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Bolitho vergaß Triarte sofort, als Puigserver in beiläufigem Ton weitersprach:»Ich will mich kurz fassen. Sie werden bald auf Ihr Schiff zurückkehren wollen, um alle Vorbereitungen zur Abreise nach unserem Ziel zu treffen.»

Bolitho sah ihn überrascht an. Puigserver hatte entschieden etwas Gewinnendes: breit gebaut, die Beine in den feinen Seidenstrümpfen außerordentlich muskulös, fester, kraftvoller Händedruck — ein selbstsicherer und vertrauenerweckender Mann. Kein Wunder, daß der Gouverneur es vermieden hatte, ihn warten zu lassen. Zweifellos war Puigserver eine Respektsperson.

Jetzt schnippte er mit seinen spatelförmigen Fingern, und sofort stürzte ein nervöser Adjutant herzu, um Bolitho Hut und Degen abzunehmen. Ein zweiter winkte einige Bediente herbei, und zwei Minuten später saßen alle um den altarähnlichen Tisch; vor jedem stand ein prachtvoller Kelch.

Nur Puigserver war stehengeblieben. Mit völlig unbewegter Miene überwachte er die Diener, die funkelnden Wein einschenkten. Doch als Bolitho zufällig den Blick senkte, sah er, daß Puigserver ungeduldig mit der Fußspitze wippte.

Dann erhob er sein Glas:»Meine Herren — auf unsere Freundschaft. «Sie standen auf und tranken. Der Wein war ausgezeichnet; Bolitho mußte an sein unsicheres Herumsuchen in jenem Laden in der St. James' Street denken. Puigserver fuhr fort:»Der Krieg hat wenig erbracht außer der Erkenntnis, daß weiteres Blutvergießen vermieden werden muß. Ich will Ihre Zeit nicht mit leeren Versprechungen in Anspruch nehmen, die ich doch nicht einhalten kann; ich kann nur hoffen, daß wir in Zukunft unseren jeweiligen Interessen in Frieden nachgehen werden.»

Bolitho warf einen raschen Blick auf die anderen. Raymond lehnte sich in seinem Stuhl zurück und versuchte, gelassen auszusehen, aber in Wirklichkeit war er gespannt wie eine Stahlfeder. Der spanische Kapitän blickte über sein Glas hinweg in irgendwelche Fernen. Die Mehrzahl der anderen hatte den leeren Gesichtsausdruck von Menschen, die so tun, als ob sie alles verstehen, aber in Wirklichkeit keine Ahnung haben. Wahrscheinlich, dachte Bolitho, verstanden sie von zehn Worten nur eins.

Davy saß an der anderen Seite der Tafel. Seine klargeschnittenen Züge glänzten vor Schweiß, und er bemühte sich, ein streng dienstliches Gesicht zu machen.

Im Grunde zählten nur sie drei: Don Luis Puigserver, Raymond und Bolitho selbst. Der erstere sagte:»Spanien hat Menorca mit Dank wieder in Empfang genommen, ebenso gewisse andere Inseln — Konzessionen, welche sich aus diesem unglückseligen Kriege ergaben. «Eine Sekunde lang hafteten seine Augen an Bolitho; dunkle, fast schwarze Augen, wie spanische Oliven.»Als Gegenleistung hat sich Seine Katholische Majestät veranlaßt gesehen, dieser neuen gemeinsamen Unternehmung Ihren Allerhöchsten Segen zu erteilen. Die Unternehmung ist übrigens nicht ohne Risiko. «Er blickte zu Raymond hinüber.»Vielleicht sind Sie so freundlich, die Einzelheiten zu erläutern?»

Raymond machte Miene aufzustehen, blieb aber dann doch sitzen.»Wie Ihnen bekannt sein wird, Captain Bolitho«, begann er,»hat der französische Admiral Suffren mehrfach unsere Schiffe und Territorien in Ostindien sowie in Indien selbst angegriffen. Holland und Spanien — «, er zögerte, weil Capitan Triarte ein diskretes, aber vorwurfsvolles Hüsteln vernehmen ließ,»- waren Frankreichs Alliierte, hatten aber nicht die erforderlichen Geschwader und Truppen zur Verfügung, um ihre Besitzungen in diesem Gebiet zu schützen. Suffren tat es für sie. Er eroberte unseren Hafen Trincomali und gab ihn den Holländern nach dem Krieg zurück. Es gibt da noch mehrere ähnliche Fälle, doch werden Ihnen die meisten bereits bekannt sein. Nun hat Spanien im Austausch gegen gewisse andere

Vergünstigungen, die für Sie im Moment ohne Interesse sind, prinzipiell eingewilligt, eines seiner Territorien auf Borneo an England abzutreten. «Er warf Bolitho einen Blick zu, den dieser als impertinent empfand.»Und dahin segeln Sie natürlich.»

