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»Nein«, sagte ich. »Das genügt. Den Rest er­ ledigten dann Monsieur Alassian und der Ehemann der Dame. Der kaufte den Schmuck, den sie sich wünschte. Oder er überraschte sie damit an einem persönlichen Festtag. So war das, Madame, ja?« »Genau so, Monsieur.«

»Und Sie?«

»Was, ich?«

»Ich meine, waren Sie mit dem Angebot des Monsi­ eur Alassian einverstanden? Sie sind doch Monsi­ eur Mondragons Frau gewesen. Sie haben ihn geliebt ...«

»Ich liebe ihn noch. Ich werde ihn immer lieben«, sagte sie.

»Nun eben. War die Vorstellung, daß Ihr Mann das Angebot von Monsieur Alassian annehmen würde, überhaupt erträglich?«

»Ich verstehe Sie nicht ...«

»Herrgott! Er sollte mit anderen Frauen schlafen. Waren Sie denn nicht außer sich vor Eifersucht.« »Wir waren sehr arm, Monsieur Royan«, sagte sie ernst. »Und Pierre konnte doch nichts - außer lie­ ben. Ich wußte, diese Frauen zu lieben sollte sein Beruf sein. Das hatte überhaupt nichts mit unserer Liebe zu tun. Aber wir bekamen endlich Geld, um zu leben. Das müssen Sie doch verstehen, Monsi­ eur Royan!«

Ich dachte, was für ein seltsamer Mensch Madame Mondragon war. Ich dachte daran, daß sie einmal so schön gewesen sein soll und nun so häßlich aussah. Ich dachte an die Tragik, die sie beständig umgab, auch jetzt, auch wenn sie lächelte. Nein, dachte ich, diese Frau war nicht einverstanden ge­ wesen mit dem Vorschlag des Juweliers Alassian, ganz gewiß nicht. Und dennoch hatte sie ihn akzep­ tiert. War die Liebe zu ihrem Mann so übergroß? Was für eine seltsame Frau.

Ich fragte grob: »Arbeitete Ihr Mann für ein festes Gehalt, oder bekam er Prozente?«

Sie war überhaupt nicht beleidigt.

»Selbstverständlich Prozente! Natürlich gefielen ihm immer die teuersten Stücke bei Monsieur Alassian am besten. Oh, das Brillanten-Set für Mrs. Collins«, sie klatschte in die Hände wie ein Kind, »welch ein Glücksfall für uns! So etwas kam niemals wieder.« »Und Ihr Mann hat auf diese Weise zweiund­ zwanzig Jahre lang für den Juwelier Alassian aus Nizza gearbeitet?« fragte ich.

»Zwanzig Jahre lang, Monsieur. Seit zwei Jahren arbeitete er nicht mehr. Die vielen Damen, die er glücklich gemacht hat ... Er war ja so bemüht, so gewissenhaft ...«

»Das waren lauter Ausländerinnen?«

»Ja. Amerikanerinnen, Engländerinnen, viele Deut­ sche, Damen aus Dänemark, Schweden, Japan, Kanada, Australien ... Monsieur Alassian hat mei­ nem Mann sehr viel zu verdanken ... seine größten Verkäufe! Zu denken, daß ...« Sie brach ab. »Zu denken, was?«

Sie schüttelte den Kopf.

»Später, Monsieur Royan. Der Reihe nach. Wir ha­ ben gut gelebt, mein Mann und ich. Es kam ja im­ mer noch das Geld aus der Korrespondenz dazu.« »Sie meinen«, sagte ich, »Ihr Mann hat mit allen diesen Frauen Briefe gewechselt, und sie haben ihn alle finanziell unterstützt?«

Madame Mondragon nickte. »Mit zwei, drei Aus­ nahmen alle! Was glauben Sie, was hier Schecks ins Haus kamen, aus welchen Ländern, auf welche Banken ... Die Côte d'Azur ist international, die Klientel von Monsieur Alassian auch ...« »Es waren ja, wie ich von Mrs. Collins hörte, ans Herz gehende, zu Tränen rührende Briefe ... die schönsten Liebesbriefe der Welt.«

»So ein Kompliment zu hören tut mir natürlich gut.« »Wieso Ihnen?«

»Ach Gott!« Sie warf eine Hand hoch. »Weil ich doch alle diese Briefe geschrieben habe!« Ich holte Atem.

