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Bolitho atmete langsam aus. Der Plan war soweit ganz gut. Die Entsendung eines britischen Geschwaders hätte früher oder später zur offenen Seeschlacht geführt; aber zwei Fregatten verschiedener Nationalität waren nicht so auffällig und würden doch der Argus mehr als gewachsen sein, sowohl prestigemäßig als auch hinsichtlich der Feuerkraft.

Langsam schritt Puigserver zu dem großen Fenster und starrte auf die vor Anker liegenden Schiffe hinunter.»Eine lange Reise, meine Herren, die aber, wie ich hoffe, uns allen zum Vorteil gereichen wird. «Er wandte sich Bolitho zu; sein Gesicht lag im Schatten.»Sind Sie seeklar?»

«Aye, Senor. Wir müssen nur noch Trinkwasser übernehmen und frisches Obst, wenn das möglich ist.»

«Wird bereits erledigt, Capitan.«Er lächelte breit.»Es tut mir leid, daß ich Ihnen nicht auf einige Zeit Gastfreundschaft erweisen kann, aber diese Insel ist sowieso ein trauriger Aufenthalt. Wenn Sie aber einmal nach Bilbao kommen sollten — «, er küßte die Fingerspitzen,»- dann kann ich Ihnen zeigen, wie man lebt. «Er lachte dem übellaunig dreinschauenden Raymond ins Gesicht.»Und ich denke, wir werden einander wesentlich besser kennen, wenn diese Reise zu Ende ist.»

Die spanischen Adjutanten verneigten sich ehrerbietig, als Puigserver zur Tür schritt.»Wir sehen uns noch, bevor wir segeln!«rief er und fügte, schon im Hinausgehen, hinzu:»Aber morgen lichten wir Anker, komme was wolle.»

Lebhafte, gedämpfte Unterhaltung setzte ein, und Raymond kam um den Tisch herum zu Bolitho.»Dieser verdammte Kerl!«flüsterte er wütend.»Noch ein Tag mit ihm, und ich hätte ihm meine Meinung gesagt!»

«Auf welchem Schiff wollen Sie segeln?«fragte Bolitho.»Meins ist ja ganz ordentlich, aber viel kleiner als der Spanier.»

Raymond drehte sich halb nach dem spanischen Kapitän um, der mit seinen Leuten außer Hörweite sprach.

«Mit dem Spanier segeln? Und wenn Ihr Schiff eine lausige Kohlenschute wäre — mir wäre es immer noch lieber als die Nervion!»

Davy flüsterte:»Ich glaube, sie erwarten, daß wir gehen.»

Raymonds Gesicht wurde noch finsterer.»Ich komme mit auf Ihr Schiff, da können wir alles besprechen. Hier kann man ja nicht einmal atmen, ohne daß einer lauscht.»

Bolitho sah seine Eskorte bereits vor der Tür warten und lächelte. Raymond mochte eine bedeutende Rolle bei dieser Mission spielen, aber Takt war jedenfalls nicht seine starke Seite.

Fast ohne ein Wort kehrten sie zur Pier zurück; aber Bolitho spürte deutlich die Spannung, unter der Raymond stand. Irgend etwas quälte ihn. Vielleicht fühlte er sich seinen dienstlichen Aufgaben nicht gewachsen?

Als die Gouverneursbarke zur Undine zurückstrebte, fühlte sich Bolitho erleichtert. Ein Schiff, das verstand er. Raymonds Welt jedoch war ihm so fremd wie der Mond.

Raymond kletterte an Bord und starrte leeren Blicks auf die angetretene Ehrenformation und die geschäftigen Matrosen, die an den Taljen und Blöcken des Ladegeschirrs arbeiteten. Fässer und allerlei Netze mit Früchten und Strohhüten gegen die Sonne wurden an Deck gehievt.

Bolitho nickte Herrick zu.»Alles wohl an Bord?«Er berührte Raymonds Arm.»Dies ist Mr. Raymond, unser Passagier. «Er fuhr herum, denn eben ertönte schrilles Frauengelächter vom Niedergang her.

«Wer hat dieses Weib an Bord gelassen? Bei Gott, Mr. Herrick, wir sind hier nicht in Portsmouth Point oder Nore!»

Dann sah er das Mädchen — klein, dunkel, rot gekleidet. Sie sprach mit Allday, dem das offensichtlich Spaß machte.

Bedrückt sagte Raymond:»Ich hatte gehofft, Ihnen das eher erklären zu können. Sie ist ein Dienstmädchen, die Zofe meiner Frau.»

Herrick versuchte, Bolithos plötzlichen Zorn zu besänftigen.»Sie ist vor etwa einer Stunde mit ihrer Herrin an Bord gekommen, Sir. Anweisung vom Gouverneur. Ich konnte nichts machen«, sagte er verkniffen.