Natürlich. Es klang so einfach: Die Reise wurde eben zweioder dreitausend Meilen länger. Raymond sprach von Borneo, als handle es sich um Plymouth.

Gelassen warf Bolitho ein:»Mir ist der Sinn dieser — hm — Abmachungen nicht ganz klar.»

Puigserver mischte sich ein.»Das glaube ich Ihnen gern, Capitan.«Er warf Raymond einen kalten Blick zu.»Reden wir offen. Um bei diesem unsicheren Waffenstillstand weitere Spannungen zu vermeiden, denn genau das ist dieser Friedensschluß, müssen wir mit äußerster Vorsicht vorgehen. Die Franzosen haben trotz ihrer Anstrengungen in Indien so gut wie nichts gewonnen; und sie sind empfindlich gegen jede rasche Expansion eines anderen Staates in der Umgebung ihrer ohnehin schrumpfenden Einflußzonen. Ihr Ziel, Capitan, ist Teluk Pendang: ein ausgezeichneter Ankerplatz, eine beherrschende Position für jedes Land, das den Wunsch hat, noch weitere Stützpunkte in diesem Gebiet anzulegen. Kurz, die Brücke zu einem Weltreich.»

«Ich sehe schon, was Sie meinen, Senor«, nickte Bolitho. Aber er sah gar nichts, und er hatte auch noch nie von diesem Ort gehört.

Raymond riß das Gespräch wieder an sich.»Als im vorigen Jahr der Friede unterzeichnet war, sandte unsere Regierung die Fregatte Fortunante mit den Dokumenten dieses Abkommens nach Madras. Unterwegs stieß sie in Höhe des Kaps der Guten Hoffnung auf zwei heimkehrende Fregatten des Admirals Suffren. Diese wußten, was durchaus natürlich war, nichts von dem Friedensschluß und ließen dem Kapitän der Fortunate auch keine Zeit zu Erklärungen. Es kam zum Gefecht; die Fortunate schoß eines der französischen Schiffe so zusammen, daß es in Brand geriet und sank. Unglücklicherweise fing sie selbst ebenfalls Feuer und ging mit dem Großteil ihrer Mannschaft unter.»

Bolitho konnte sich die Szene ausmalen. Drei Schiffe auf offener See. Zwischen ihren Ländern herrschte zwar endlich Friede, aber die Kapitäne wußten nichts davon, sondern waren noch voller Kampfeseifer, wie man es ihnen beigebracht hatte.

«Wie dem auch sei«, fuhr Raymond fort,»der überlebende französische Kapitän war ein alter Haudegen namens Le Chaumareys, einer der besten Frankreichs.»

Bolitho lächelte.»Ich habe von ihm gehört.»

«Ja«, sagte Raymond nervös,»bestimmt haben Sie das. Gewisse Leute in der Regierung nehmen nun an, daß die Franzosen durch Le Chaumareys von diesem unserem Abkommen mit Spanien erfuhren. Wenn das der Fall ist, muß sich Frankreich aufs höchste beunruhigen über die Aussicht, daß wir ein weiteres jener Territorien, um die es für Spanien gekämpft hat, in Besitz nehmen wollen.»

Jetzt hatte Bolitho begriffen: darum all die vagen Andeutungen in der Admiralität, die ganze Geheimnistuerei. Kein Wunder. Wenn Frankreich Wind von Englands Absicht bekam, in Ostindien eine expansive Politik zu betreiben, dann mußte ein neuer Krieg ausbrechen. Es war, als stünde jemand mit einer brennenden Lunte in einem Pulvermagazin.»Was sollen wir also tun?«fragte Bolitho.

Raymond entgegnete:»Sie werden zusammen mit der Nervion segeln. «Er schluckte.»Sie wird das Führungsschiff sein, und Sie werden sich entsprechend verhalten. In Madras werden Sie den neuen britischen Gouverneur an Bord nehmen und ihn mit den gegebenenfalls zur Verfügung stehenden Truppen an seinen neuen Amtssitz bringen, nämlich nach Teluk Pendang. Ich begleite Sie, denn ich habe Depeschen für ihn und soll ihm, soweit es mir möglich ist, mit Rat und Tat zur Seite stehen.»

Puigserver sah ihn an wie ein guter Onkel seinen kleinen klugen Neffen.»Und ich werde an Ort und Stelle dafür sorgen, daß unsere Leute keinen Unsinn machen, wie?»

Mißmutig sprach Raymond weiter.»Die Franzosen haben eine Fregatte in diesen Gewässern, die Argus, mit 44 Geschützen. Es heißt, daß Le Chaumareys sie kommandiert. Er kennt die Sunda-Inseln und Borneo so gut, wie es einem Europäer möglich ist.»