»Sie haben alle diese Liebesbriefe geschrieben?« »Die schönsten Liebesbriefe der Welt, denke ich.« »Das waren Sie?«

»Nun, natürlich!« Sie lachte. »Ich sagte Ihnen doch, Pierre war leider so entsetzlich dumm. Er hätte das niemals fertiggebracht, niemals! Nein, nein, das mußte schon ich tun. Jeder der Damen ein Bild mit dem Mandelbäumchen schenken und den Vers von Poe auf die Rückseite schreiben, das brachte er gerade noch fertig, mein geliebter Pierre.« Sie setz­ te hinzu: »Ich konnte seine Schrift täuschend ähn­ lich nachahmen, wissen Sie?«

»Aber in welchen Sprachen schrieben Sie? Bei so vielen Nationalitäten?«

»Immer nur Englisch. Alle Damen verstanden Eng­ lisch. In Abständen legte ich das Bild eines Mandel­ bäumchens dazu - bei manchen Damen einmal im Jahr, bei manchen zweimal. Ich habe Pierre immer angehalten, einen Vorrat zu schaffen.« Sie sah zu dem Schrank.

»Noch in der Klinik, als es ihm schon sehr schlecht ging, hat er Mandelbäumchen gemalt, viele ... bis er den Pinsel nicht mehr halten konnte.« Sie fragte: »Haben Sie ein Taschentuch?«

Ich gab ihr eins. Sie blies donnernd hinein und wischte sich dann über die Augen.

»Pierre ist erst seit zwei Jahren tot ... Das ist eine kurze Zeit, Monsieur, eine kurze Zeit. Ich muß im­ mer noch weinen, wenn ich von ihm spreche. Ver­ zeihen Sie!«

»Aber bitte«, sagte ich. »Das versteht doch jeder Mensch.«

»Der Vers ist schön, nicht wahr?« fragte sie scheu. »Sie meinen: ›Weder die Engel des Himmels, noch die Teufel tief unter der See ...‹?«

»Ja, der Vers von Edgar Allan Poe. Er gefiel mir so gut, als ich ihn vor vielen Jahren einmal las - ich war damals noch ein halbes Kind -, daß ich diese Worte wählte, bevor wir mit der Mandel­ bäumchengeschichte begannen.«

»Die Idee mit dem Vers kam auch von Ihnen?« »Das sage ich doch.«

»Und derselbe Vers stand auf all den vielen, vielen Karten?«

»Natürlich, Monsieur Royan. Hätte ich für jede Da­ me einen anderen suchen sollen?«

»Da haben Sie recht«, sagte ich und sah die Karte an, die Mrs. Collins erhalten hatte und die nun in meinem Besitz war.

»Ist doch wirklich hübsch, so ein Bäumchen, nicht wahr?«

»Sehr hübsch, wirklich«, sagte ich. »Und kamen manche von den Damen wieder an die Côte d'A-zur?«

»Oh, viele, Monsieur.«

»Und?«

»Was und?« Sie hob die Schultern und ließ sie wie­ der fallen. »Pierre hat sie wieder glücklich gemacht, alle. Und ihre Männer haben alle wieder Schmuck bei Monsieur Alassian in Nizza gekauft. Seit drei Jahren war keine Dame mehr da. Das Mandel­ bäumchengeschäft läuft ungestört.«

»Sie meinen, Sie schreiben den Damen auch nach dem Tod Ihres Mannes regelmäßig?«

»Man muß doch leben, nicht wahr?«

»Und wenn eine Dame jetzt kommt - so wie ich ge­ kommen bin?«

»Dann werde ich ihr die Wahrheit sagen - wie Ih­ nen. Daß ich seine Frau war.« Ihre Stimme wurde lauter. »Mit Stolz werde ich das jeder Dame sagen. Das ist doch eine gute Geschichte, wie? Schriftstel­

ler suchen immerzu Geschichten. Da haben Sie eine. Ich schenke sie Ihnen!«

Und ich dachte daran, daß mir in der vergangenen Nacht Mrs. Collins ihre Geschichte geschenkt hatte. »Schreiben Sie sie auf, Monsieur Royan, schreiben Sie sie auf!«

Darum hatte mich auch Mrs. Collins ersucht, dachte ich.

»Werden Sie sie aufschreiben? Wenn ich Sie herz­ lich darum bitte?«

»Warum sind Sie so erpicht darauf, Madame Mon­ dragon?«

Einen Augenblick lang verzerrte sich ihr tragisches Gesicht zu einer Grimasse des Hasses. »Dieser Juwelier, dieser Reuben Alassian, er hat Pierre zwanzig Jahre betrogen ... mit den Prozenten ... Ich bin dahintergekommen ... Ich kann es bewei­ sen ... Betrogen hat er uns, der Schuft. Wo Pierre ihm doch so sehr geholfen hat! Das soll die Welt wissen. Auf einen Mann wie Sie habe ich gewartet. Auf einen Schriftsteller! Sie werden aufschreiben, was ich Ihnen erzählt habe, ja?«