ging auf Westkurs, wo hinter Kap Skagen immer noch Dunkelheit auf dem Wasser lag. Erst allmählich enthüllte das zunehmende Tageslicht die schrecklichen Spuren eines verlorenen Gefechts: Spieren, Lukendeckel, leer treibende Rettungsboote und weiter draußen den Kiel eines gekenterten Schiffes. Als es heller wurde, sahen sie noch andere Schiffe: Einigen fehlten die Masten, andere schienen unbeschädigt, aber alle führten die französische Flagge über der englischen.

Das zweite Geleitschiff, das Tyacke erwähnt hatte, war nirgends zu sehen. Unter Herricks Oberkommando war es bestimmt eher gesunken, als sich zu ergeben.

Taverner hatte sich wieder unter Kontrolle, als er rief:»An Deck! Sie haben das Feuer eingestellt, Sir!»

Keen hob sein Sprachrohr.»Hat Benbow die Flagge gestrichen?»

Taverner sah genauer hin. Nach all seinen Jahren auf See gab es immer noch etwas, das ihn überraschte.»Nein, Sir, hat sie nicht. Aber der große Franzose fällt ab und setzt mehr Segel!»

Bolitho ergriff Keens Arm.»Jetzt haben sie uns entdeckt, Val. Da kommen sie!»

Er sah seinen Neffen durch den Qualm entsetzt hinüberstarren, als ein langgezogenes tierisches Gebrüll hörbar wurde. Tojohns fragte durch die zusammengebissenen Zähne:»Was zum Teufel ist das?»

Keen antwortete sachlich:»Pferde. Kavalleriepferde. Sie verenden unter Deck auf den brennenden Schiffen.»

Bolitho strich sich über sein linkes Auge. Er hatte schon einmal Pferde in Todesnot so schreien gehört, bis die See sie endlich verschluckte.

Er sah seine Leute voll stummer Wut am Schanzkleid stehen. Sie hätten kühl einen Feind niedergestreckt und sich kaum umgeschaut, wenn neben ihnen ein Freund fiel — aber Pferde, hilflose Tiere, so leiden zu hören — das war zuviel für sie. Er straffte sich und sagte mit lauter, ruhiger Stimme, so daß ihn jeder verstand:»Das große Schiff dort läuft auf uns zu, Männer. Was ihr auch denkt oder fühlt — bleibt auf eurem Platz. Jede unserer Kanonen ist mit Doppelkugeln geladen und feuerbereit. Also haltet durch. Dies ist ein starkes neues Schiff, und unsere Freunde auf der Benbow warten auf uns. Aber wir wollen nicht Rache, sondern Gerechtigkeit!»