«Ach so. Dann allerdings«, murmelte Bolitho und schritt zum Achterdeck. Sie hatten tausend Meilen in einem kleinen, vollgestopften Kriegsschiff vor sich. Raymond allein war schon schlimm genug, aber seine Frau und ihre Zofe — das war zuviel! Er sah, wie ein paar Matrosen einander grinsend anstießen. Wahrscheinlich hatten sie nur darauf gewartet, wie er reagieren würde.

Sehr gemessen sagte er:»Vielleicht würden Sie mich vorstellen, Mr. Raymond?»

Sie gingen zusammen nach achtern, und Davy wisperte:»Himmelkreuz noch mal, Mr. Herrick, das wird ja eine sehr gemischte Reisegesellschaft!»

Herrick sah ihn böse an.»Und Sie haben sich vermutlich inzwischen gut amüsiert.»

«Ein wenig Wein, ein paar hübsche Frauen…«Er kicherte.»Aber ich habe auch an Sie gedacht, Sir.»

Herrick mußte lachen.»Zur Hölle mit Ihnen! Jetzt ziehen Sie sich gefälligst Ihre Bordgarnitur an und beaufsichtigen Sie den Laden. Heute braucht man überall Augen.»

Inzwischen war Bolitho in seiner Kajüte angelangt und schaute sich verzweifelt um. Koffer überall, Kleider über Möbel und Kanonen geworfen, als wären Einbrecher an Bord gewesen. Mrs. Raymond war groß und schlank; nicht das kleinste Lächeln erhellte ihr Gesicht. Offenbar war sie wütend.

«Du hättest mit dem Auspacken noch warten sollen, Violet!«rief ihr Gatte erschrocken.»Hier ist unser Kapitän.»

Bolitho verbeugte sich kurz.»Richard Bolitho, Ma'am. Ich hatte Ihrem Gatten gegenüber eben erwähnt, daß eine Fregatte nur wenig Bequemlichkeit zu bieten hat. Aber da Sie mit uns zu segeln wünschen, werde ich selbstverständlich alles tun, was… «Er kam nicht weiter.

«Wünschen?«Ihre Stimme klang heiser vor Wut.»Bitte geben Sie sich keiner Täuschung hin, Captain! Mein Mann will nicht, daß ich auf der Nervion reise. «Sie verzog den Mund vor lauter Verachtung.»Er fürchtet um meine Ehre, wenn ich bei einem spanischen Edelmann an Bord bin!»

Bolitho bemerkte, daß sich Noddall nervös in der Speisenische herumdrückte, und blaffte ihn ärgerlich an:»Helfen Sie Mrs. Raymonds Zofe, all dieses… — «, er blickte sich hilflos um, — »dieses Geschirr zu verstauen!«Raymond ließ sich mittlerweile schwer wie ein Sterbender auf die Sitzbank fallen. Kein Wunder, daß er so mitgenommen aussah.»Und lassen Sie dem Ersten Leutnant ausrichten, daß ich ihn sprechen will!«Er sah sich in der Kajüte um und sprach seine Gedanken laut aus.»Wir müssen die Zwölfpfünder vorübergehend herausnehmen und statt dessen Attrappen montieren.»

Raymond sah stumpfen Blickes hoch.»Attrappen?»

«Hölzerne Kanonenrohre. Damit es so aussieht, als ob wir voll armiert wären.»

Herrick erschien in der Tür.»Sir?»

«Wir müssen ein paar Behelfswände errichten, Mr. Herrick, damit unsere Passagiere ein Schlafabteil erhalten. An Backbord, denke ich.»

«Nur für mich und meine Zofe, bitte«, sagte Mrs. Raymond kalt und warf einen uninteressierten Blick auf ihren Gatten.»Er kann irgendwo anders auf diesem Schiff schlafen.»

Herrick betrachtete sie aufmerksam und sagte:»Also dann schläft Mr. Raymond an Steuerbord. Aber was wird mit Ihnen,

Sir?»

Bolitho seufzte.»Ich nehme den Kartenraum. «Und mit einem Blick auf das Ehepaar:»Wir werden zusammen speisen, wenn Sie nichts dagegen haben. «Keiner von ihnen gab eine Antwort. Midshipman Keen trat an der offenen Tür von einem Fuß auf den anderen und ließ kein Auge von den beiden Frauen.»Mr. Soames läßt respektvoll melden, Sir, daß der Kapitän der Nervion an Bord kommt«, sagte er.

Bolitho fuhr herum und fluchte leise, denn er hatte sich das Schienbein an einem der schweren Koffer gestoßen. Mit zusammengebissenen Zähnen sagte er:»Ich werde mich bemühen, ihm die geziemende Gastfreundschaft zu erweisen, Mr. Herrick.»